Die
WELTKARTE DES CASTORIUS
genannt
Die Peutingersche Tafel.

Titelbild

Einleitender Text
Dr. Konrad Miller
Professor am Realgymnasium in Stuttgart.
Ravensburg
Verlag von Otto Maier (Dornsche Buchhandlung)
1887.

Stuttgart.
Buchdruckerei der Akt.-Ges. »Deutsches Volksblatt«

Einleitung

Die vorliegende neue Ausgabe der Tabula Peutingeriana ist entstanden als Grundlage und Vorarbeit eines Commentars zu derselben. Sie beruht deshalb auf der Vergleichung des Textes sämtlicher bisheriger Ausgaben und des Originals in Wien. Es ist an Mühe nicht gespart worden, um in getreuer Wiedergabe aller Details, in Korrektheit und Vollständigkeit das Möglichste zu leisten. Es ergaben sich über 1000 abweichende Lesarten der verschiedenen Ausgaben, ca. 800 Korrekturen (allein im Schwarzdruck) gegenüber von Scheyb, über 70 zum Teil nicht unwichtige gegenüber Desjardins. Besondere Sorgfalt wurde auf die Entzifferung corrupter und verblasster Stellen — namentlich Inseln, Meere, Seen — verwendet, in welcher Beziehung alle neueren Ausgaben, die französische eingerechnet, sich sehr mangelhaft erwiesen.

Die vorliegende Ausgabe will aber zugleich durch Billigkeit und Handlichkeit ihre Vorgängerinnen übertreffen, die Peutingersche Tafel jedem Forscher und der Schule zugänglich machen und ihre Kenntnis in weitere Kreise tragen, als sie bisher gelangen konnte (das 1. Facsimile von Scheyb anno 1753 kostete 18 Thaler, die einzige neuere Ausgabe in Farben von Desjardins kostet 140 Frcs.). Dazu war die Reduzierung der Grösse unserer Ausgabe auf ⅔ des Originals notwendig und schien ohne Beeinträchtigung des Gebrauches möglich; sie hat somit ohne die Ränder eine Länge von 4,47 m und eine Höhe von 22 cm. Des bequemeren Gebrauches wegen geben wir die ganze Tabula an einem Stück, wie auch die Pergamentrolle es war, aber gefaltet, so dass der Leser jeden beliebigen Teil oder das Ganze vor sich ausbreiten kann, während bei den anderen Ausgaben in getrennten Blättern die 4 Einleitung. Benützung an den Bruchstellen sehr erschwert und ein Überblick nicht möglich ist.

Die Einteilung in 11, bezw. — mit dem fehlenden I. — in 12 Segmente musste beibehalten werden; es empfahl sich, jedes Segment in 5 vertikale Abteilungen zu bringen, um das Citieren und Auffinden bequem zu machen. So kann, wenn der Angabe des Segmentes und der Abteilung — was gewöhnlich genügen wird — etwa noch das Land oder abgekürzt o. m. u. (oben, mitten, unten) beigefügt wird, z. B. Clusio (IV 5 m), die Auffindung nicht mehr schwer sein.

Zum Zweck der leichteren Orientierung, besonders auch für den Gebrauch in Schulen, sind am unteren Rande ausserhalb des Textes senkrecht unter den alten die heutigen Namen der Hauptstädte beigefügt. Es konnten aber hiebei nur die mit Vignetten bezeichneten Orte berücksichtigt werden. Um die zugehörigen heutigen Namen zu finden, legt man im Zweifelsfalle ein Lineal an und wird in der Abscisse den gesuchten Namen finden; wenn mehrere Städte übereinander stehen, folgen sie in derselben Reihenfolge von oben nach unten wie auf der Karte. Freilich ist unser diesbezügliches Wissen noch sehr lückenhaft und oft unsicher; es konnte besonders im Orient öfters nur die ungefähre Lage bezeichnet werden, welche Vergleichungen auf einer modernen Karte ermöglicht. Die Abkürzungen für prope, juxta, sive, rudera oder ruinae sind leicht verständlich. Die fehlenden alten Namen der Tabula sind gleichfalls unten am Rande angegeben und durch Fettdruck kenntlich.

5 Einleitung.

Die k. k. Hofbibliothek in Wien verwahrt unter ihren kostbarsten Schätzen n Pergamentblätter, je in Passepartout eingelegt und unter dem Namen der Peutingerschen Tafel oder Tafeln bekannt. Bis zum Jahr i863 bildeten die 11 Blätter eine zusammenhängende Rolle, auf Leinwand aufgezogen. Die Rolle hatte eine Länge von 6,82 m und eine Höhe von 34 cm. 1) Im Oktober und November jenes Jahres wurden von den Konservatoren der Hofbibliothek die 11 Pergamentblätter, welche je am Rande übereinander geklebt waren, getrennt und zur Verhütung der bei dem Auf- und Zurollen unvermeidlichen Beschädigungen auf Pappe mit erhöhten Rändern aufgezogen. Ursprünglich waren es offenbar 12 Blätter. Das erste derselben war in gerolltem Zustand der Abnützung am meisten ausgesetzt und ist infolge dessen zu Grunde gegangen. Das nunmehrige erste, von uns aber stets als II. gezählte Segment zeigt noch auf der linken Seite den vorstehenden leeren Rand, auf welchem das erste Segment angeklebt war. Doch fehlt das erste Blatt mindestens schon seit dem Jahr 1507, in welchem die sichere Geschichte dieser Pergamentrolle beginnt.

Wir behandeln im

  • 1. Abschnitt (A) die einzige erhaltene Kopie in Wien: „Die Peutingersche Tafel“ (ihre Geschichte, den Erhaltungszustand, Alter und Treue der Schrift, und die Ausgaben); im
  • 2. Abschnitt (B) das Original: das Werk des Castorius (Verfasser, Abfassungszeit, Quellen und Zweck); im
  • 3. Abschnitt (C) den Inhalt (Erklärung der Zeichen und Eigentümlichkeiten).
  • 1) Die Höhe der einzelnen Blätter variiert von 33,3 bis 35 cm; die Länge zeigt grössere Unterschiede und auch die Ränder sind keine geraden Linien. Die mittlere Länge der einzelnen Blätter ist ohne den unbeschriebenen Rand II. 57,05 — III. 61, i — IV. 66,2 — V. 60,85 — VI. 59,8 — VII. 58,95 — VIII. 64,0 — IX. 57,6 — X. 62,1 — XI. 67,35 — XII. 65,8. Das giebt zusammen 6,808 m. Welser giebt a. 1598 die Länge auf 22 Augsb. Fuss; Schöpflin a. 1751 auf 21 Pariser Fuss 10 Zoll = 6,77 m an; die Breite ist nach beiden 1 Fuss.

    A. Die erhaltene Kopie, genannt die Peutingersehe Tafel, in Wien.

    I. Ihre Geschichte.

    Im Sommer 1507 ist der Wiener Humanist Konrad Celtes, 1) Bibliothekar Maximilians I., in Augsburg zu Besuch bei dem dortigen Ratsschreiber Konrad Peutinger. Entweder bei dieser Gelegenheit, oder schon früher hinterlegt Celtes die in seinem Besitz befindliche Pergamentrolle bei Peutinger. In dem wenige Monate später abgefassten Testamente des am 4. Februar 1508 gestorbenen Celtes, welches im Archiv der Wiener Universität noch erhalten ist, 2) vermacht derselbe seine Bücher der Universität Wien; die bisher nicht gedruckten Werke sollen von guten Freunden revidiert, dann dem Konrad Peutinger nach Augsburg zur Besorgung der Drucklegung zugeschickt werden. „Ebenso vermache ich“ heisst es weiter, „demn Hr. Dr. Konrad Peutinger das Itinerarium Antonini, welcher dasselbe jetzt schon besitzt, will aber und bitte, dass dasselbe nach seinem Tode dem öffentlichen Gebrauch, beziehungsweise einer Bibliothek zugewendet werde“. Da Celtes gleich nachher von einem zweiten, dem wahren Itinerarium Antonini spricht, welches gleichfalls im Besitze Peutingers sei, so ist die Identität jenes Itinerariums und unserer Rolle umsoweniger zweifelhaft, als Peutinger selbst in dem Katalog seiner Bibliothek diese Rolle auch als „Itinerarium Antonini in Charta longa a Celte nobis testamento legata“ bezeichnet. Die nächste Frage ist nun:
    1) Konrad Celtes, ursprünglich Pickel, in griechischer Übersetzung Protucius, geboren i. Februar 1459 in Wüpfeld, Winter i486 bis Frühjahr 1487 in Italien, 1487 vom Kaiser selbst in Nürnberg als Dichter gekrönt, dann auf Reisen, 1492 Professor in Ingolstadt, 1493 Prinzenerzieher in Heidelberg, dann 1496 Ordinarius in Ingolstadt, 1497 nach Wien berufen, wo er bis zu seinem Tode angestellt blieb. Im Jahre 1500 liest er dort über die Geographie des Ptolemaeus, welche er durch Karten und Himmelskugeln veranschaulichte. Begraben liegt er bei St. Stephan in Wien, wo der Denkstein noch erhalten ist. 2) Veröffentlicht im Wiener Jahrb. f. Litt. 1829. Geschichte der P. T. — Celtes. 7 Wie und wo ist Celtes in den Besitz dieser Pergamentrolle gelangt? Die einzige Nachricht darüber giebt uns Beatus Rhenanus, welcher die Karte bei Peutinger gesehen hat und Näheres über ihre Herkunft wissen konnte, im Jahr 1531 in den lakonischen Worten, Celtes habe sie in einer Bibliothek gefunden (in bibliotheca quadam reperta). Celtes machte, zum Teil im Auftrag Kaiser Maximilians, Reisen in Deutschland und Italien, um die alten historischen Dokumente aufzusuchen. Auf einer solchen Reise, vermutete man, habe er die Pergamentrolle aufgefunden, ja man beschuldigte ihn sogar der Undankbarkeit und Untreue gegen seinen kaiserlichen Gönner. Doch fehlt hiefür jede feste Unterlage. Celtes war von einer unersättlichen Reiselust durchdrungen, welche ihn oft in Konflikt mit seiner Residenzpflicht als Lehrer brachte, und hat zahlreiche Bibliotheken in verschiedenen Ländern, in den letzten Jahren aber besonders in Franken und im südwestlichen Deutschland durchstöbert.

    Fünf Städte streiten sich um den ursprünglichen Besitz der Peutingerschen Tafel.

    1. Worms stützt seine Ansprüche auf einen Brief des Johannes Trithemius (Trittenheim), Abts von Spanheim, datiert vom 12. August 1507, 1) worin es heisst: „Du schreibst, eine Weltkarte (orbem terrae marisque et insularum), schön gemalt, sei in Worms verkäuflich; aber wer wird mir raten, 40 (Gold-) Gulden dafür auszugeben?“

    2. In Speyer soll die Bibliothek sein, welcher Celtes die Pergamentrolle entführt habe. Hermannus Nuenarius, 2) Propst in Köln, † 1530, welcher zu Lebzeiten des Celtes und des Peutinger blühte, sagt, er habe in dem „Itinerarium Theodosianum in Spirensi Bibliotheca“ und nachher in einem sehr alten Itinerarium, welches er bei Konrad Peutinger in Augsburg durchmustert habe, gesehen, dass Asciburgum zwischen Novesium und Vetera castra liege. Da das Itinerarium Antonini diesen Ort nicht hat, und da ein drittes Itinerarium nicht bekannt ist, so glaubte man beide Stellen auf unsere 1) Epist. Famill. 41. 2) Commentariolum de Gallia Belgica p. 15. 8 Geschichte der P. T. — Herkunftsort. Tabula beziehen zu müssen, wo der Name Ascisburgia in dieser Verbindung in der That vorkommt, und man nahm an, H. habe dasselbe Exemplar früher einmal in Speyer, später, ohne die Identität zu kennen, bei Peutinger gesehen. Doch die weiter aus jenem Itinerarium Theodosianum von Hermannus citierten Orte (nämlich der Mons Brisiacus und Calone) fehlen in der Tabula, sind dagegen im Itinerarium Antonini vorhanden; dadurch wird die ganze Beweisführung hinfällig. Noch unsicherer ist die Berufung auf eine Angabe von Felix Malleolus (Hämmerle oder Hemmerlin), 1) Propst in Solothurn und Cantor in Zürich, welcher zwischen 1444 und 1450 schreibt: Er habe das „Itinerarium Urbis Romae“ gesehen und durchgesehen, wo alle Berge, Provinzen, Städte, Flüsse, Völker mit ihren Namen, dazu die Distanzen in Leugen und Meilen besonders bezeichnet seien. Aber er sagt nicht, wo er dieses gesehen — man hat sogar aus dem Titel auf Rom schliessen wollen —, und nichts berechtigt zu der Annahme, dass es in Speyer gewesen sei, selbst wenn die Identität mit unserer Tabula über jeden Zweifel erhaben wäre. 2)

    3. Die meisten Verteidiger hat Colmar gefunden, darunter Mannert, W. Teuffel 3) und E. Desjardins. Der Dominikanermönch, welcher die Annalen von Colmar schrieb, sagt zum Jahr 1265: „Ich habe die mappa mundi auf 12 Pergamentblättern abgeschrieben“; ferner 1277: mappam mundi correxi circa margaretae. Es hat jedoch im 13. Jahrhundert viele mappae mundi gegeben, deren Form und Inhalt sehr verschieden war; 4) dazu kommt, dass die Schrift der Tabula viel älter ist, als der Colmarer Chronist.

    4. Der bayerische Lokalpatriotismus (Günthner, Westenrieder, Seefried) vertritt die Ansprüche von Tegernsee. Unter 1) Tractate de nobilitate p. 104, 6. — Vgl. Reber, Felix Hemmerlin 1846. 2) Aus dem »leucis et milliaribus« folgt die Identität nicht, wie Hotz folgert, denn dieser Unterschied ist auf der Tab. durchaus nicht so klar, dass Hemmerlin ihn sofort erfasst hätte; das würde auf das It. Ant. viel besser passen. 3) Litteraturgeschichte § 60. 5. 4) S. Jaffé in Monumenta Germaniae B. XVII. p. 187. n. 10. Daselbst wird auch nachgewiesen (p. 237, 15 und 238, 47), dass der Inhalt dieser mappa mundi ein ganz anderer gewesen ist. Vgl. Hotz p. 217. Geschichte der P. T. — Herkunftsort. 9 Abt Rupert (1155—1186) wurde der Benediktinermönch Werinher († 1197) in Tegernsee von einem Freunde gebeten, dass er ihm eine mappa mache. Dieses Wort (es heisst nicht einmal mappa mundi) ist aber so vieldeutig, dass es nichts beweist. Der zweite Grund, dass von Werinher geschriebene Bücher mit denselben Schriftzügen existieren, bedürfte wenigstens weiterer Bestätigung. Es wird ferner beigebracht, dass der Abt von Tegernsee nach des Celtes Tode von Peutinger zwei Bücher zurückverlangte, welche Celtes vom Kloster entlehnt habe und von welchen er wisse, dass Peutinger sie aufbewahre. Dieser antwortet, dass er dieselben dem Testament zufolge mit zwei andern Büchern an die Universität Wien geschickt habe. Es ist eine völlig unbegründete Verdächtigung, dass Celtes mit jenen zwei Büchern auch die Tabula Peutingers „entwendet“ habe.

    5. Es hat sich herausgestellt, dass der Mönch, welcher die Annales Colmarienses geschrieben hat, von 1256—1277 nicht in Colmar, sondern im Predigerkloster in Basel gelebt hat, und es müsste also Basel statt Colmar gesetzt werden. 1)

    Diesen Mutmassungen lassen sich aus noch früherer Zeit weitere beifügen, die sich zwar nicht auf das erhaltene Wiener Exemplar, aber auf dessen Urtext beziehen können. Im Testamente Karls des Grossen wird von Eginhard erzählt: In Karls Bibliothek seien drei silberne und ein goldener Tisch gestanden. Der dritte silberne, zugleich der am feinsten gearbeitete und wertvollste, enthielt in zarter und kleiner Ausführung die figürliche Darstellung des ganzen Erdkreises, aus den drei bekannten Erdteilen zusammengesetzt. Diese Karte wurde im Kriege Lothars gegen seine Brüder 842 in Stücke zerschlagen und den Soldaten verteilt. 2)

    Ratpert nennt uns bei Aufzählung der Bücher, welche der Abt Hartmot in St. Gallen (ums Jahr 870) hat herstellen lassen, auch eine mappa mundi („unam mappam mundi subtili opere patravit“). 3) Doch kommen wir über Hypothesen nicht hinaus.

    1) S. Jaffe in der Vorrede zu d. Ann. Colm. in Mon. Germ. 17. B. 2) Lelevel, Geogr. du moyen äge, I. p. 9. 3) Alamannicarum rerum I. p. VIII. 10 Geschichte der P. T. — Peutinger.

    Konrad Peutinger, dessen Namen die Karte gewöhnlich führt, 1) treffen wir im Anfang des 16. Jahrhunderts eifrig mit Altertumsstudien beschäftigt. 2) Noch in der Zeit des frischen Sammeleifers besuchte ihn Celtes im Sommer 1507 zu Augsburg; bei dieser Gelegenheit war es wohl, dass Celtes ihm die jüngst erst aufgefundene Karte zurückliess, offenbar in der Meinung, in Peutinger den richtigen Mann für die Veröffentlichung des wertvollen Fundes getroffen zu haben. Das bezeugen uns des Celtes eigene Worte in seinem Testamente. Wir zweifeln auch nicht, dass Peutinger ernstlich die Veröffentlichung der Karte beabsichtigte; denn im Jahre 1511 erwirkte er hiefür ein kaiserliches Privilegium impressorium, 3) und er hatte bereits zwei kleine Versuche gemacht, die Karte zu kopieren. Beide Proben, welche Bruchstücke des ersten erhaltenen Segmentes wiedergeben, sind uns erhalten und von Welser anno 1591 publiziert worden. Sie sind allzu frei gehalten, und es ist kaum zu bedauern, dass sie nicht zur Ausführung gelangt sind. Lotter-Veith erzählt in der Lebensbeschreibung Peutingers, der französische Gesandte, welcher an Kaiser Maximilian 1) Peutinger ist geboren in Augsburg am 14. Oktober 1465. Sein gleichnamiger Vorfahre hatte a. 1288 das Augsburger Bürgerrecht erhalten. Er studierte die Rechtswissenschaft in Padua, Rom und Florenz; nach langer Abwesenheit mit den akademischen Graden in seine Vaterstadt zurückgekehrt, erhielt er das Amt eines Ratsschreibers. Er war vermählt mit der gelehrten Margareta geb. Welser aus Memmingen, welche die lateinische Sprache vortrefflich verstand und ihn um 5 Jahre überlebte. Die Ehe war mit 10 Kindern gesegnet, welche zum Teil frühzeitig eine Rolle spielten; a. 1504 trägt sein 4jähriges Mädchen Juliana eine lateinische Anrede an den Kaiser Max vor; a. 1517 flicht eine andere Tochter den Lorbeerkranz zur Dichterkrönung Ulrichs v. Hutten. Wiederholt wurde P. als städtischer und als kaiserlicher Abgesandter mit den wichtigsten Aufträgen betraut. Im J. 1538 wurde er vom Kaiser unter die Patrizier der Stadt Augsburg eingetragen. Er starb 82 Jahre alt am 24. Dez. 1547, wie ein Zeitgenosse sagt, so abgenützt und geschwächt, dass er eigentlich längst aufgehört hatte zu leben. 2) 1505 erschien sein antiquarisches Hauptwerk »Romanae vetustatis fragmenta in Augusta Vendelicorum et ejus dioecesi«, auf 7 Foll. 22 Inschriften enthaltend, anno 1520 in zweiter Auflage erschienen unter dem neuen Titel »Inscriptiones vetustae Romanae etc.« und später wiederholt aufgelegt. 1506 gab er in Strassburg seine Sermones convivales heraus. Anno 1515 folgte die Ausgabe von Jornandes und Paulus Diaconus. 3) Abgedruckt in Lotter, Gesch. Peutingers, Leipz. 1729. Geschichte der P. T. — Peutinger. 11 geschickt war, habe Peutinger 70 Kronen geboten, wenn er ihm die Tafel abtreten wollte; dieser aber habe es um keinen Preis gethan.

    Je mehr aber Peutinger in das öffentliche Leben verwickelt und je glänzender seine gesellschaftlichen Beziehungen wurden, um so mehr wurde die strenge Wissenschaft in den Hintergrund gedrängt. Wohl sammelte er in Augsburg die gelehrten Männer, deren bedeutendster Johannes Baumgartner war, zu einer kleinen Gesellschaft, deren Mittelpunkt er blieb; wohl zeigte er gerne seinen Freunden und Besuchern die merkwürdige Tabula, wie ein Beatus Rhenanus, Franc. Irenicus, 1) Gerardus von Nymwegen es uns bezeugen. Er fuhr fort, Altertümer, Inschriften, Statuen zu sammeln, aber er verwendete sie zur Zierde seines Gartens, und so sind sie meist verloren gegangen. Die Tabula hat er nie herausgegeben. Ausser den genannten zwei fragmentarischen Kopien zeugen nur zwei Worte auf der Tabula selbst, dass Peutinger sich für dieselbe interessierte. Er hat nämlich unter Regino und Juvavo die deutschen Namen Regensburg und Salzburg eingeschrieben. Seinen Erben war an allem mehr gelegen, als an der Tabula, die den Peutingerschen Namen unsterblich gemacht hat; denn die Karte ist von da an 40 Jahre lang verschollen, bis ein Anverwandter der Familie, Marcus Welser, 2) im Jahre 1587 die zwei schon genannten fragmentarischen Kopien (Schedae) auffand und 1591 publizierte.

    1) Jrenicus, Exegesis historiae Germaniae, fol., Hageowae 1518. 1. IX. c.7. ist der erste, welcher von dem Itinerarium Augustanum spricht und es unterscheidet von dem Itin. Antonini. 2) M. Welser, der reichen Handelsfamilie angehörend, welche ihre Comptoire auch in Antwerpen hatte, geb. 20. Juni 1558, studierte in Rom, 1592 Ratsherr, 1600 Bürgermeister in Augsburg, ein gewiegter Kenner des Altertums, Polyhistor, bearbeitete hauptsächlich die Geschichte Bayerns, namentlich seiner Vaterstadt Augsburg. W. stand im Briefwechsel mit Galilei, welcher ihm zuerst seine Entdeckungen mitteilte; mit Just. Lipsius in Löwen wegen der Tabula, von 1591 bis 1605; mit dem Botaniker Clusius (Charles de l'Ecluse) von 1598 an; mit dem Jesuiten Andreas Schott, dessen Werke er publizieren liess; mit Joh. Gruterus (Jean de Gruuterc) von Antwerpen, dessen epigraphische Arbeiten in der Verbannung zu Heidelberg er unterstüzte; mit Abraham Ortelius, dessen Vorfahren auch Augsburger Bürger waren; mit Jos. Scaliger u. s. w., † 13. Juni 1614. Seine Werke gab Arnold heraus, Nürnberg, fol., 1682. 12 Geschichte der P. T. — Welser, Prinz Eugen.

    Welser wurde von den hervorragendsten Gelehrten seiner Zeit (Kardinal Baronius, Merula, Lindenbrog, Pancirole, Pignorius) mit Lobsprüchen und Komplimenten überhäuft und strengte neue Nachforschungen nach dem Original an. Sieben Jahre später, von Auffindung der Schedae an gerechnet, somit 1594/5, 1) wurde auch das Original wiedergefunden. Welser liess in Augsburg durch einen dortigen Künstler, Johannes Moller, sofort eine Kopie herstellen und übersandte dieselbe dem berühmtesten Geographen seiner Zeit, Ortelius in Antwerpen, wo am Ende des Jahres 1598 die erste vollständige Ausgabe herauskam. Alle folgenden Ausgaben bis zu dem Facsimile von Scheyb anno 1753 sind teils Abdrücke, teils Kopien jener ersten Ausgabe. Das Original blieb unbeachtet, ja man glaubte dasselbe verloren, bis im Jahre 1714 Wolfgang Jakob Sulzer filius, ein angesehener Augsburger Ratsherr, die staubbedeckte Rolle aus den Gewölben der Peutingerschen Bibliothek aufs neue an das Tageslicht brachte. Dieser veranlasste den Buchhändler Paul Küz (Kuzius), den Schatz von dem Eigentümer, Ignaz Desiderius Peutinger, Stiftsdekan in Ellwangen, dem vierten Nachkommen Konrads, 2) zu erwerben, was um „annehmbaren“ Preis gelang. Auch Küz überlebte seinen Kauf nur kurze Zeit. Da seinen Erben daran gelegen war, das Werk so teuer als möglich zu verkaufen, so boten sie dasselbe öffentlich zum Verkauf aus. 3) Es fehlte nicht an Liebhabern, unter denen der Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, der Senat von Leipzig, der Nürnberger Rat H. W. Ebner von Eschenbach, der Altdorfer Professor Schwarz genannt werden; der Kardinal Passioneus, apostolischer Vikar in der Schweiz, machte, aber wie es scheint zu spät, anno 1723 extra die Reise nach Augsburg um der Karte willen. Schon 1717 hatte Prinz Eugen von Savoyen durch seinen Bibliothekar Boyer, welchem in Wien das Angebot gemacht worden war, von der Sache gehört. In einem „au camp de Semlin 20. 1) Nicht 1598 wie Ruelens angiebt. 2) Derselbe vermachte schon im folgenden Jahre 1715, sein nahendes Ende fühlend, die Peutingersche Bibliothek dem Jesuitenkollegium in Augsburg. 3) S. Leipziger wöchentliche Post-Zeitung von gelehrten Neuigkeiten v. J. 1715, Nr. 29. p. 116. Geschichte der P. T. — Prinz Eugen, Wien. 13 September 1717“ datierten, in der Hofbibliothek in Wien noch erhaltenen Schreiben dankt Prinz Eugen dem Antiquar Heraeus für die Mitteilung, dass in Augsburg das Original der „tabulae Peutingerianae de Theodose“ verkäuflich sei. Er werde suchen, jemand zu finden, der sie an Ort und Stelle prüfe und darnach die Bestimmung des Preises treffen. Wie es scheint im Jahre 1720 ging die Karte um den Preis von 100 Dukaten in seinen Besitz über. Sicher „konnte jene Karte, welche eine neu wie Amerika entdeckte Welt enthielt, keinen würdigeren Besitzer und Bewahrer finden“, sagt Kardinal Passioneus in der Leichenrede auf den Prinzen Eugen am 10. Juli 1737. Der ausgezeichnete Feldherr war als ein ebenso grossmütiger Beförderer der Künste und Wissenschaften berühmt und besass eine überaus kostbare und zierliche Bücher- und Kupferstichsammlung. Alles Ausgezeichnete aller Länder, in rotem und blauem Saffian mit Goldschnitt gebunden, war hier vorhanden. Die Bibliothek zählte 15 000 Druckwerke, 237 der seltensten und kostbarsten meist in Paris erkauften Codices, und die Kupferstichsammlung 290 Grossfoliobände. Die beiden wertvollsten Werke aber waren die tabula Peutingeriana und der Atlas von J. Bleau in 46 Bänden, welcher ihn selbst 30 000 Thaler gekostet haben soll. Was er sammelte, kannte und benützte er auch. Nach seinem plötzlichen Tode 1737 erkaufte der Kaiser die ganze Sammlung von dessen Erbin Victoria von Savoyen gegen eine ihr lebenslang zu zahlende Rente von 10 000 Gulden, und die Wiener Hofbibliothek erlangte 1738 die grösste und wertvollste Bereicherung, welche ihr jemals geworden ist. Schon im Jahre 1741 liess der Custos derselben, Nicolaus de Forlosia, um der immer weiter um sich greifenden Zerbröckelung des Pergamentes Einhalt zu thun, die Tabula auf Leinwand spannen und an einen Cylinder befestigen, um welchen sie bequem auf- und zugerollt und wie er meinte ohne Schaden dem Gebrauch freigegeben werden konnte. So hat Schöpflin sie oft gesehen und ein Stück unter Obhut des Bibliothekars Gerhard van Swieten stechen lassen. Mosel (Gesch. der Hofbibl. 1835) sagt, da die Tabula durch das Aufrollen jedesmal Schaden leide, so werde sie nur besonders rücksichtswerten Besuchern vorgezeigt. Maury (1862) beschreibt sie noch als Rolle in 14 Erhaltungszustand d. T. P. einem eigenen Saale unter Glas. 1863 wurden die 11 Segmente getrennt und einzeln auf Passepartout aufgezogen.

    2. Gegenwärtiger Erhaltungs-Zustand der Tabula.

    Die Vergleichung mit den zwei Peutingerschen Kopien zeigt uns nur soviel sicher, dass schon damals das I. Segment fehlte. Eine zuverlässige Vergleichung des Zustandes der Tabula ist durchführbar für die Jahre 1598 (1. Ausg.), 1753 (Facsimile von Scheyb) und die Gegenwart. Wir finden, dass seit Scheyb an den Rändern viele Stücke abgebröckelt und dass auch im Innern einzelne Risse neu entstanden oder erweitert worden sind. Doch ist der wirkliche Schaden unbedeutend und es sind nur wenige einzelne Buchstaben verletzt worden; der Schaden ist sogar geringer, als man nach der Ausgabe von Desjardins (1869) schliessen könnte. Dagegen zeigen sich bedeutende Unterschiede gegenüber dem Jahr 1598. Es ist eine ziemlich bedeutende Zahl von Namen, welche zur Zeit der Welserschen Aufnahme noch leserlich waren, dagegen in allen neueren Ausgaben (auch Desjardins) fehlen. Weitaus die meisten verschwundenen oder unleserlich gewordenen Namen sind Namen von Meeren, Seen und Inseln. Die Schuld liegt an der grünen (Kupfer-) Farbe, welche überall, wo die Luft längere Zeit einwirken konnte, in Schwarz übergegangen ist und einerseits das Pergament derart zerstört hat, dass es abbröckelt, anderseits die schwarze Schrift aufgezehrt hat. Letztere liesse sich ohne Zweifel auf chemischem Wege wieder herstellen. Es ist deshalb das 1. (II.) Segment weitaus am meisten beschädigt, weil es am meisten dem Luftzutritt ausgesetzt war; dann das 8. (IX.) Segment, welches viel Grün hat. Einzelne Stellen, besonders der aquitanische Meerbusen und die griechischen Inseln (IX 1) sind schwarz, wie angebrannt. 1) Wo dagegen die Ränder übereinander geklebt waren, ist die grüne Farbe noch am lebhaftesten. Aber auch von den für verschwunden geltenden Namen ist vieles 1) Von Brandflecken kann aber ebensowenig die Rede sein, als von Würmern, welche nach Desj. »glücklicherweise nur auf leeren Plätzen, und ganz besonders auf der gummierten Oberfläche der Gewässer ihre Gänge gezogen haben«. Alter der Schrift. 15 einem für exakte Beobachtung eingeübten Auge noch erkennbar, wo Scheyb, Mannert und auch Desjardins nichts gesehen haben, z. B. Insula Antiochia (IX, 1), Sinus Carmanius (XII, 1) und vieles Ähnliche. In anderen Fällen reichen die erhaltenen Spuren gerade noch hin, um die Welsersche Lesart von 1598 teils zu bestätigen, teils für möglich zu erklären. Genauere Angaben hierüber müssen für den Commentar vorbehalten bleiben. Die schwarze und die rote Schrift zeigen in der Erhaltung den grossen Unterschied, dass die erstere vom Pergament angenommen wurde und deshalb wohl verblassen konnte, aber doch noch erkennbare Spuren hinterliess; dass dagegen die rote Tinte nur äusserlich aufgelegt erscheint und, wo sie abbröckelte, keine Spur oder nur unzusammenhängende Atome hinterlassen hat. 1)

    3. Der Charakter und das Alter der Schrift.

    Im 16. Jahrhundert wurde von einzelnen (z. B. Moret) noch die ganze Tabula für ein mittelalterliches Fabrikat angesehen und auch später noch (Heurenbach) taucht diese Ansicht vereinzelt wieder auf. Wirkliche Kenner teilten freilich diese Ansicht niemals; aber einzelne fielen in den entgegengesetzten Irrtum, die Karte selbst für ganz alt zu halten (Beatus Rhenanus), und noch Scheyb glaubte die Originalschrift aus der Zeit des Theodosius vorliegend zu haben. Es steht nun längst fest, dass die vorliegende Tabula eine mittelalterliche Abschrift eines aus der römischen Kaiserzeit stammenden Originals ist. Dagegen ist man über die Zeit und den Wert der Abschrift keineswegs einig. Gewöhnlich wird die Schrift nach dem Vorgang von C. Mannert (1793 und 1824) in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts verlegt. Desjardins hat die Colmarer Hypothese und damit die Ansicht von Mannert zu der seinigen gemacht. Nach der von uns gewonnenen Ansicht ist die Schrift um vieles, wahrscheinlich um 200 Jahre älter, keinenfalls aber später als im 12. Jahrhundert anzusetzen. Unsere Gründe sind folgende:

    1) Die letztere Erscheinung hat Desjardins auf die irrige Meinung gebracht, es sei hier radiert worden [z. B. fl. Arnv. (IV 2.), fl. Sauvs (V 1.)], und sofort wurde eine kühne Hypothese aufgebaut über den Grund dieses Radierens. 16 Alter der Schrift.

    1. Der allgemeine Charakter der Schrift weist auf eine frühe Zeit hin; die Schrift ist eine sehr sorgfältige, präzise und bestimmte und zeigt eine gewisse Eleganz und Schönheit, welche in späteren Zeiten selten ist. Wenn man die mehr als 1000 Varianten der verschiedenen Ausgaben vergleicht, bei welchen auf je das fünfte oder sechste Wort eine abweichende Lesart kommt, würde man allerdings zu einem anderen Resultate kommen. Aber fast alle diese Varianten fallen den Herausgebern zur Last und nicht der Unsicherheit der Schrift. In Wirklichkeit bleiben in der ganzen Tabula kaum 20 Worte, von welchen ein Buchstabe so undeutlich geschrieben ist, dass verschiedene Lesarten berechtigt sind. Wir sehen dabei allerdings von denjenigen, auch nicht zahlreichen Fällen ab, wo eine Verletzung oder ein Riss einen Teil des Buchstabens weggenommen hat.

    2. Die Uncial- und Minuskelschrift sind promiscue gebraucht, z. B. H und h (ersteres häufiger), R und r, M und m, das H ähnliche N und n, G und g. Mitten in kleingeschriebenen Wörtern sind diese Uncialen sehr häufig, was auf das 11. und 12. Jahrhundert hinweist und im 13. nur noch vereinzelt vorkommt. Anderseits sieht man aber auch aus dem Vorkommen der Minuskel m und n, sowie aus dem unterschiedslosen Gebrauch von v und u und dem Vorkommen des W, dass man nicht über das 11. Jahrhundert hinaufgehen darf.

    3. Als besonders charakteristisch für das 11. und 12. Jahrhundert gelten die Formen von Z, welche leicht mit h verwechselt werden; von y mit und ohne Punkt; von x; von t (in unserer Ausgabe nach Scheyb meist t geschrieben, weil τ bei der kleinen Schrift oft zu Verwechslungen führt), nur einmal verkehrt in -nt in der alten Form am Ende (was nach dem Jahr 1000 selten sein soll); cc für a nur einmal in Abkürzung. Für s herrscht die lange Form, seltener ist s, öfters aber überschrieben ... s; gross S und ſ sind promiscue gebraucht; ferner die Form von n als geschwänztes H neben N und n; für F und f: f ohne Unterschied zwischen gross und klein und unten ohne Ausbiegung nach vorne; selten F und zweimal die alte, dem P ähnliche Form, welche in Flanaticus (V 1) und Falacrinus (V 4) von allen Herausgebern Alter der Schrift. 17 und vielleicht auch schon vom Abschreiber P gelesen worden ist;

    die Häufigkeit des geschwänzten e statt ae, doch fehlt auch oft der Strich nach unten, wo er zu erwarten wäre, weshalb das Verständnis dieser Abkürzung seitens des Abschreibers mitunter bezweifelt werden kann;

    die Seltenheit des i-Strichs, welcher nur zur Unterscheidung íuí und ähnl., ferner am Ende bei íí, sonst aber nie gebraucht wird und selbst in den genannten Fällen teilweise so blass ist, dass er vom Korrektor eingesetzt sein kann;

    Unter die Zeile verlängert ist i nur am Ende bei ii und der Zahl 2. Bei iu, in, ni, mi, ui fehlt der Punkt oder Strich immer, weshalb auch bei diesen Buchstaben die meisten falschen Lesarten sich finden, stets durch die Schuld der Lesenden, da die Schrift hierin sehr präzis ist.

    Beachtenswert ist noch v (nie u) für die Zahl 5, und dass in den Ziffern je 2 Einer unten mit einander verbunden werden.

    4. Die geringe Zahl der Abkürzungen (s. Zusammenstellung derselben in Abschnitt C).

    5. Das Fehlen der Bindestriche zwischen gebrochenen Wörtern. Nur selten kommt ein vertikaler Strich vor, z. B. de|crescunt (VII 4), Ptoloma|ide (X 2), und in einzelnen Fällen ein Punkt als Trennungszeichen. Eine regelmässige Worttrennung ist nicht vorhanden; oft werden Worte unrichtig verbunden oder zerrissen. Nach alter Manier steht nach jedem Wort ein Punkt und ist mitunter für die Lesung von Wichtigkeit; so steht z. B. neben Cesaria (X 1) die Zahl IIII., deren Zugehörigkeit zweifelhaft wäre, wenn nicht darunter bei der Zahl XXXI der Punkt fehlen würde. Die Präpositionen, besonders ad, sind meist mit ihrem Nomen verbunden und letzteres klein geschrieben.

    Die Schrift trägt durchaus einheitlichen Charakter, ist von Anfang bis zu Ende von einer und derselben Hand geschrieben und gemalt, mit Ausnahme von zweierlei minutiösen Zusätzen:

    A. Von der Hand eines Korrektors rühren folgende Korrekturen her, zu welchen sich möglicherweise noch eine oder die andere mir entgangene hinzugesellen mag. Diese Korrekturen Miller, Weltkarte des Castorius. 2 18 Beisätze des Korrektors — Schreibfehler. sind wohl charakterisiert a) durch die blassere Tinte, bezw. das dunklere Rot; b) durch die geringere Grösse der Buchstaben; c) öfters durch andere Form derselben, z. B. a statt a. Es ist

    1. in Nitiobroges (II 4/5) ges später eingesetzt;
    2. bei fl. Riger (II 5) L über R korrigiert;
    3. in Bituliges (III 1) R in L braunrot korrigiert;
    4. bei Etrura (V 1, 2) zwischen R und A ein kleines i ergänzt;
    5. in Spoletio (V 3) das p übergesetzt;
    6. in Laconice (VIII 5—VIII 1) c von einer andern Hand und mit anderer Tinte eingesetzt;
    7. auf dem Gebirg über Alexandria-troas (IX 2) ida hineinkorrigiert;
    8. in Lacus Tiberis (X 2) ist über is ein gewöhnliches a übergesetzt;
    9. bei Patras (X 2) ist zwischen t und r ein a mit derselben blassen Schrift übergesetzt;
    10. rechts von Antiochia Pisidia (X 2) scheint ein ganzes Wort eingesetzt, ist jedoch so verblasst, dass nicht mehr leserlich;
    11. die Strasse von Thelser nach Albania (XI 5) ist mit dunklerem Rot später eingetragen und verblasst.

    B. Von Peutingers Hand in altdeutscher Schrift stehen unter Regino und Jvavo (IV 4) die Worte Regensburg und Salzburg.

    4. Die Treue der Abschrift.

    Der Wert der Tabula ist wesentlich bedingt von der Treue der Abschrift. Wir haben zu unterscheiden zwischen absichtlichen und unabsichtlichen Änderungen, Interpolationen oder Fälschungen einerseits, und Abschreibfehlern andererseits.

    a. Abschreibfehler.

    Dass Schreibfehler vorliegen, unterliegt keinem Zweifel. Wenn wir an dem Facsimile von Scheyb, bei welchem es an Fleiss gewiss nicht gefehlt hat, gegen 800 Korrekturen anzubringen hatten und auch der anspruchsvollen französischen Ausgabe noch ca. 70 zum Teil nicht unbedeutende falsche Schreibfehler. 19 Lesarten nachweisbar sind, so kann bestimmt gesagt werden, dass auch dem fleissigsten Abschreiber zahlreiche Schreibfehler werden begegnet sein. Der Grund liegt in den eigentümlichen Schwierigkeiten der Wiedergabe dieser Karte. Es kann sich somit nur um relative Treue handeln, beziehungsweise ob die Arbeit eine fleissige ist oder nicht. Die sorgfältige Handschrift spricht wohl zu Gunsten des Abschreibers. Die Beurteilung der Frage selbst ist aus dem Grund so schwierig, weil selbst bei nachweisbar vorliegenden Fehlern und Mängeln doch unentschieden bleibt, ob dieselben dem Abschreiber oder dem Verfasser oder früheren Abschreibern zur Last fallen.

    Zunächst müssen wir den Abschreiber und den Verfasser gegen ein grosses Unrecht in Schutz nehmen. Es ist vielfach üblich geworden, jede sich ergebende Differenz gegenüber der herkömmlichen und im Altertum üblichen Schreibweise der Namen als Schreibfehler zu bezeichnen. Am ausgedehntesten geschieht dies von Forbiger in seinem Handbuch der „Alten Geographie“, wo sich immer und immer wieder die Bemerkung findet: in der T.P. offenbar verschrieben so und so. Man übersieht hiebei vollständig die Transmutation, welcher die Ortsnamen im Lauf der Jahrhunderte unterlegen sind. Dem Sprachforscher entgeht um dieser Vorurteile willen das wertvollste Material, welches sich ergeben würde, sobald man die Schreibweise der Ortsnamen nach ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge ordnete.

    Die Zahl der wirklichen Schreibfehler ist keine gar grosse; aber es giebt allerdings drastische Beispiele solcher, bei deren Beurteilung man freilich die Eigentümlichkeiten der Schrift, den unterschiedslosen Gebrauch von Uncialen und Minuskeln, das Fehlen der Interpunktions- und Trennungszeichen bezw. die Ansetzung eines Punktes für dieselben und die Setzung eines Punktes nach jedem Wort beachten muss. Am häufigsten kommt falsche Absetzung vor: Pontes. caldis (II 3) statt Ponte Scaldis; Baca conervio (II 4) statt Bacaco Nervio; Divo. Durimedio. Matricorum (III 1) statt Divoduro Mediomatricorum; Tea. Nomarruci (VI 1) statt Teano Marruci (-norum); Drusepro. Solympum (IX 3) statt Druse pros Olympum; Prusad olympum (IX 3) statt Prus' ad Olympum; Persepoliscon. 20 Schreibfehler. Mercium Persarum (XII 2) statt Persepolis conmercium Persarum; Otios. cythae, Sagaes. cythae und Abios. cythae (XII 1, 2, 3) statt und neben den richtigen Absetzungen Otio Scythae. Sagae Scythae und Abio Scythae. Dagegen ist die Lesart Ad Ertona (III 5) falsch, die Tabula hat richtig A Dertona. Viatrium. falis (V 3), ist natürlich Via triumfalis, Autessio. duro (II 4) ist als ein Wort zu lesen, und es ist komisch, wenn nicht nur Scheyb, sondern auch der gerühmte Kritiker Mannert in dem Index zur Tabula die Städte: Autessio, Duro, Falis, Viatrium, Nomarruci, Durimedio, Solympum u. s. w. aufführen, und man wird angesichts dieser Leistungen wohl auch den Abschreiber milde beurteilen. Von Schreibfehlern, welche auch dem Korrektor entgangen zu sein scheinen, seien genannt: Auenticum Heletiorum (III 2), Theleote (IV 5) statt -ste, Dlera (V 1) statt Blera, Trhacia (VIII 2/5), Damaspo (X 3), Phinipopolis (VIII 1), Frigdarium (X 3/4), Flvmei Persi (XI 5) statt Elymaei; wahrscheinlich soll es statt Blaboriciaco (IV 5) Lauriaco, statt Port. Calouitanus (VI 3) Salonitanus, und statt Diospoli Qvetibe (IX 2) Diospoli quae Tibe (Thebae) heissen. Von den angeblichen Schreibfehlern fallen viele nur den Herausgebern zu: es heisst nicht Steifi, sondern Sitifi (II 3), nicht Varuno, wie man allerdings lesen kann, sondern Viruno (V 2), und es ist nur die Schreibfeder an einer Unebenheit des Pergaments unten etwas ausgegleitet; es heisst nicht Thinforo sondern Thisdro (VI 3), nicht Ragurio sondern Tragurio (VI 2/3), an welchem allerdings das T vom Grünspan zerfressen ist, nicht Sena Lulia, sondern Sena Julia (IV 3), nicht Oappadocia, sondern Cappadocia (X 1/5), nicht Scunis sondern Scupis (VII 4), wobei das p unten verletzt ist.

    An zweiter Stelle kommt eine Anzahl fehlender Namen und Zahlen, wo die zugehörigen Figuren oder der Platz vorhanden sind. Wir haben diese vom Schreiber oder Verfasser vergessenen Namen von Hauptorten, deren Figuren vorhanden sind, in unserer Ausgabe unter der eigentlichen Tabula in aufrechter Schrift beigesetzt. Es sind Aquae Convenarum (II 1), Lugdunum (II 1) in Gallien, Diana (IV 4) in Afrika, Flanona (V 1) in Istrien, Narnia (V 4), Appii Forum (VI 2), Caieta (VI 2), Baiae (VI 3), Canusium (VI 4) in Italien, Cibale (VI 3) Schreibfehler. 21 in Pannonien, Thenae (VI 4) in Afrika, Catana (VII 2) in Sicilien, Claudiopolis (IX 3), Ancyra (IX 4), Sardes (IX 4), Colonia Arcilais (X 1) in Kleinasien, Daphne (X 4), Germanicia? (XI 2) und Europus (XI 2) in Syrien, Amida (XI 3) in Mesopotamien, Cyropolis? (XII 1) in Armenien und Cattigara? (XII 5) in Indien oder China. Dazu kommen noch die beiden grossen Seehäfen Colonia maritima (II 5) und Portus Augusti (V 5), ferner Columna regia? (VII 2) in Unteritalien. Offenbar hat der Schreiber in diesen Fällen ob der Zeichnung der Vignette die Schreibung des Namens vergessen. Bei Alexandria (IX 3) und Tarso Cilicie (X 4) hat er die Zeichnung der Vignette verschoben, bis die Routen geschrieben und gezeichnet waren, und dann vergessen; der Platz für dieselbe ist beidemal vorhanden, im ersteren Fall fehlt aber auch der Name. Das Gleiche wiederholt sich bei den Namen einzelner Stationen; öfters sind Haken vorhanden, aber der Name fehlt, oder der Name ist vorhanden und die Zahl fehlt. Eine oder mehrere Stationen fehlen zwischen Aquileia und Viruno (IV 5 —V 1/2); zwischen Ferrentinum und Febrateria (VI 2) fehlen zwei ebenfalls mit F anfangende Kolonien Frusino und Fregellano; zwischen Flexum und Teano (VI 3) fehlt Venafrum; zwischen Menturnis und Teano (VI 3) fehlt Suessa Arunca samt Entfernungen, der Haken aber ist vorhanden; von Palmyra nach Eraciza (X 1/2) fehlt wahrscheinlich Thapsacus, die Zahlen sind vorhanden. Von dem grossen rotgeschriebenen Provinznamen Numidia fehlt auf Segment III Numi, und steht nur dia auf Segment IV.

    Das Fehlen der Zahlen kommt namentlich dann öfters vor, wenn die gleiche Zahl zweimal nacheinander folgt und der Abschreiber glaubte sie schon geschrieben zu haben. In ähnlicher Weise erklärt sich die Wiederholung einer Station und Entfernungszahl: Geminas 14, Geminas 14 (III 2); 16 Alarante, 16 Alarante (III 1/2); Naharra 24, Naharre 24 (XI 4); dass die Verdoppelung der Namen hier falsch ist, ergiebt sich im ersteren Falle aus Rav., im zweiten aus vier Itinerarien.

    In Persien (XI 4/5) ist eine ganze Route (4 Namen und 5 Zahlen) falsch wiederholt worden, und es fehlt infolge dieses Versehens eine andere parallele Route. Bei dieser Gelegenheit 22 Schreibfehler. fällt auf den oder die Abschreiber ein ungünstiges Licht, denn es steht links Sorue, rechts Sorvae — was für den Abschreiber allerdings keinen Unterschied ausmacht; rechts lässt er die Zahl 24 aus, wie es bei Wiederholungen einer Zahl öfters vorkommt.

    In der Schreibweise kommt es dem Abschreiber nicht darauf an, ob er für ae: e, ae oder das geschwänzte e setzt; in dem Original war aber wohl letzteres (= ae) von e unterschieden; ferner ist ihm v und u ganz gleichgiltig. Ebenso kommt ihm auf grosse oder kleine Anfangsbuchstaben sehr wenig an; bei F, p, f liegt oft der ganze Unterschied darin, dass der Strich etwas dicker ist.

    Bei Wiederholungen treffen wir öfters verschiedene Schreibweisen, z. B. Tigubis und A Tigubbi (XI 3), Fons Scabore und Ad fontem Scoborem (XI 4), Abamea und Apamea (X 1). Doch müssen wir hier das Wort des Rav. (V c. 1) beachten, dass er die Namen verschieden schreibe, während doch dieselben Orte gemeint seien, weil die Menschen sie verschieden aussprechen nach Landessitte und Sprachverschiedenheit.

    Versetzungen einzelner Worte kommen einigemal vor, z. B.: „VIIII. Ad Renum“ (III/IV) steht nach statt vor „X. Brigantio“; ferner „XX. Vicinium“ (VII 1) ist nach „XV. Batua“ einzusetzen (wie Guido es thut). Man sieht hier, wie in der Regel Zahl und Namen zusammengehören, bezw. zusammengeschrieben worden sind.

    Falsche Verbindungen sind besonders dadurch entstanden, dass der rote Strich, welcher an einer zweitürmigen Kolonie vorbeiführen sollte, zu hoch oder zu tief geführt und dadurch jene Kolonie in eine falsche Route hereingezogen und zum Kreuzungspunkt gemacht wurde. Dies ist geschehen bei Pinna (VI 1), welches falscherweise in die Meeresroute gezogen wurde; bei Aecas und Herculis Rani (VI 3/4); bei Tazora (XII 3). Falsch gezogen ist der rote Strich von Rudas (VI 4) nach links, statt an Canusio anzuschliessen. Diese Art von Fehlern fällt jedenfalls nicht dem Autor, sondern der Abschrift zu; doch wissen wir nicht, die wievielte Abschrift vorliegt und wie anfangs unmerkliche Fehler gross geworden sind. Auch die älteren Ausgaben, insbesondere Scheyb - Mannert, Interpolationen. 23 haben solche falsche Verbindungen und damit fast unlösbare Schwierigkeiten geschaffen, z. B. bei Grumento (VII 1), welches von der südlichen Strasse nach Tarent nicht berührt wird; bei Sabatra (X 1); in Ägypten von Babilonia nach Pelusio und nach Ad Dianam (IX 4).

    Zu den auffallendsten Schreibfehlern gehört die falsche Zeichnung und Verbindung des Save-Flusses mit dem Drinus und die Ableitung des ersteren in das adriatische Meer, wahrscheinlich infolge der verblassten Farbe des Originals. Ähnlich ist wohl die Verbindung von Ganges und Tigris (XII 1) entstanden.

    In der Umgebung von Konstantinopel (IX 1) sieht die Karte verdorben aus; zwischen Perintus und Melentiana scheint eine Lücke zu sein; aber gerade diese Gegend hat der Rav. ganz getreu nach der Tabula wiedergegeben, und wir sehen daraus, dass dieselben Lücken schon im 7. Jahrhundert bestanden haben und somit dem Abschreiber nicht zur Last fallen. Noch in vielen anderen Fällen lässt sich die Treue der Abschrift aus dem Rav. erweisen; so fehlten die Namen Ancyra und Diana (s. o.) schon in dem Exemplar, welches dem Ravennas vorlag.

    b. Interpolationen.

    Je getreuer die Abschrift ist, um so weniger dürfen wir absichtliche oder willkürliche Änderungen voraussetzen. Im vorliegenden Fall fehlt jeder subjektive Grund. Durch Vornahme von Änderungen beraubt der Verfasser seine mühsame Arbeit allen Wertes. Die Gefahr, der Fälschung überwiesen zu werden, war unvermeidlich. Einschiebungen zu machen, welche mit dem Geist und Stil des ganzen Werkes übereinstimmen, wäre für einen Abschreiber des 11. Jahrhunderts ein fast unmögliches Kunstwerk gewesen. 1) Man versuche einmal 1) Mit Recht fragt Mann. T.P. p. 22 und 24: Putasne hanc ... rationem hominem medii aevi excogitare sibi potuisse? ... nec nos, multo majore antiquitatis suffulti peritia, valeremus componere ... — Philippi d. tab.Peut. p. 22 sagt: Difficillimum factu erat nominibus tabulae novum nomen — interponere. — Forbiger 1. c. p. 472 bemerkt: Dass der Kopist selbst etwas Wesentliches hinzugefügt habe, ist durchaus unwahrscheinlich. Trotzdem halten alle drei genannten Forscher an den Interpolationen durch den Mönch fest; gleichzeitig sind sie einig betreffs der Unwissenheit des fraglichen Mönchs. Labor parum eruditi monachi, sagt Mann. p. 23; »il fût d'une extreme ignorance en Geographie« — wiederholt sogar Desjardins p. II, welcher ihn aber wenigstens von absichtlichen Zusätzen bis auf die Vogesen- und Schwarzwaldbäume freispricht. Wie stimmen solche Urteile zu obigem »nec nos« von Mannert? Auch der Gescheideste kann es nicht — der Mönch war dumm — und doch hat er es gethan!? 24 Interpolationen. eine der Haupt-Vignetten z. B. in Rom oder Konstantinopel zu ersetzen, ohne die Einheit des Ganzen zu stören! Wie genau ist der Raum ausgenützt durch die 12 von Rom ausgehenden Strassen; wie sinnreich ist die Kreisfigur hier angebracht, und wie sollte hier etwas anderes als eine getreue Kopie denkbar sein, ohne die grösste Verwirrung zu schaffen? Vorausgesetzt aber, dass der Abschreiber den Willen hatte, etwas einzusetzen, so war es sicher etwas Zeitgemässes oder auf eine bestimmte Gegend (etwa seine Heimat) Bezügliches. Nun finden wir aber in der ganzen Tabula keine einzige Bemerkung, keinen Namen und keine Figur, welche nicht am Ende der römischen Kaiserzeit geschrieben sein könnte. Man hat viel von Interpolationen der Tabula gesprochen, aber die als interpoliert erklärten Stellen können weder auf eine bestimmte Zeit, noch auf ein bestimmtes Land bezogen werden; sie verteilen sich auf die ganze Tabula vom ersten bis zum letzten Segment und sind ganz verschiedenen Inhalts, so dass schon hiedurch ein subjektiver Zweck ausgeschlossen ist. 2) Wenn der Abschreiber, wie man angenommen hat, ein Deutscher war, so musste ihm am nächsten liegen, in seiner Heimat Zusätze zu machen; nun ist aber das ganze Rheingebiet anerkanntermassen völlig intakt. Jeder Erklärer hat das, was seiner Hypothese zuwider war, für interpoliert bezeichnet.

    Die Interpolations-Hypothese ist von Mannert am weitesten 2) Das zeigt sich am ausgeprägtesten bei Desjardins, welcher — abgesehen davon, dass er dreimalige Redaktion oder Recension der Karte schon im Altertum (1. unter Augustus, 2. unter Trajan, 3. im 4. Jahrh.) annimmt — Zusätze aus 4 verschiedenen Perioden nachweisen will: I. a. 435 abgeschrieben, und zwar — nach den Worten der angeblichen Abschreiber »in melius reparemus opus« — mit Zusätzen versehen, 2. unter Justinian sei die Vignette von Ravenna eingesetzt worden, 3. im 13. Jahrh. seien die Bäume in den Vogesen und auf dem Schwarzwald eingesetzt worden, 4. Peutinger soll im 16. Jahrh. die letzte Silbe von Nitiobroges eingesetzt haben! Interpolationen. 25 ausgebildet worden, welchem der Mönch von Kolmar als Sündenbock gelten muss. Mannert widmet demselben ein eigenes Kapitel: Vitia a monacho Tabulae infusa etc. Nach Mannert soll der Mönch die drei Hauptvignetten von Rom, Konstantinopel und Antiochia eingeschoben haben, durch deren Erklärung Mannert sich für alle Zeiten lächerlich gemacht hat. 1) Ferner werden die sogenannten christlichen Zeichen für interpoliert erklärt. Es sind dies Ad scm. Petrum (V 5), Desertum ubi quadraginta annis erraverunt filii Israelis ducente Moyse (IX 5), Hic legem acceperunt in monte Syna (IX 5), Antea dicta Herusalem, modo helya capitolina (X 1) und Mons oliueti (X 1); die 6. Stelle Crucis (III 5) auf Sardinien hat natürlich mit dem Kreuz nichts zu schaffen. Die älteren Autoren (Welser, Scaliger, Scheyb) haben aus diesen Stellen geschlossen, der Verfasser müsse Christ gewesen sein. Heurenbach dagegen sagt (1768), es sei dies ein gar ungeschickter und drolliger Betrug des bibelkundigen Mönchs, mit welchem er der Karte ein höheres Alter habe geben wollen; Seefried glaubt umgekehrt, derselbe habe die Karte jünger machen wollen; das habe ihn auch veranlasst, Konstantinopel statt Byzanz einzusetzen. Wir können in den „christlichen Zeichen“ keinen Widerspruch mit dem Geist und der Zeit der Abfassung finden. Die Itinerarien, insbesondere das Hierosolymitanum, sind älter und enthalten ähnliche Bemerkungen, welche vom 5. Jahrhundert an in alle frühmittelalterlichen Karten übergegangen sind.

    Es soll ferner der Kolmarer Mönch die Bäume in Vogesen und Schwarzwald, welche er von seinen Fenstern aus täglich 1) In Rom sitze Kaiser Friedrich Barbarossa (ohne Bart!) auf dem Thron, der minderwertige in Konstantinopel sei Balduin von Flandern, mit welchem der Mönch das lateinische Kaisertum angedeutet habe; in Antiochien habe der plumpe Mönch eine Mutter Gottes mit Scepter und Krone auf den Thron gesetzt, der neben ihr auf dem Boden kauernde nackte Knabe sei das Jesuskind. Mann. Tab.Peut. p. 10. Auch Philippi 1. c. p. 20 und p. 43 ist mit der mulier illa Antiochena, in welcher er das Bild der Stadtgöttin (Tyche) von Antiochien erkennen will, hereingefallen; Seefried mit dem »weiblichen Genius« dessgleichen; Hotz sieht in allen 3 Vignetten weibliche Personen (Stadtgöttinnen); Grün sieht ebenfalls in Rom »eine weibliche Figur« (p. 342), scheint aber später zweifelhaft geworden zu sein und sagt (p. 466), beide Figuren (in Rom und Konstantinopel) seien übrigens ganz androgyn gehalten! 26Interpolationen. vor Augen sah, „sorgfältig, aber mit schlecht geführter Hand'' eingezeichnet haben, wie neuerdings Desjardins sich ausdrückte. Die Behauptung fällt übrigens mit der Colmarer Hypothese in sich zusammen; ihre Unhaltbarkeit ergiebt sich am sichersten aus der Form und den Arten von Bäumen, worüber wir bei der Zeichenerklärung uns verbreiten werden.

    Da die behaupteten Interpolationen sich in erster Linie auf Bilder beziehen, so müssen wir darauf hinweisen, dass in denselben zwar der Stil des Schreibers sowohl in Schrift als Zeichnung sich verrät, dass aber der antike Inhalt überall unverkennbar ist. Das Urteil der Kunstverständigen geht einstimmig dahin, dass eine alte Vorlage kopiert worden ist. Die Idee ist römisch, der Stil romanisch. Der Anstoss, den man an diesen Bildern genommen, hat seinen Hauptgrund darin, dass man die spätrömische Vorliebe für Vignetten, wie sie besonders das byzantinische Staatshandbuch vom Jahr 400, die „Notitia dignitatum“ und früher schon die römischen Feldmesser (Gromatici latini) uns bieten, nicht hinreichend kennt. 1)

    5. Die Ausgaben.

    a) Die Fragmente.

    Im Jahre 1591 erschienen zum erstenmale 2 Fragmente der Tabula. 2) Beide Schedae behandeln zum grössern Teil denselben Stoff — die linke obere Hälfte vom II. Segment — ; beide sind offenbar Versuche der freien Wiedergabe des Originales. Die 1. Scheda ist freier gehalten, aber künstlerisch vollendeter; aus den Kolonien mit den einfachen 2 Türmchen sind Burgen im Sinne der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts gemacht. Die 2. Scheda hat sich mehr an das Original gehalten, 1) So hat z. B. der „Heiligenschein“ der Figur in Antiochien nichts Auffälliges. Antoninus Pius war der erste Kaiser, welcher zu Lebzeiten auf Medaillen mit dem Nimbus dargestellt wurde; in der byzantinischen Zeit, schon im 5. Jahrhundert, sind die Kaiser regelmässig mit demselben geziert zur Bezeichnung der maiestas imperialis; wir treffen ihn auch schon auf der Konstantinssäule. 2) Fragmenta Tabulae antiquae in quis aliquot per Rom. provincias itinera. Ex Peutingerorum bibliotheca. Edente et explicante Marco Velsero Mathei F. Aug. Vind. Venetiis apud Aldum 1591. 60 pp. in 4°, 2 ff. für den index und catalogus und 2 auf Holz geschnittene Karten (I fl. 10 st. Crevenna). Ausgaben der P. T. — Die Fragmente. 27 ist aber weniger sorgfältig ausgeführt. Welcher Künstler dieselben hergestellt hat, ist nicht zu entscheiden; möglich ist, dass sie von der Hand Peutingers selbst herrühren, aber wahrscheinlicher, dass sie auf Peutingers Wunsch oder Bestellung als Probezeichnungen gemacht wurden. Zur Ausführung gelangten sie nicht. Der Stil, in welchem beide Schedae ausgeführt sind, weist auf Konrad Peutingers Lebzeiten hin; später können sie auch deshalb nicht verfertigt worden sein, weil die Tabula nach seinem Tode verloren war. Die Wiedergabe der Bilder wie auch des Textes ist so frei, dass ihr nur ein historischer, kein sachlicher Wert beizumessen ist. Zur Zeit ihres Erscheinens aber waren die 2 Schedae oder Fragmente ein litterarisches Ereignis. „Wenn wir so glücklich wären,“ schreibt Welser am 26. Februar 1591 an Justus Lipsius, „ein ähnliches Monument für Germanien, für Rhätien, für unser Vindelizien aufzufinden!“

    Die beiden Schedae sind wieder abgedruckt in den Opera Velseri 1682 (s. u.), die erste derselben ist auch in der Ausgabe von Bertius (s. u.) der Tabula beigefügt worden. Der Commentar von Welser auf 60 pp. bezieht sich natürlich nur auf die Fragmente.

    b) Vollständige Ausgaben.

    I. Die Kupfer von Antwerpen. Sofort nach der Wiederauffindung der Pergamentrolle liess Marcus Welser, wie uns P. Andreas Schott 1) u. a. sagen, eine auf die Hälfte (vgl. u.) reduzierte Kopie durch einen Augsburger Künstler Johannes Moller 2) in sorgfältiger Ausführung herstellen, und sandte sie nach Antwerpen an seinen Freund Ortelius, den berühmten 1) Hieronymi Suritae Itinerarium — Col. Agripp. 1609 — Praefatio. 2) Frèret (Hist. de l'Acad. d. Inscr. XIV 1743; ferner Oevr. compl. t. XVI p. 180) spricht von einer weniger korrekten Ausgabe der Tab. von dem Augsburger Buchdrucker Jean Moller a. 1605. Eine solche Ausgabe existiert aber nicht, und die Angabe Frèrets ist nur aus einem Missverständnis der Worte des P. Merula in seiner Kosmographie, a. 1605, hervorgegangen; Mersula sagt nämlich in der Vorrede, er habe die Tab. itin. benutzt, quae ductu Johannis Molleri, diligentíssimi Typographi ... prodiit. Moller ist, wie wir oben gesehen, nur der Kopist, nicht der Kupferstecher; trotzdem werden die Kupfer von Antwerpen öfters als Mollersche Tafeln bezeichnet. 28 Ausgabe von Welser. Geographen, welcher sie alsbald in die Hände eines sehr geschickten Graveurs legte. Schon waren 7 von den 8 Blättern, welche das Werk bilden sollten, in Kupfer gestochen, da musste der dem Tode nahe Forscher die beinahe fertige Tafel in die allerdings zuverlässige Hand des Joannes Moret (des Schwiegersohnes von Plantin, dem Besitzer der berühmten Offizin) niederlegen; testamentarisch machte er ihm die Auflage, sie vollenden zu lassen und Welser zuzuschicken. Ortelius starb am 28. Juni 1598. Zwei Tage vorher hatte er durch Moret einen Probeabdruck von einer Platte zur Vergleichung und Korrektur an Welser schicken lassen. 1) Es war offenbar das 7. Blatt, welches drei Wochen später korrigiert zurückkommt, über dessen Empfang Moret am 22. Juli berichtet. Am 8. Oktober sendet Moret die Revision des 7. Blattes (es muss demnach ziemlich viele Korrekturen gegeben haben!) und zugleich den I. Probeabdruck des 8. und letzten Blattes an Welser. Als Titel schlägt Moret vor: Tabula chorographica sive Itinerarium plerasque Romani Imperii partes provinciasque continens, ejusdemque medii aevi nomenclaturas ex Bibliotheca Conradi Peutingeri Patricii Augustani beneficio V. Cl. M. Velseri nunc primum edita. Dieser Titel wurde von Welser, welcher den wirklichen Wert des Werkes richtig taxierte, natürlich nicht acceptiert. Am 31. Dezember sendet Moret das erste vollständige Exemplar der Tabula an Welser; am 9. Februar 1599 berichtet Moret, dass er dem Agenten des Hauses Welser in Antwerpen die 24 gewünschten Freiexemplare, zur Hälfte broschiert, zur Hälfte in Blättern, übergeben habe (laut Faktura vom 30. Juni). 2)

    Diese Kupfer von Antwerpen, bei welchen in erster Linie Welser, dann Moller, Ortelius und Moret beteiligt sind, wurden in den 3 ersten Ausgaben benützt. Die Ausführung ist meisterhaft und allen folgenden Ausgaben (bis Desjardins) überlegen. Mir liegt von der Editio princeps nur das Facsimile von Ruelens und ausserdem der völlig unveränderte Abdruck 1) »figuram hanc tabulae, cuius apographum misit (sc. Velserus), cum autographo confererdam«; s. Ruelens, La première édition de la Table de Peutinger, Brux. 1884. p. 4. 2) Die aktenmässigen Belege s. Ruelens 1. c. Ausgaben: Welser, Bertius. 29 bei Bertius (s. u.) vor; letzterer hat weniger gutes Papier, weshalb der Stich nicht zu seiner ganzen Geltung kommt. Wie technisch der vollendetste, so ist der Stich sachlich der korrekteste von allen und legt Zeugnis ab von der Sorgfalt und Liebe, mit welcher kein Geringerer als Marcus Welser die Korrektur und Revision vollzogen hat. Die Moller-Moret-Welserschen Kupfer haben aber einen bleibenden sachlichen Wert vornehmlich durch den Umstand gewonnen, dass viele Namen, besonders in dem Meere die Namen von Seehäfen, Inseln, Meerbusen u. dergl., heute im Original fast oder ganz unleserlich geworden sind, während sie zu Welsers Zeiten noch lesbar waren. Ich habe durch sorgfältigste Vergleichung noch vorhandener Spuren und Reste auf dem Original mich von der Glaubwürdigkeit der Welserschen Lesarten vielfach überzeugt, wie auch schon die durchgehends bewiesene peinliche Gewissenhaftigkeit dieses Autors es nicht anders erwarten lässt. Der Text ist in gewöhnlicher Schrift gegeben, doch sind alle Eigentümlichkeiten des Textes, Abkürzungen u. dergl. sorgfältig wiedergegeben, die Vignetten gut ausgeführt. Nur die h-förmigen z hat Welser nicht verstanden und stets als h gelesen, wie alle seine Nachfolger bis Scheyb. Die Tafel ist auf etwas weniger als ⅔, genauer der Höhe nach auf ¹⁹/₃₄, der Länge nach auf ²⁰/₃₄ reduziert; sie ist ferner in 8 Blätter abgeteilt, welche mit den Buchstaben A—H bezeichnet sind und welche je 18, mit Einfassung 19 cm hoch, 51 cm lang sind; die Gesamtlänge beträgt 4,08 m.

    1. Die Editio princeps 1) erschien in der Plantinschen Offizin in Antwerpen a. 1598 (nach obigem richtiger a. 1599) in nur 250 Exemplaren, à 25 sous, ist deshalb jetzt selten. Nach Ruelens l. c. bildet dieselbe ein kleines Heft in 4°; die 8 Blätter sind gefaltet und an Papierstreifen angeklebt. Die Angabe von Graesse und Grün, wonach die ed. princ. einen Bestandteil von Ortelius Parergon (s. u.) 1. Auflage 1598 bilden würde, scheint demnach unrichtig.

    2. Die Ausgabe von Bertius in dem Theatrum Geographiae 1) Tabula itineraria ex illustri Peutingerorum bibliotheca, quae Augustae Vindel. est, beneficio Marci Velseri septemviri Augustani in lucem edita, mit der Widmung Morets an Velser, datiert Antwerpen i. Dez. 1598, und Vorwort. 30 Ausgaben: Ortelius. veteris, Lugduni 1618/1619. Es ist dies eine von dem Graveur und Verleger Jodocus Hondius jun. (Josse de Hondt) — der alte starb 1611 — in Amsterdam veranstaltete, schon von seinem Vater begonnene Sammlung von Karten, unter Leitung des holländischen Geographen Pierre Berts, gebürtig von Beveren bei Furnes. 1) Das Werk ist gewidmet Ludwig XIII., König von Frankreich, welcher den Bertius zu seinem Hofgeographen ernannt hatte; bald nachher verliess derselbe die Universität Leyden, wo das Werk bei Isaac Elzevier gedruckt worden ist, und siedelte nach Paris über. Das Format des Theatrum ist gr. fol., die 8 Segmente sind auf 4 Doppelblättern, je 2 unter einander, gedruckt. Je das obere Segment (1. 3. 5. u. 7.) hat die Überschrift: Tabulae Peutingerianae Segm....., das untere nur Segm.....; auf der Aussenseite steht gleichfalls Tabulae Peutingerianae Segm. etc.

    3. Die Ausgabe von Ortelius in seinem Parergon, Antwerpen 1624. Abraham Ortelius verfasste ausser dem Thesaurus orbis terrarum, welcher 1570 mit 53 von Hogenberg gestochenen, a. 1595 aber mit 115 Karten erschien, hauptsächlich seine zweibändige Geographie, deren 1. Teil die neue Geographie enthält unter dem Titel Theatrum orbis terrarum, während der 2. Teil die alte Geographie giebt unter dem Titel Theatri orbis terrarum parergon. 2) Das Parergon (wieder abgedruckt 1674?) enthält, wie es scheint zum erstenmal in der a. 1624 1) Die Sammlung enthält im 1. Teil die Geographie des Ptolemaeus mit den 27 Karten des Agathodämon und dem Commentar des Gerhard Mercator, im 2. Teil das Itinerarium Antonini, die Tabula Peuting., eine der Schedae (Scheda prior) von Velser aus dem Jahr 1591 mit dessen Commentar, und 14 Tafeln aus Ortels Geogr. vet. Der 1. Teil erschien 1618, der 2. mit der Tab. 1619. 2) Das Theatrum erschien in Antwerpen bei J. B. Vrintius, 1603, vorher schon als Theâtre de l'univers, Anwers, Plantin, 1598. qu. in fol.; ferner in italienischer Übersetzung 1598 in Brescia, 1612 in Antwerpen bei Plantin selbst; ferner in englischer, deutscher etc. Übersetzung. Der 2. Teil hat den Titel: Ortelius, Theatri orbis terrarum parergon sive veteris geographiae tabulae. Antwerpiae ex officina Plantiniana, cura et studio Balthasari Moreti. 1624. qu. in fol. (Balth. Moret ist der Neffe des Christophorus Plantin, der Sohn des Joh. Moret.) Diese Ausgabe enthält 36 Tafeln, von welchen 32 schon im Jahr 1570 publiziert worden waren; eine 2. Auflage, vom J. 1595, von beiden Teilen, enthält im Parergon wieder nur die 32 Tafeln. Ausgaben: Horn. 31 von Balth. Moret veranstalteten Neuausgabe, in den 4 neu hinzugekommenen Tafeln die Tab.Peut. Es sind lediglich die alten Kupfer wiedergegeben; sie müssen also von Leyden zurückgekommen sein. Der Commentar von Welser fehlt, nur die Vorrede 1) und die Welserschen Testimonia vom Jahre 1591 (von B. Rhenanus, Ger. Noviomagus und Irenicus) sind wiedergegeben, um 2 Blätter zu füllen.

    II. Die Kupfer von Amsterdam. Zum zweitenmal gestochen wurde die Tabula bei Johannes Janssonius (Jansson) in Amsterdam und erschien zuerst 1653. Der neue Stich steht dem ersten in der Ausführung nur wenig nach, und ist im allgemeinen als eine treue Kopie des ersten anzusehen, in gleicher Grösse und Einteilung, in 8 Segmenten mit den Buchstaben A—H bezeichnet. Der Stich ist schön und klar, die Schrift von einem Künstler, welcher darin Übung hatte, die Vignetten aber nicht so sorgfältig wie im 1. Stich behandelt. Der Text weicht selten, aber dann nicht zu seinen Gunsten von der Welserschen Wiedergabe ab, es ist deshalb eine direkte Vergleichung mit dem Original nicht anzunehmen (trotz der Angabe des Verlegers von Bergier [s. u.]: „ab Hornio correcta“ !), zumal dasselbe wieder verschollen war. Der vorgedruckte Text ist derselbe geblieben, die Widmung an Welser weggelassen. Die Kupfer von Amsterdam liegen den zwei folgenden Ausgaben zu Grunde.

    4. Die Ausgaben von Georg Horn, Amsterdam 1653, 1684. u. 1740. 2) Horn giebt die 8 Segmente auf 4 Tafeln, je 2 über 1) Praefatio Velseri in Tabulae Fragmenta, dann ein judicium Velseri, welches er unter fremdem Namen über die Geschichte der ed I. (integra) abgegeben und welches auch Bergier in der I. Aufl. 1728 vorausgeschickt hat. 2) G. Horn, 1627 zu Kemnath in der Ober-Pfalz geboren, war lange in England, dann Professor der Geschichte in Leyden, wo er 10. Nov. 1670 starb. Derselbe gab eine Menge Schriften verschiedenen Inhaltes, insbesondere über die Geschichte von England, Holland, ferner über Kirchengeschichte, einen Orbis politicus (Verona 1688) u. a. heraus. Die Tab. ist enthalten in einem Werk, dessen Titel nach Van der Aa (Bibliographisch Woordenboek, II. B. Harlem 1867) lautet:
    Geographia vetus sacra et profana cum tabb. Peutinger.; — Accuratissima orbis delineatio. Amst. 1653, ap. Joann. Janssonium, max. fol.
    Neuaufgelegt 1684 unter dem Titel: Accuratissima Orbis Delinatio, sive Geographia Vetus, sacra et profana, auctore Georgio Hornio. I. Amstelodami a. 1684 ap. Jansonio-Waesbergios. 2. Hagae ap. Petrum de Hondt 1740. max. fol.
    32 Ausgaben: Bergier. einander; die einzelnen Segmente sind vollkommen identisch mit Bergier, nur anders angeordnet; ohne Text.

    Der Verleger Janssonius ist hauptsächlich bekannt durch die 7 Bände seines Novus Atlas absolutissimus, Amsterdam 1658; es wird aber auch ein Orbis antiquus von demselben citiert, dessen 6. Band (1659?) die Tab.Peut. enthalten soll.

    5. Die Ausgabe von Bergier, 1) Bruxelles 1728 u. 1736; 2 vol. in 4°. Nicolas Bergier war Advokat in Rheims (geb. 1557, † 1623) und verfasste mehrere Schriften, worunter auch Gedichte. Sein Werk über die römischen Hauptstrassen war zuerst in Paris 1622 erschienen. Der Verleger veranstaltete im Jahre 1728 eine neue Auflage des sehr selten gewordenen Werkes, 2) wobei er Korrekturen und Zusätze benützte, welche noch von dem längst verstorbenen Verfasser selbst herrührten und auf einem Exemplar der alten Auflage eingetragen waren. Neu beigegeben wurde nur die Itinerarkarte von Peutinger, „korrigiert von Georg Hornius“; sonst wurde nach Angabe des Verlegers in der neuen Ausgabe nichts geändert. Die Ausgabe von 1728 in 2 Bänden enthält die Tabula in 8 getrennten, gefalteten, je links angehefteten Blättern. Es sind nur einfache Abdrücke der Jansson-Hornschen Kupfer, ohne jede Änderung. Die Ausgabe von 1736 enthält die 8 Segmente aneinander geklebt zu einem langen Streifen, und gefaltet. Beigegeben, resp. vorausgeschickt ist nur eine Seite Text, nämlich das oben genannte judicium Velseri, welches schon Ortelius gegeben hat. 3)

    1) Nicolai Bergierii Commentarii de publicis et militaribus imperii Romani viis, Brux. 1728, und Bergier, Histoire des grands chemins de l'empire romain, nouvelle édition. angmentée de remarques historiques. 1736. 2) Schon ums Jahr 1700 wollte Heinrich Christian Hennin der Ausgabe von Bergier die Tabula Peut. beifügen, unterliess es aber, als er hörte, dass Menso Altingius eine neue Ausgabe mit Commentar beabsichtige. Altingius starb 1712 in Gröningen, seine fertige Arbeit wollte Hadrian Reland in Utrecht radieren, starb aber ebenfalls a. 1717. Jetzt nahm Henninius seinen Plan wieder auf. 3) Die Ausgabe von 1728 wird antiquarisch zu 28 M. angeboten. — Nach Brunet wäre die neue Auflage wahrscheinlich besorgt worden durch Bourguigon d'Anville. Ausgaben: Arnold, Scheyb. 33

    III. Der Nürnberger Stich, in den Opera Velseri, cura Arnoldi (Prof. in Nürnberg), Nürnberg 1682, kl. fol. Er giebt eine Kopie der Antwerpener Kupfer, dem kleinen Format entsprechend auf 12 (resp. 11½) gebrochenen, in den Text eingedruckten Segmenten, welche mit den Buchstaben A — M bezeichnet sind. Die Ausführung ist sowohl technisch als inhaltlich die nachlässigste von allen; die Schrift ist von einer hierin ungeübten Hand, deshalb sind die Buchstaben oft so ineinander gezogen, dass sie ohne Loupe kaum zu entziffern sind; die Schreibfehler sind fast zahllos, oft Strassenlinien, Entfernungszahlen, Namen, ja mehrmals ganze Routen ausgelassen. Diese Kupfer sind glücklicherweise nur einmal benützt worden: in der 6. Ausgabe der Tabula, in den Opera Velseri 1682 (s. o.).

    Neue weitere Ausgaben beabsichtigten Nicasius, Altingius, Relandus, Henninius (cfr. Lotter-Veith p. 121).

    IV. Das Scheybsche Facsimile — Wiener Stich, 1753. — Franz Christoph von Scheyb 1) in Gaubickolheim, Constanzer Patrizier, liess durch den Geometer und Architekten Salomon Kleiner die Kopie dadurch herstellen, dass in Öl getränktes, somit durchsichtiges Papier auf das Original aufgelegt und alle Striche auf das sorgfältigste nachgefahren wurden. In Beziehung auf Ähnlichkeit der Grössenverhältnisse lässt der Scheybsche Stich nichts zu wünschen übrig; es muss ebenso anerkannt werden, dass es an Sorgfalt bei der Ausführung nicht gefehlt hat, dass Zeit und Mühe nicht gespart worden sind. Vom technischen Standpunkt aus ist die Arbeit als eine sehr schöne und sorgfältige zu bezeichnen. Sachlich dagegen hat der Scheybsche Stich zwei Mängel: erstens, dass der Schriftcharakter nicht in allweg getroffen ist, und zweitens, dass zu viele Lesefehler vorkommen. Die Buchstaben des 1) v. Scheyb ist geboren am 26. Febr. 1704 zu Emmingen (Amts Engen im badischen Seekreis), gest. 8. Okt. 1777 zu Wien. Er trat frühzeitig in Beziehungen zu der Graf Harrachschen Familie und blieb zeitlebens in deren Diensten, zuerst als Hauslehrer, dann als Reisegenosse des Vicekönigs von Neapel, dann als Sekretär, und erhielt zuletzt noch den Titel eines k. k. Hofrats, cf. Meusel, Lexik. der Schriftsteller XII. 14617. Danzel, Gottsched u. s. Zeit. p. 298/300 (Selbstbiographie u. mehrere Briefe).
    Miller, Weltkarte des Castorius. 3
    34 Ausgaben: Scheyb. Originals sind allgemein viel voller, bestimmter, und entbehren der schnörkeligen Auswüchse, einzelne Buchstaben, z. B. die t, C, L, J sind fast immer verfehlt. Aber trotzdem ist die Treue der Buchstabenformen viel grösser als bei der neuen Pariser Ausgabe. 1) Schlimmer sind die falschen Lesarten, deren Zahl weit grösser ist als bei den ersten Stichen. Scheyb hat die Tafel, welche damals eine fortlaufende Rolle bildete, in 12 ungleich lange, lediglich willkürliche Segmente geteilt. Jedes Segment hat er am Rande in 3 vertikale und 2 horizontale Abteilungen gebracht, und die oberen mit A, B, C, die unteren mit D, E, F bezeichnet, um auf diese Weise die Auffindung der Namen durch Angabe des Segmentes in lateinischen Ziffern und der Abteilung A — F zu ermöglichen. Ferner hat Scheyb die Farben durch die in der Sphragistik übliche Schraffierung erkennbar gemacht, während in den früheren Ausgaben nur die rote Schrift durch andere Schreibart teilweise erkennbar war. Freilich sind diese Angaben wenig zuverlässig, und es scheint fast dem Künstler an dem Farbensinn, wenigstens an der Gabe der Erkennung verblasster Farben gefehlt zu haben. Die Scheybschen Kupfer mit seiner Einteilung sind zweimal zum Abdruck gekommen und haben ausserdem bei dem folgenden 5. Stich als Vorlage, und der vorliegenden Ausgabe als Unterlage gedient.

    7. Ausgabe: Peutingeriana Tabula Itineraria, ed. Franz Christoph de Scheyb, Vindobonae, ex typographia Trattneriana. 1753. fol., mit XIV pp. Vorrede, 70 pp. Text und XII pp. Index aller Namen der Tabula. Die Scheybsche Abhandlung über die allgemeinen Verhältnisse, Geschichte u. s. w. der Tafel ist eine fleissige und gediegene Arbeit, vollkommen auf der Höhe der Zeit, in einem für uns etwas schwülstigen rhetorischen Stil, durch dessen Schönheit Scheyb eine gewisse Berühmtheit 1) Wir haben deshalb keinen Anstand genommen, da eine photographische Aufnahme nicht zu bekommen war, das Scheybsche Facsimile unserer Ausgabe zu Grunde zu legen, als das einzige hiefür brauchbare. In Bezug auf Korrektheit war dadurch mehr erreichbar als durch einen neuen Stich. Es wird allerdings Fälle geben, in welchen allein die Photographie den Ansprüchen genügt; anderseits aber dürfte unsere Handausgabe auch Vorteile bieten, welche die Photographie nicht bieten kann. Ausgaben: Mannert. 35 erlangt hatte. Zu einem Commentar ist keinerlei Versuch gemacht; ein solcher wäre auch kaum in irgend befriedigender Weise möglich gewesen; aber dieser Mangel an Durcharbeitung des Stoffes macht sich in dem Texte der Ausgabe wie besonders in dem Index sehr bemerklich. Wäre der Inhalt der Tafel wirklich verarbeitet worden, so hätten Ungereimtheiten wie die Städte Viatrium und Falis (statt via triumfalis), oder Tea Nomarruci, Salabe und Rina (statt Salaberina) und viele andere nicht vorkommen können. 1)

    8. Ausgabe: Tabula Itineraria Peutingeriana, mit Einleitung von Konrad Mannert, herausgegeben von der Münchener Akademie der Wissensch., Leipzig, Hahn, 1824, VI u. 63.

    Konrad Mannert 2) schrieb a. 1793 seine erste Dissertation über die Entstehungszeit der Peutingerschen Tafel, welche in den Annales des Voyages par Malte-Brun t. I. Paris 1808, p. 345—360 ins Französische übersetzt wurde. Bekannt ist er hauptsächlich durch sein 14bändiges Werk: Die Geographie der Griechen und Römer, 1784—1825.

    Man hatte erkannt, dass die Scheybsche Ausgabe zahlreiche falsche Lesarten enthalte, und wünschte ausserdem eine neue und billigere Ausgabe. Die Münchener Akademie, in den Besitz der Scheybschen Kupfer gekommen, beauftragte den K. Mannert mit Veranstaltung einer solchen, da er wie kein anderer dieser Aufgabe gewachsen schien. Er machte sich die Aufgabe leicht. Der Gymnasialprofessor Valentin Vodnik aus Laibach hatte schon a. 1815 die Kollation mit dem Original in Wien vorgenommen; der Skriptor F. v. Bartsch 1) Die Scheybsche Ausgabe kostete 18 Thaler (jetzt antiqu. 30 M.), und es ist deshalb wohl begreiflich, dass vielfach geklagt wurde, dass sie zu teuer sei. Ein grösserer Teil der Abzüge blieb unverkauft zum Schaden von Verleger und Verfasser. Scheyb wurde dadurch veranlasst, die Kupferplatten an den Kurfürsten von der Pfalz zu verkaufen, welcher sie der Palatinischen Akademie, deren Mitglied auch Scheyb war, zur Aufbewahrung übergab. Nach Scheybs Tode kamen die Abzüge in den Besitz der Palat. Akad., dann — bei deren Verlegung nach München — mit den Kupfern unter den Hammer, und wurden endlich von der Münchener Akademie erworben. 2) Geboren 17. April 1756 zu Altdorf, 1784 Gymnasiallehrer in Nürnberg, 1796 Prof. der Geschichte in Altdorf, 1805 in Würzburg, 1807 in Landshut, 1826 in München, wo er am 27. Sept. 1834 starb. 36 Ausgaben: Mannert, Podocath. verglich abermals, und J. B. v. Seitz führte die Verbesserungen auf den Scheybschen Kupfern aus. Diese gewöhnlich nach Mannert benannte Ausgabe hat allerdings eine Anzahl falscher Lesarten der Scheybschen Tafeln korrigiert, in vielen Fällen die richtige, alte Welsersche Lesart wiederhergestellt, aber es ist nicht einmal die Hälfte der wirklich vorhandenen falschen Lesarten ausgemerzt worden, oft gerade die sachlich bedeutendsten Fehler hat Mannert nicht gefunden, und alles in allem, namentlich hinsichtlich der Vollständigkeit, steht textlich seine Ausgabe immer noch bedeutend hinter den älteren Editionen zurück. Mannert hat ja eigentlich auch bloss seinen Namen für die Ausgabe hergegeben. Die Scheybschen Kupfer wurden korrigiert und nach diesen der Druck vorgenommen.

    Der Mannertsche Text, bestehend aus 44 Seiten Text und dem Index, hat, was er Richtiges hat, von Scheyb entlehnt, ausgezogen und abgekürzt und dazu seine Phantastereien und seine vornehme Kritik beigefügt. Die oben genannten Ungereimtheiten im Scheybschen Index (die Städte Viatrium, Falis u. s. w.) findet man in gleicher Weise wieder bei Mannert. Unbegreiflicherweise hat sich der Einfluss seiner Anschauungen über die Entstehungszeit, Abschriften, Vignetten, Interpolationen u. s. w. in der Gelehrtenwelt bis in unsere Zeit herein erhalten und ist vereinzelt noch immer da und dort bemerklich, obwohl er in Wirklichkeit unsere Kenntnis der Tafel kaum merklich weiter gefördert hat. 1) Die Ausgabe kostet antiquarisch ca. 30 Mark.

    V. Italienische Kupfer, 9. Ausgabe von Podocatharus Christianopulus, O. Praed. 2) Die Angaben von einer „neuen Zeichnung“, von „Abdruck der Scheybschen Tafeln für Italien“ u. s. w. sind dahin richtig zu stellen, dass ein neuer vom Verfasser eigenhändig ausgeführter Stich, aber getreu nach Vorlage der Scheybschen Tafeln, vorliegt. Die textlichen 1) Noch 1886 hat Hotz neben manchem, was er korrigiert, doch die Madonna in Antiochien acceptiert. Wo hat man denn jemals eine Madonna mit dem Jesuskind zu ihren Füssen und in einer solchen Stellung dargestellt? 2) Tabula itineraria militaris, Aesii in Picenis, 1809. XVI. Einl., 68 pp. XXXVI Jndex. fol. Die Ausgabe kostet antiqu. circa 15 M., scheint in Frankreich und Deutschland selten; in Stuttgart vorhanden. Ausgaben: Katancsich. 37 Differenzen sind wenige, es sind einzelne Verbesserungen, aber auch neue Fehler vorhanden; der Stich ist viel unreiner, oberflächlicher, die Schrift wackelig, hinter der sauberen Scheybschen weit zurückstehend. Die Vignetten sind sehr mangelhaft; aus der Kaiserfigur in Rom hat Podocatharus eine Roma mit weiblicher Brust gemacht, u. dergl. Die Tafeln sind gefaltet und je mit dem linken Rande angeheftet. Der Text beschäftigt sich namentlich eingehend mit dem Schriftcharakter (XIII. Jahrhundert) und den Maassen der Tabula; doch ist sein Beweis, dass auch in Gallien nach Meilen und nicht nach Leugen gerechnet sei, unstichhaltig. Der Index ist sehr verbessert.

    VI. Der Pester Stich, 10. Ausgabe von P. Math. Petr. Katancsich, O. M. S. P. F. Prov. Capistr. 1) — K., Professor in Pest, ist der Erste und Einzige, welcher einen Commentar zur Tab.Peut. gewagt und durchgeführt hat — eine Leistung, welche zu jeder Zeit Anerkennung verdient. Leider ist die Ausstattung schlecht, der lateinische Text schwerfällig. Die 12 Tafeln sind in der Scheybschen Einteilung, aber nach neuer Vorlage, bezw. Zeichnung gestochen; zum erstenmal ist die Wiedergabe der Farben hier versucht worden. Sie ist aber weder gelungen, noch getreu. Die Tafeln sind vielmehr bilderbogenmässig angestrichen und die Farben ganz frei gewählt, schwarz was weiss, gelb was rot sein sollte. Der Stich, besonders der Vignetten, ist ganz schlecht ausgeführt; in Antiochien sitzt eine Dame mit gelbem Brustpanzer auf dem Thronsessel. Der Text ist etwas korrekter als der Scheybsche.

    Die von Litterarhistorikern (Bahr, Bernhardy) citierte Ausgabe von Fortia d'Urban, Paris 1845, nach Bähr „revidierter Abdruck“ (von Scheyb?) existiert nicht. Der Recueil des Itinéraires anciens, comprenant l'itinéraire d'Antonin, la table de Peutinger et un choix de periples grecs, publié avec des cartes dressées par le colonel Lapie, par M. de Fortia d'Urban, Paris, impr. roy. (Duprat) 1845, 4° et tables in fol. — 50 frcs., enthält thatsächlich nur den Text, in 246 Routen abgeteilt, aber keine Ausgabe. Dieser Text kann hier nicht in Betracht kommen.

    1) Orbis antiquus, ex tabula itineraria, quae Theodosii imp. et Peutingeri audit, —. Budae 1825. 2 vol. in 4° und Atlas in Fol. 38 Ausgaben: Desjardins.

    VII. Der Pariser Stich, elfte Ausgabe von Ernest Desjardins, 1) La Table de Peutinger, Paris 1869—1874, in 14 Lieferungen, Text unvollendet. Vom französischen Unterrichts-Ministerium, noch unter Napoleon III., mit Mitteln ausgerüstet, hat Desjardins sein Werk in grossartigem Massstab angelegt. Das Äussere ist in allweg bestechend. Er giebt die elf Segmente, zum erstenmal in der richtigen und natürlichen Abteilung, neu gestochen in 5fachem Farbendruck, in gleichem Massstab wie das Original. Technisch wird die Ausgabe von Sachkundigen nicht hoch taxiert. Die Schrift ist stark modernisiert, viele Buchstaben sind ganz frei gemacht (z. B. die z haben keine Ähnlichkeit mehr, die t hat er wie Scheyb). Wir geben in der Schrift Scheyb entschieden den Vorzug, denn sein Kopist hat die einzelnen Buchstabenformen jedes Wortes ängstlich und treu nachgezeichnet; dass er den Charakter der Schrift nicht immer getroffen hat, ist nicht seine Schuld: diesen wird eben überhaupt bloss Photographie wiederzugeben im stände sein. Bei Desjardins sind dagegen die Buchstaben schematisiert, wie ich mich in vielen Fällen überzeugt habe.

    Sachlich ist die Ausgabe von Desj. korrekter als die früheren, steht aber an Vollständigkeit der Welserschen viel nach. Fehlerlos ist sie durchaus nicht, ja sie entspricht nicht einmal den Anforderungen, welche an eine so prätentiöse Ausgabe billigerweise gestellt werden können. 2)

    1) E. Desj., Mitglied des Instituts, ist geb. 30. Sept. 1823 zu Noisy-sur-Oisy; wurde 1875 Nachfolger v. d'Avezac als Prof. d. Inschriftenkunde am Coll. de France, Mitgl. d. Ak. d. Inschr., der Acad. franç. Er gab heraus: Atlas de géogr. ancienne de l'Italie 1852; Sur la topographie de Latium 1854; De tabulis alimentariis 1854; Géogr. histor. et administr. de la Gaule d'après la table de Peut. 1870—1878, 2 Bände; Acta musei nat. Hungarici 1873; Desiderata du C. J. L., 1874—1875. Er machte Reisen in Italien, Ägypten (1852—1858) und Mösien, um neue Inschriften u. s. w. zu sammeln. Gestorben 23. Okt. 1886. 2) Wir nennen folgende wichtigere falsche Lesarten von Dj. Auf Segm. 3 (bei uns IV) Hippone statt -y-, Theleste (statt deutlich Theleote), Fabettianum st. -at-, Sunitu st. Simitu, Serniliana st. Seru-, Thibititanis st. -lit-, Vetomianis st. -n-, Soriuoduro st. Soruioduro. S. 4. Olera st. Dlera (der Abschreiber hat D statt B geschrieben), Varuno — a ist mindestens zweifelhaft —, saleros st. Fa-, fi. Sauv. (rot) fehlt, ist aber wohl erkennbar. S. 5. Ausidena st. -ſ-, pretorium st. -rum, inalverio st. inalperio, Noceio st. -os, in Interpromium ist die Abkürzung im p für pro weggelassen, die Strasse von Sublacio soll nach Marrubium führen. S. 6. Leucopetras st. -â- (== am?), Gag st. deutlich Gaganis. S. 7. Brendici st. Brenzici. S. 8. Bardano st. D., Maleopoli st. Mil-, Argelis st. Argesis, Tyatua st. Tyatira, Adrymittios unleserlich statt deutlich leserlich (n. Fn. korrigiert), Ins. Antiochia fehlt, die Spuren von Ins. Acritas, Sinus Nicomedicus, Sinus Heracl.., Ins. Herculis seu Leuce dicta sind erkennbar! S. 9. C—pheni st. Colopheni, Athenis ist ebenfalls ganz erkennbar, Sinus Cilicius st. zweifellos Aulon C..s. S. 10. Vereusso st. -so, Claudia st. G.; Cymiza u. Dyzana sind vollkommen erhalten; der Name der Kolonie Nisibi fehlt ganz, ebenso die Zahl 60 bei Seleucia. S. 11. Die Spuren der östlichen Inselnamen Arcirse, Solar, Dorrados sind noch vorhanden, wenn auch nur noch teilweise lesbar; ebenso Sinus Carmanius. Der Kosm. v. Ravenna. 39

    Der Commentar von Desj. — in gr. fol.! — p. I—VI Einleitung u. p. 1—260 — behandelt Frankreich, Italien und weniges Allgemeine über das östliche Europa. Da der Verfasser mit seinem Sammelfleiss und Wissen eine lebhafte Phantasie verbindet, so sind seine Angaben mit Vorsicht aufzunehmen. Ausser den Würmern, welche im Pergament gewühlt haben sollen, hat er noch manches Nichtexistierende gesehen. Beigegeben sind 3 Cartes de redressement, wovon eine Frankreich, die zwei andern Italien enthalten.

    c) Segmente einzelner Länder und Routen

    sind sehr oft kopiert worden. Wir nennen z. B. Spruner-Menke Atlas ant. (auf K. 1. 26. 28. 29. 31), Schöpflin Alsat. ill. I. p. 149 (extra gestochen unter Obhut des Wiener Bibliothekars Gerhard van Swieten), Maury 1864 ganz Frankreich verkleinert und korrigiert, Leichtlen, Jaumann, Pauly, Paulus, Dahn, Schmidt 1833, Seefried, Sammlung röm. Denkmale in Bayern 1808, Kanitz (Donau-Bulgarien), Romanelli 1815 (Unteritalien).

    B. Das Original: Das Werk des Castorius.

    I. Castorius der Verfasser.

    Das I. Segment und mit demselben der Titel des ganzen Werkes sind uns nicht erhalten; sie fehlten schon zur Zeit der Auffindung durch Celtis im Jahr 1507; sie waren aber wohl noch vorhanden zur Zeit der Herstellung der uns noch erhaltenen Abschrift im elften Jahrhundert. 1) Das II. Segment beginnt mit einem dicken Vertikalstrich, welcher auf das Fehlen hinzuweisen scheint und auf den andern Segmenten sich nicht findet, aber wahrscheinlich erst später gemacht worden ist, als der äusserste Teil der Rolle durch das Alter schadhaft geworden und entfernt worden war.

    Zweifellos hat der Kosmograph von Ravenna um das Jahr 650 die ganze Tabula mit dem I. Segment und somit auch den Titel des Werkes vor sich gehabt. Da der Ravennate eine grosse Anzahl von ihm benutzter Quellen nennt und da er bekannter- und anerkanntermassen den ausgiebigsten Gebrauch von unserer Tabula gemacht, ja ganze Kapitel aus derselben abgeschrieben hat, so fragt es sich nur: Ist der Ravennate ehrlich und nennt uns seine Hauptquelle? Oder ist er ein Betrüger und verschweigt uns dieselbe oder nennt uns falsche Namen? Die letztere Frage würden wir nicht stellen, wenn sie nicht schon in bejahendem Sinne beantwortet worden wäre. Dass der Ravennate ein Betrüger sei, das hat im Jahr 1738 Wesseling in unzweideutigen Worten 1) Die Frage, ob das I. Segment dem Abschreiber im elften Jahrh. noch vorgelegen hat, ist nicht entschieden. In England stehen nahe am linken Rande (II 1) die Worte Riduno und Baromaci, ersteres sollte ohne Zweifel Muriduno (It.) oder Moriduno (nach Rav.) heissen, das 2. Caesaromagi, wobei B statt S gelesen wurde. Die Schreibweise beider Namen kennzeichnet sie nicht als Fortsetzung, und macht wahrscheinlich, dass das I. Segm. schon dem Abschreiber fehlte. Der vorhandene leere linke Rand weist dagegen auf das Fehlende hin, wie das fehlende Aqu von (Aqu)itania. Der Kosm. v. Ravenna. 41 ausgesprochen; unter denen, welche ihm nachgesprochen haben, nenne ich Mannert 1793, Th. Mommsen 1851, Schweder (dieser allerdings reserviert) 1886. 1) Mannert hat 30 Jahre später 2) sein Urteil voll und ganz zurückgenommen und ausgesprochen, dass er an der Ehrlichkeit in keiner Weise mehr zweifle, dagegen hat er die Stupidität und Ignoranz des Anonymus nach wie vor festgehalten. Für uns handelt es sich hier lediglich um seine Ehrlichkeit: ob die Autoren, die er citiert, wirklich gelebt und ihre Schriften existiert haben, oder ob er Namen erfunden hat? Wir können hier auf die volle Erörterung dieser Frage nicht eingehen und beschränken uns auf folgende Bemerkungen: 1. Alle Citate von Schriftstellern, deren Schriften auf uns gekommen sind, sind richtig. 2. Es ist nicht abzusehen, was den Ravennaten veranlasst haben sollte, andere Namen als die richtigen zu nennen. Eitelkeit? als ob nicht ein Name so viel galt als der andere? als ob er der einzige Besitzer der Tabula gewesen wäre? 3. Es würde grosse Unkenntnis des Inhalts seines Buches verraten, wenn man behaupten wollte, er habe faktisch nur eine Quelle (die Tabula) gehabt. Woher soll er dann die Hunderte von Städten und Orten im Orient, in Ägypten, in Kärnthen, in Alamannien, Burgund, Bretagne, Provence, Sicilien u. s. w. haben, die in der Tabula nicht stehen? 4. Es liegt doch ein grosser Widerspruch darin, wenn die Vertreter der alten Geographie in unseren Tagen so allgemein die Angaben des Ravennaten verwerten (z. B. Mommsen in Unteritalien, Tomaschek auf der Balkanhalbinsel und in Persien) und gleichzeitig die meisten in ihm einen Betrüger erkennen.

    Thatsächlich fehlt jeder Beweis irgend einer Fälschung, und merkwürdigerweise ist der sachliche Inhalt seines Buches nie der Gegenstand ernstlicher Anfechtung gewesen, ja die Erweiterung unserer geographischen Kenntnisse bringt immer neue Bestätigung seiner über die Tabula hinausgehenden Angaben. Das dürfte hinreichend sein, um die gegen seine 1) Mannert, comment. 1793; Mommsen in den Berichten der sächs. Ges. Leipz. 1851, p. 106 fl.; Schweder, Über die Weltkarte des Kosm. v. Rav. 1886. p. 8. 2) Mannert, Tab.Peut., 1824, p. 41/44. 42 Quellen des Ravennas. Person erhobenen unbewiesenen Beschuldigungen hinfällig zu mächen. Mit Mannert, Eckermann u. a. ist uns, nachdem wir das ganze Buch des Ravennaten durchgearbeitet haben, seine Ehrlichkeit über jeden Zweifel erhaben; die Quellen, welche er citiert, haben existiert, und er hat sie thatsächlich benützt, ja wir glauben, auch wenigstens einiges Historische über dieselben bei anderer Gelegenheit beibringen zu können. Wenn über andere dieser Namen, welche alle dem 4.—7. Jahrhundert angehören, nichts weiter bekannt ist, so finden wir das nicht verwunderlich, sofern wir über viele Länder aus jener Zeit überhaupt nichts weiter wissen, als was der Ravennate uns mitteilt.

    Abgesehen von vielen speziellen Quellen für einzelne Länder, wie der Ravennate solche nachweislich benützt hat, nennt uns derselbe zwei römische Hauptquellen, welchen er den Titel Kosmographen giebt: Castorius und Lollianits. Letzterer ist als historische Person und als Geograph nachweisbar und lebte ums Jahr 340 n. Chr. Aus den elf Citaten des Ravennaten entnehmen wir speziell, dass er fast das ganze römische Europa, ferner Ägypten, Mauretanien und Bosforanien beschrieben hat; durch einen besonders glücklichen Zufall können wir betreffs Ägyptens und Siciliens nachweisen, dass Lollianus dorther spezielles Material hatte. Castorius hat den ganzen römischen Erdkreis beschrieben und wird nicht weniger als 36mal vom Ravennaten, 1mal (für Italien) von Guido als Quelle citiert, oft mit dem Ehrentitel Romanorum Cosmographus, multotiens dictus Castorius, ipse Castorius u. dergl. Die Citate erfolgen stets beim Beginn des Kapitels, er gilt somit als Quelle je für ein ganzes Land oder für eine ganze Provinz. Wir können nun folgende zwei Sätze beweisen:

    1. Bei seiner ganzen Arbeit liegt dem Ravennaten die Tabula als eine der wichtigsten Quellen vor. Aber sie ist für ihn

    a) unbrauchbar in denjenigen Ländern, in welchen barbarische Völker die früher bestandene Kultur vernichtet haben und in welchen die alten Städte verschwunden oder neue entstanden sind, wie in Kärnthen, im Franken- und Alamannenreich, Burgund, in Thüringen und Sachsen, in Ägypten;

    Quellen des Ravennas, Castorius. 43

    b) teilweise brauchbar in den Ländern, wo zwar eine neue Ordnung geschaffen wurde, aber die alten Kultursitze geblieben sind: in Gallien, in den Ländern an der unteren Donau und im Orient;

    c) als Grundlage konnte sie dienen für ganz Südeuropa, Kleinasien, Syrien und Afrika, und sie ist hier als solche benützt worden, so weit nicht zufällig (wie bei Sicilien) noch genauere Quellen vorlagen.

    2. Die Citate des Castorius und die Benützungen der Tabula decken sich. 36mal stimmt das Citat mit der Tabula, nur einmal nicht — bei Arabien, welches auf der Tabula fehlt, während anderseits überall, wo der Ravennate andere Quellen nennt, die Darstellung mehr oder weniger abweicht. Daraus ziehen wir den Schluss, dass mit Castorius stets unsere Tabula, welche in der Neuzeit den Namen Peutingeriana erhalten hat, gemeint sei. Wir geben hiezu noch folgende Details.

    Dass Castorius nicht ein gewöhnliches Buch, sondern eine gemalte Karte war, geht aus Rav. I 18 (Einleitung zum speziellen Teil) und V 34 (Schlusssatz) hervor. An ersterer Stelle sagt er: Potuissemus. .. subtilius dicere totius mundi portus et promuntaria atque inter ipsas urbes miliaria, vel quomodo cunctae patriae aut qualiter ponuntur mirifice depingendo designare. Am Schlusse wiederholt er denselben Gedanken. Die Identität folgt ferner aus der Art, wie die Tabula vom Ravennaten benützt wird: Er liest eine Route der Tafel ab, dann kehrt er an den Ausgangspunkt zurück und fährt weiter: juxta hanc civitatem sunt...; er kehrt abermals zurück und nimmt jetzt die nach oben folgende Route: desuper hanc civitatem sunt... Die Bezeichnungen in ipsa regione, confinatur territorio, juxta, desuper u. ä. sind beim Rav. in der Regel auf die Karte zu beziehen und nur ausnahmsweise zeitlich zu verstehen. Es kann nicht Zufall sein, dass diese Bezeichnung stets mit der Tabula harmoniert und dass die Aufzählung der Städte und Orte durch ganze Seiten fort die Reihenfolge der Tabula einhält, umsoweniger, als der Ravennate immer ankündigt, er werde sie aufzählen „ut ait ipse Castorius“, oder ego ut Castorius ait eiusdem patriae civitates designare volo, 44 Quellen des Ravennas, Castorius. oder „secundum Castorium cosmographum“ u. dergl. Die Übereinstimmung ist so auffallend, dass, wenn auf der Tabula zufällig der Name einer grossen Stadt fehlt [wie bei Ancyra (IX 4), wo die Tabula eine schöne Vignette ohne Namen hat, oder bei Diana (IV 4)], auch der Ravennate sie nicht hat, während die kleinsten Orte aufgeführt werden. Ancyra bildet beim Ravennaten (II 17) den Mittelpunkt der ganzen Beschreibung und wird doch nicht genannt. Ebenso liest der Ravennate die Bilder der Tabula ab: Antiochia famosissima, Ravenna nobilissima, Roma insignis famosissima, Aquileja nobilis et olim inclyta (Gn.), Constantinopolis nobilissima, Thessalonici ampla nobilis. Aus der Nähe von Ancyra kommt der Kosmograph in grossem Sprung über Conni nach Sardes; diese drei Orte liegen auf der Tabula unter einander, nur durch je einen Namen getrennt, sind aber in Wirklichkeit über 300 römische Meilen entfernt. Ebenso folgen Philadelfia, Tripoli, Eucarpia (IX 4) auf der Tabula in einer Linie neben einander, gehören aber zu verschiedenen Routen und sind vom Ravennaten einfach abgelesen. In der Umgebung von Konstantinopel hat der Ravennate das doppelte Heraclea, die Route über Ad statuas— Cenopurio, die offenbare Lücke zwischen Perintus und Melentiana, und die allgemeine Lückenhaftigkeit ganz wie die Tabula im Gegensatz zu den Itinerarien. Das Bezeichnendste aber, wenn die Deutung richtig ist, bildet die patria Campi Campinidon des Ravennaten. Die Tabula hat nämlich zwei Flüsse mit der Bezeichnung Cap. fl und Cap. anis paludis (VIII 4); statt caput fluminis und caput Anis hat Porcheron Campus und Campanis gelesen, und es liegt nahe, beim Ravennaten ein ähnliches Missverständnis zu vermuten.

    Diese Übereinstimmung ist schon von vielen Forschern beobachtet worden, doch wurden zwei Einwände gegen die Identität erhoben: Die Karte, welche dem Ravennaten vorlag, sei rund gewesen. Richtig ist, dass die Weltkarte, welche der Erdbeschreibung des Ravennaten im 1. Buch zu Grunde liegt und welche Kiepert in der Ausgabe von Pinder und Parthey 1860 in unglücklicher Weise, Schweder 1886 dagegen wie es scheint wohlgelungen zu rekonstruieren versucht hat, eine runde Karte war. In den drei folgenden Büchern, welche der Die Karte des Castorius. 45 Beschreibung der einzelnen Länder und Völker gewidmet sind, kommt er zwar manchmal auf jene seine Anschauung über die Verteilung der Länder nach den 12 Tages- und Nachtstunden zurück, aber die Detailkarten, welche er vor sich hatte, haben damit nichts zu schaffen. Auch wenn wir nicht mit bestimmten Gründen die Identität mit unserer Karte aufweisen könnten, würde die Wahrscheinlichkeit gegen die runde Form sprechen. Eine runde Karte, welche eine so enorme Masse von Details enthält und den ganzen Erdkreis umfasst, müsste schwerfällig und unhandlich werden; vollends auf eine Wand, in einem Porticus gemalt, müsste sie haushoch werden und könnte ohne Leiter nicht mehr lesbar sein. Die ptolemäischen Karten zeigen uns, dass man schon im Altertum diesen Missstand durch Verteilung des Stoffes auf viele kleine viereckige Karten vermieden hat. Entweder hatte der Ravennate viele viereckige Detailkarten vor sich, oder eine Itinerarkarte in Rollenform, auf keinen Fall eine runde Weltkarte, wie Mommsen u. a. annehmen.

    Der andere Einwand lautet, der vom Ravennaten benützte orbis pictus des Castorius sei viel vollständiger gewesen, als die Tabula. 1) Auch Mommsen spricht davon, dass der Ravennate den Unteritalien betreffenden Abschnitt einfach aus einem besseren Exemplar der Karte abgeschrieben habe. Diese Behauptung stützt sich auf die falsche, schon oben zurückgewiesene Annahme, dass der Ravennate keine andere Quelle benützt habe als die Tabula. Es lässt sich im Gegenteil an manchen Beispielen nachweisen, dass das dem Ravennaten vorliegende Exemplar, abgesehen von dem Vorhandensein des I. Segments, dieselben Lücken hatte wie unser Exemplar [bei Konstantinopel, Ancyra, Diana, nach Sure in der syrischen Wüste (XI 2)]. Dass der Ravennate noch andere, und zwar zeitgemässe, gotische u. dergl. Quellen hatte, bedarf keines Beweises; dass er auch aus dem Altertum namentlich für Asien noch weitere, uns unbekannte Quellen hatte, ist mit Evidenz aus seiner Beschreibung des Orients zu entnehmen. Nachdem, er anfangs dem Castorius gefolgt ist, bringt er auf 1) Eckermann in Ersch u. Gruber, Peutingeriana pag. 31. 46 Castorius der Verfasser. einmal eine ganz abweichende und völlig originelle Einteilung der Länder, so dass die Grenzen übereinander greifen und vieles mit anderer Schreibweise und abweichender Benennung derselben Länder und Orte wiederholt wird.

    Nachdem so viele Forscher die Beziehungen zwischen der Karte, welche dem Ravennaten vorlag und welche er unter dem Namen Castorius zu nennen pflegt, einerseits und der Tab. Peut. anderseits erkannt haben, 1) ist es auffallend, dass keiner den so naheliegenden, ja mit Notwendigkeit sich ergebenden Schluss gezogen hat: Castorius ist der Verfasser der Tabula! Und doch ist der Schluss schon einmal gezogen worden; Wesseling I. c. (1738) erwähnt, ohne die Angabe einer Widerlegung wert zu halten — denn für ihn ist der Ravennate ein unverschämter Lügner —: Der Verfasser der Historia naturalis Provinciae Narbonensis habe „justa conclusione uti videbatur“ (!) bewiesen: Castorium, unde Ravennas Anonymus haud pauca deprompsit et pro suis usus est, Tabulae Peutingerianae conditorem fuisse.

    Es berührt eigentümlich, wenn man liest: „Der Ravennate citiert gerne, nennt allerhand Quellen, aber die gemalte Landkarte citiert er nie!“ Wie hätte er sie denn citieren sollen? Doch wohl nicht als Peutingersche Tafel? Ohne den Titel der Karte zu kennen, kann man nicht sagen, er habe sie nicht citiert. 36mal sagt er, er folge dem Castorius, die Citate decken sich mit der Karte, und wir wollen ihn doch nicht verstehen, gleich als erwarteten wir, den Namen „Peutinger“ aus seinem prophetischen Munde zu vernehmen.

    Wer war nun aber Castorius? Wir wissen bis jetzt eine befriedigende Antwort auf diese Frage nicht zu geben. Doch existierte dieses Geschlecht in Rom. Die christlichen Martyrologien nennen unter dem 8. November einen S. Castorius martyr in Rom unter Diocletian. Zur Zeit Gregors d. Gr. lebte daselbst ein Castorius notarius et responsalis, welcher 1) So Wesseling, Diatribe 1738, Scheyb, Tab. p. 28 u. 31, Mannert, Tab. p. 41, Mommsen, sächs. Akad. 1851, Pinder u. Parthey 1860, Forbiger, Hdb. d. Geogr. I. 1842, p. 464, Philippi u. s. w. Pinder u. Parthey sagen p. 147: Ravennatem nostrum (nisi malis Castorium) hoc loco tabulam aliquam Peutingerianae simillimam exscripsisse, infra autem alios secutum esse anctores. Castorius der Verfasser. 47 Diakon war und in den Briefen dieses Papstes öfters genannt wird. Ein S. Castor, Bischof von Apt, gebürtig aus Nemausus, aus edler Familie stammend, starb im Jahre 420. Wahrscheinlich aus Aquitanien stammt S. Castor presb., welcher unter Bischof Maximin in Trier lebte und sich in eine Einöde an der Mosel (Carden) zurückzog, Ende des 4. Jahrhunderts starb und dessen Gebeine anno 837 nach Coblenz übertragen wurden. In Nicomedien und in Tarsus Ciliciae kam das Geschlecht in dieser Zeit ebenfalls vor. Doch zeigen uns diese Daten weiter nichts, als dass in der fraglichen Zeit dieser Name existierte. Über die Heimat können wir nur eine Vermutung aussprechen. Aus der Bezeichnung als Romanorum Cosmographus, ferner aus Guido c. 56 (p. 494, 3) „iuxta ipsius philosophum Castorium“, nachdem unmittelbar vorher Rom und wenige Linien früher Italien genannt worden war, lässt sich als wahrscheinlich entnehmen, dass er aus Italien, ja wahrscheinlich aus Rom selbst stammte. Wir sind eben in der misslichen Lage, aus der nächstfolgenden Zeit, mit Ausnahme der kirchlichen, fast aller Geschichtsquellen zu entbehren. Am ehesten dürfen wir hoffen, etwa in dem Katalog einer mittelalterlichen Klosterbibliothek unserm Castorius zu begegnen. 1) Wir haben keinen Anstand genommen, auf obige Begründung hin der Tabula den, wie wir glauben, richtigen Namen wiederzugeben, nachdem dieselbe seit drei Jahrhunderten so mannigfaltige, mit ihren zufälligen Schicksalen zusammenhängende Titel geführt hat; ja wir erkennen es als eine Forderung der Billigkeit, dass der Verfasser in seine Rechte wieder eingesetzt werde. 2)

    1) Die bisherigen Vermutungen über den wahrscheinlichen Verfasser der Tabula verdienen kaum erwähnt zu werden; so nennt z. B. Scheyb die Feldmesser Innocenz (c. 359 n. Ch.) u. Acholius (c. 255 n. Ch.); an welche man „ausser den vom Rav. citierten unbekannten Autoren“ (!) denken könne. Ein Chronist Lucius, welcher die Geschichte von Tragurio geschrieben hat (a. 1674), meinte, der Verfasser der Tabula müsse in Salona zu Hause sein, weil er die dortige Umgegend so genau kenne. Mannert vermutete den Aethicus, aber ohne einen haltbaren Grund. 2) Die Namen, welche die Tabula in der Zwischenzeit geführt hat, sind: Itinerarium Antonini (Celtis in p. Test., Peutinger im Katalog seiner Bibl.); Itinerarium Augustanum (Irenicus 1518); Tabula Augustana (Holstenius 1662); Hodoiporicum Celticum (Mich. Hammelberg epist. ad Beat. Rhen.); Charta provincialis (Beatus Rhen. 1531); Tab. antiqua (Velser, Fragm. 1591); Tab. chorographica (Moret 1598); Tab. Velseriana (Scaliger 1668); Tab. itineraria ex Peutingerorum bibl. (ed. princeps 1598); Tab. it. sous le nom de Peut. (Frèret 1743); Tab. it. militaris (Podocatharus 1809); Tab.Peutingeriana (zuerst als Unterschrift der einzelnen Segmente der ed. pr., als Titel bei Bertius 1618); Tabulate Peutingerianae (Prinz Eugen 1717); Peut. tab. itin. (Scheyb 1753); Tab. it. Peut. (Mannert 1824); Orbis antiquus (Katancich 1825); Tab. Theodosiana (Beatus Rhen., Schöpflin 1751); It. Theodosii (Häffelin 1783); Tab. geographica dicta Theodosiana (Saxius 1775); Tab. Probiana (Jordan 1745). 48 Abfassungszeit — Die drei Kaiserresidenzen.

    2. Die Zeit der Abfassung.

    Über den Verfasser wissen wir ausser dem Namen sehr wenig, doch ist es von Wert, dass ein bestimmter Name als der des Verfassers genannt wird. Denn man hat öfters versucht, das Werk als die Arbeit vieler, oder als eine offizielle Zusammenstellung, als das Werk eines Kaisers auszugeben. Scheyb (p. 30) sagt, die Karte (und zwar nach seiner Anschauung das Wiener Exemplar selbst) sei a. 393 n. Chr. auf Befehl des Kaisers Theodosius hergestellt worden; wer die Verfasser seien, sei gleichgiltig, denn es seien ja nur Schreiber und Maler um Geld gewesen. Die Karte ist jedoch ein so eigentümliches, originelles und geistreiches Werk, dass jeder Gedanke an die Vielheit der Verfasser oder an offizielle Arbeit ausgeschlossen werden muss. Wenn aber einer der Verfasser ist, dann fragen wir nach der Abfassungszeit. Äussere Nachrichten liegen nicht vor, wir sind deshalb ganz auf innere Kennzeichen angewiesen. Glücklicherweise sind solche vorhanden.

    1. Sobald wir den einheitlichen Charakter der Karte anerkennen, leuchten uns die drei Kaiserresidenzen; Rom, Konstantinopel und Antiochien so klar und bestimmt entgegen, dass wir staunen, warum dieselben so lange unbeachtet geblieben sind. d'Avezac 1852 hat zuerst sie als solche erkannt und aufgefasst und sagt ganz richtig: die Frage nach der Entstehungszeit der Karte reduziert sich auf die andere Frage: Wann sind diese drei Städte gemeinsam Residenzen gewesen? Es ist sofort klar, dass wir in das 4. Jahrhundert versetzt werden und dass für die Zeit des Probus oder Diocletian eine ungezwungene Erklärung nicht möglich ist. Die Königin des Morgenlandes, Antiochien, in dem Glänze, in welchem sie hier Die drei Kaiserresidenzen. 49 dargestellt ist, passt kaum für die Söhne Konstantins, sondern vollständig nur für die Zeit des Julian oder Valens, nicht früher und nicht später. So viel auch frühere Herrscher für Antiochien gethan haben: Julian ist der Begründer des höchsten Ruhmes und Glanzes dieser Stadt, und Valens hat ihn erhalten.

    D'Avezac sieht in den drei Herrschern die Söhne Konstantins, welche nach Konstantins Tode 337/38 neun Monate lang obige Residenzen gehabt haben sollen. Es stimmt dies aber nicht mit der Geschichte, nach welcher Konstantin und Konstans im Abendland, Konstantius im Orient herrschten.

    Desjardins glaubt in der Zeit 350/3 eine günstigere Konstellation zu finden, nachdem Konstantius Alleinherrscher geworden und als Imperator Konstantinopel zur Residenz hatte. Sein Gegenkaiser Magnentius beanspruchte das Abendland und war sogar „eine Zeit lang“ in Rom; Gallus wurde 351 von Konstantius zum Caesar erhoben mit der Residenz in Antiochien. Abgesehen davon, dass die hier behaupteten Residenzen mehr hypothetische als wirkliche waren (Konstantius residierte in Nicomedien, Magnentius war in Gallien), so entspricht das Verhältnis der drei Residenzen auf der Karte durchaus nicht dem Verhältnis dieser Herrscher. Antiochien, wo doch nach Desjardins nur ein Caesar war, wird am meisten verherrlicht, in Rom thront ein vollbürtiger Kaiser, in Konstantinopel dagegen ein minderwertiger (ohne Krone und Scepter). So durfte Konstantius nicht dargestellt werden; wenn der Verfasser dem Magnentius mit Rom schmeicheln will, so darf er den Gallus nicht über ihn stellen. Es müsste mindestens in Antiochien Konstantius selbst gesucht werden, welcher auch wirklich viel dort residierte (a. 349, 350, 353; cfr. Expos, tot. mundi), aber dann fehlen die Beziehungen der zwei anderen Residenzen.

    Ganz anders verhält es sich zur Zeit des Valens (364 bis 378) und Valentinian I. (364—375). Ersterer, Beherrscher des Orients, residiert meistens, ja von 373 an ständig in Antiochien. Valentinian herrscht im Abendland und residiert faktisch viel in Mailand, aber die nominelle Residenz, mindestens am Anfang seiner Regierung, ist Rom. Anno 367 nahm er seinen 8jährigen Sohn Gratian zum Mitregenten an, welcher aber Miller, Weltkarte des Castorius. 4 50 Die drei Kaiserresidenzen. auch abwechselnd in Gallien und Italien residierte und nach seines Vaters Tode Alleinherrscher im Abendland wurde; Gratian kann deshalb nicht als der dritte Herrscher gemeint sein. Die dritte Residenz, Konstantinopel, muss den Ausschlag geben. Dort treffen wir vom September 365 bis Mai 366 Procop, ein Geschwisterkind Julians, als Gegenkaiser. Nur a. 378 wäre noch eine Möglichkeit gegeben in dem Feldherrn Theodosius, welcher von Gratian gegen die Gothen gesandt wurde, aber noch nicht anerkannter Regent war. Unter Procop 365/6 erblicken wir die einzige Verkettung aller derjenigen Umstände, welche in den 3 Vignetten dargestellt sind.

    Der Herrscher in Rom hat die Krone auf dem Haupt, Scepter und Weltkugel in den Händen, den Schild hinter sich zur Linken ruhend und regiert im Frieden. Zur Seite steht die Basilica Ad scm. Petrum, von Konstantin d. Gr. im J. 324 erbaut, wegen ihrer riesigen Dimensionen und der Pracht im Innern von den Zeitgenossen bewundert. Valentinian regiert im Frieden, ist der orthodoxen Religion aufrichtig zugethan und Beschützer der Christen. In Konstantinopel sehen wir das Bild eines Feldherrn, den buschigen Helm auf dem Haupte, die Linke auf den Schild gestützt und die Lanze zur Seite, die Rechte ausgestreckt, um seinen Willen kundzugeben. Daneben erhebt sich eine riesige Säule mit dem Standbild eines Herrschers, welcher die Lanze in der Linken und die Erdkugel in der Rechten hält. Obwohl Konstantinopel durch seine vielen Säulen berühmt ist, so ist es doch kaum möglich, hier an eine andere Säule zu denken, als an die Konstantins-Säule, jene 30 m hohe Porphyr-Säule, Columna purpurea genannt, mit einem Schneckengang im Inneren (pervia), welche Konstantin aus Rom kommen liess und auf dem nach ihm benannten, mit Säulengängen und Statuen reichgeschmückten Forum errichtete und zum 25jährigen Regierungsjubiläum im Jahre 331 mit seiner Statue schmückte. An dieser Statue, ursprünglich einer ehernen, aus Ilium stammenden Apollo-Figur, war der Kopf neu und ein Portrait des Kaisers. In einer für Konstantin und seine Zeit charakteristischen Weise war hier Heidnisches und Christliches vermengt. Unter der marmornen Basis, ging die Sage, sei das heimlich entführte Palladium Vignette von Konstantinopel. 51 der Stadt Rom (nach anderen das Pallas-Bild von Troja) verborgen worden. Das Innere der Säule umschloss einen Teil des Kreuzes Christi; das Haupt war von einem Strahlen-Nimbus umgeben, welcher aus den 7 Kreuzesnägeln geformt worden sei. Über die Erdkugel und die Lanze ist zwar in den Berichten nichts gesagt; aber Theophanes berichtet von einem Erdbeben in Konstantinopel im September 470: globus quoque e manu statuae, quae est in foro, statua pariter magni Theodosii ..... conciderunt. Bei dem Erdbeben von 542 aber stürzte „die heilige Lanze“ auf dem Forum Konstantins von der Säule herunter. Es kann somit kein Zweifel sein, dass wirklich die Konstantins-Säule, für welche alle Einzelheiten unserer Vignette passen, hier gemeint ist; auch die Lage ad occiduam regionem, qua Romam ituris cernitur (Theoph. B. A. I. p. 42) trifft zu. Nach mancherlei Schicksalen am 5. April 1101 vom Blitz getroffen, trägt sie heute noch den Namen „die Verbrannte“. Auf diese Säule weist wohl nicht zufällig der Finger des Herrschers: der letzte Nachkomme des konstantinischen Geschlechtes erhebt Anspruch auf den Thron seines Ahnherrn! — Als Valens nach Syrien abgereist war, liess Procop im Sept. 365 sich in Konstantinopel als Kaiser anerkennen. Es kam zum Krieg mit Valens, welcher, in Caesarea weilend, flüchten musste; doch in der Schlacht bei Nacolea wurde Procop verraten und besiegt und nach 8 monatlicher Usurpation im Mai 366 von Valens auf ausgesuchte Weise hingerichtet (an den Gliedern zwischen zwei oben zusammengebogenen Bäumen aufgehängt, worauf dieselben auseinandergeschnellt wurden). Auf Münzen erscheint Procop mit dem Helm oder Lorbeerkranz.

    In Antiochien sind die Symbole des Krieges und des Friedens gepaart. Auf reichem Thronsessel sitzt der Herrscher, das Haupt mit der Krone und dem Nimbus geziert, wie es in dieser Zeit im Orient üblich geworden war; in der Rechten führt er die Lanze, denn er ist in Krieg verwickelt mit Procop; die Linke stützt er auf das Haupt eines Flussgenius, welcher aus einem Schöpfgefäss Wasser über einen lang ausgedehnten Aquaeduct giesst. Zur Seite steht ein hervorragender Tempel, von Bäumen umgeben und von Wasser 52 Vignette von Antiochia. durchflossen: der Apollotempel mit dem berühmten Lorbeerhain, in dem 5 mil. entfernten Daphne, von welchem Antiochien den Beinamen Epidaphne hatte. In diesem Tempel, welcher schon von Antiochus Epiphanes gegründet, von Julian neu hergestellt und mit neuen Reizen versehen worden war, stand eine Apollo-Statue, welche an Grösse mit dem 17 m hohen, olympischen Juppiter wetteiferte. Valens, welcher auch auf Münzen mit dem Nimbus und dem nackten Jüngling zur Seite erscheint, wird von den byzantinischen Annalisten um seiner Prachtbauten willen gepriesen. Konstantinopel und Antiochien sind gleichmässig von ihm durch grossartige Werke verschönert worden; ersteres durch einen herrlichen Aquaeduct, welcher im 3. und 4. Jahr seiner Regierung ausgeführt und sofort nach Procops Besiegung vollendet, nach Valens benannt und mit grossem Pomp eingeweiht wurde; ferner durch Gründung eines der Grösse der Stadt würdigen Nymphaeum; Antiochien durch zahlreiche und grossartige Bauten, deren berühmteste das nach Valens benannte, 371 n. Chr. vollendete Forum ist. Wo der Wildbach Parmenio zwischen den Bergen herabkommt, wurde er durch gewölbte Schwibbogen (fornicum arcuatione) so überbaut, dass sich darüber das zusammenhängende Forum ausbreitete. Auch von einem Aquaeduct über den Parmenio sind noch Reste vorhanden. Malalas (p. 339) beschreibt ferner grosse Basiliken und Bäder mit Säulen aus salonischem Marmor (cf. O. Müller, antiqu. Ant. p. 110). An sich schon ist ein Aquaeduct als Wahrzeichen für Antiochien zutreffender als für irgend eine andere Stadt; Libanius (in Antiochico p. 354 B.) u. a. rühmen den Wasserreichtum von Antiochien, welches darin alle Städte übertreffe (aquarum copiae et iucunditati omnes cedunt). Schon Caesar, Trajan und Hadrian hatten sich um die Wasserwerke von Antiochien verdient gemacht. Trajan verwendete zuerst die vorher unbenutzten daphneischen Quellen, Hadrian stellte in dem höher gelegenen Daphne ein Wasserwerk her, von welchem die gesammelten Quellen über einen Aquaeduct nach Antiochien geleitet wurden. Das Wasserwerk war mit einem den Nymphen geweihten Tempel in Verbindung. Die Leitung ging per valles confragosas, welche Agriae hiessen Vignette von Antiochia. 53 und durch Pfeiler überbrückt waren (cf. Malalas p. 278). Diese Leitung ist wohl von Valens erneuert oder verbessert worden, ehe er über derselben und auf der Überbrückung des Wildbaches sein grosses Forum mit der Säule Valentinians herstellen konnte. Der Glanz von Antiochien dauerte nicht mehr lange; der grosse Aufstand in Ant. (im 6. Jahr der Regierung Theodosius' des Grossen [387]) hatte zur Folge, dass der Vorrang als Metropole ihr genommen und — was sie am empfindlichsten traf — an Laodicea übertragen wurde; der alte Glanz kehrte nie wieder, und bald verheerten grosse Erdbeben die Stadt.

    Der Apollo-Tempel in Daphne hat durch Julian seine grösste Berühmtheit erlangt, und der Brand desselben in der Nacht des 22. Okt. 362, bei welchem die Holzverkleidung des Apollo-Kolosses ausbrannte, war ein Weltereignis, welches für die der Urheberschaft beschuldigten Christen verhängnisvoll wurde. Doch war die Fama, von Libanius besonders ausgestreut, grösser als der Schaden, wie St. Chrysostomus, welcher zu jener Zeit in Ant. studierte, versichert. Noch unter Valens drückt der Apollo-Tempel die Signatur von Antiochien aus, welche eine heidnische war (cf. Müller 108/9) und einerseits in dem Philosophen Libanius, andererseits in dem Historiker Ammianus Marcellinus verkörpert ist. Chrysostomus schätzt die Zahl der Einwohner, Kinder und Sklaven nicht gerechnet, auf 200 000, wovon die Hälfte orthodoxe Christen. Noch ist Valens Heide; erst im 4. oder 5. Jahr seiner Regierung liess er sich taufen durch den Bischof Eudoxius von Ant. (Theoph. chorogr. B. A. p. 86), er blieb aber zeitlebens Arianer und war von Anfang seiner Regierung an fanatischer Verfolger jeder orthodox-christlichen Regung.

    Wenn unsere Deutung der 3 Kaiserresidenzen richtig ist, so haben wir die Abfassungszeit, bezw. die Zeit der Vollendung des Werkes eingegrenzt in die 8 Monate des Procopius vom Sept. 365 bis Mai 366, und es bleibt zu prüfen, wie dieses Resultat zu dem übrigen Inhalt der Tab. stimmt. Wir schicken voraus, dass die älteren Autoren in überwiegender Mehrzahl die Abfassung in die Zeit der letzten römischen Kaiser versetzten (sub ultimis imperatoribus — Beatus 54 Vignetten 2. Ranges. Rhen.), nicht früher als 350 n. Chr. und nicht später als Theodosius der Grosse. Erst unserem Jahrhundert war jener Wirrwarr vorbehalten, wo fast jeder Autor eine andere Ansicht vertritt. 1)

    2. Neben den 3 Residenzen des Reiches sehen wir auf der Tabula eine Anzahl Vignetten 2. Ranges, in der Form von Festungswerken, deren Mauern mit Zinnen und einer grösseren Anzahl von Türmen versehen sind, ähnlich den in der Not. dign. und den Gromatici latini vorkommenden. Die Echtheit dieser Vignetten ist merkwürdigerweise auch von denjenigen Forschern nicht bestritten worden, welche die Haupt-Vignetten für interpoliert erklärten. 2) Nur bei Ravenna macht Desj. eine Ausnahme, indem er vermöge seiner lebhaften Phantasie hier San Vitale erkennen will und die Vignette deshalb in die Zeit Justinians versetzt; andere Menschenkinder vermögen eine Ähnlichkeit nicht zu finden. Ravenna und Aquileia (V 1 u. IV 5) 1) Eckermann setzt die erste Recension der Tab. unter Augustus, Philippi die Abfassung unter Antoninus zwischen 130 u. 150, Katancsich unter Marc. Aurel (161—180), Mannert (a. 1793) unter Septimius Severus (zwischen 202 u. 211), Mannert (1824), Eckermann, Kiepert, Baehr, Zeuss, Bender und viele andere unter Alex. Sever. (222—235), Wietersheim zw. 230 u. 270, Dahn (Urgesch. II. p. 494) um das Jahr 250, derselbe (I. p. 452) um 280, Siegert unter Aurelian (c. 270), Jordan unter Probus (c. 280), Seefried und Bernhard unter Diocletian (nach Herstellung des ewigen Friedens 291—296), Müllenhoff zw. 270 u. 370, Schmidt zw. 330 und 370, d'Avezac 337—338, Desjardins 353, Eichhorn nicht vor der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts, Sachse lange Zeit nach Konstantin — von einem Christen verfasst, Cluver unter Valentinian, Beatus Rhen. unter den letzten Kaisern, Welser, Lotter, v. Scheyb, Frèret, Burmann, v. Jaumann (»offenbar Ende d. 4. Jahrh.«), Schoepflin, Häffelin unter Theodos. d. Gr., Saxius und andere unter Theodos. d. J. im J. 435, Heurenbach in der Zeit der Exarchen in Ravenna, Meermann um das Jahr 800 (in Rom, sagt er, residiere Karl der Grosse, in Konstantinopel Irene, welche Karl heiraten wollte, in Antiochien ein Bischof). Begreiflicherweise wird von diesen Autoren je nach Bedürfnis eine grössere oder kleinere Anzahl von Bildern und Namen, welche unbequem sind, als interpoliert erklärt. Am offensten sagt Philippi (p. 16, V.): da die Tafel zu Hadrians Zeiten geschrieben worden ist, so ist klar, dass die Namen, welche in diese Zeit nicht passen, von Späteren eingefügt worden sind. 2) Philippi will sogar aus den Namen der Städte zweiten Ranges das Alter der Tabula ableiten; als ob die Vignetten zweiten Ranges beweiskräftig wären, wenn die Vignetten ersten Randes unterschoben sind? Abfassung erst im 4. Jahrhundert. 55 haben als Reichsfestungen erst im 4. Jahrh. eine hervorragende Bedeutung erlangt gegen die vordrängenden barbarischen Stämme. 1) Auf der Balkan-Halbinsel ist Tessalonicae (VIII 2) durch seine Lage an der via Egnatia wichtig geworden; dasselbe wurde um die Mitte des 3. Jahrhunderts zur Kolonie erhoben, erlangte aber erst seit der Verlegung der Residenz nach Konstantinopel eine hervorragende Bedeutung und wird von Kaiser Julian in seiner c. 356 geschriebenen 3. Rede Metropolis von Macedonien genannt. In Kleinasien ist Nicomedia (IX 2), seit Diocletian, welcher ihr erst die Rechte einer Kolonie verlieh, oftmalige Residenz der Kaiser, Nicaea (IX 2) überhaupt erst im 4. Jahrhundert bedeutend und Ancyra (IX 4) — Mittelpunkt der Hauptstrasse nach dem Orient zwischen Konstantinopel und Antiochien, nach Ammianus oftmals Aufenthaltsort der Kaiser, namentlich Julian und Jovian — hervorgehoben. Mailand und Trier, ersteres unter Valentinian, Gratian und Theodosius, letzteres besonders unter Gratian wichtig, sind nicht unter diesen Hauptvignetten.

    Was die übrigen Vignetten und Namen betrifft, so ist für Schlussfolgerungen aus deren Vorhandensein oder Fehlen die grösste Vorsicht notwendig. Namentlich folgt aus dem Fehlen eines Ortes durchaus nicht, dass derselbe zur Zeit der Abfassung nicht existiert hat, wie man so vielfach gefolgert hat. Auch aus der Namensveränderung von Orten und dem Fehlen der jüngeren Benennung hat man zu weit gehende Schlüsse gezogen; der alte Name hat sich häufig neben dem neuen erhalten und hat denselben nicht selten sogar überlebt. Wir nehmen deshalb auch für die folgenden Namen nur eine relative Beweiskraft in Anspruch. Die Städte Regino (IV 4), Arbor felix (III 5), Argentorate (III 4), Reis Apollinaris (III 1), Genua (III 5) haben auf der Tab. eine Bedeutung, die sie vor dem 4. Jahrhundert nicht hatten; Arelate (II 5) ist auf dem rechten Ufer der Rhone, wohin es erst durch Konstantin verlegt wurde (bei Ausonius [c. 370] „duplex Arelate“); Cremona (IV 3) und Comum (IV 2), beide früher bedeutend, sind 1) Aquileia war Reichsfestung seit Marc. Aurel; in Ausons »Clarae urbes« steht dasselbe an 7. Stelle, »merito recenti aueta moenibus et portu celebermira« a. 452 wurde die Stadt von Attila eingenommen und gänzlich zerstört. 56 Zeit der Abfassung. — Verh. z. Christentum. einfache Stationen; Antino (IX 3) in Ägypten ist nicht mehr von Bedeutung; die Namen Gesogiaco quod nunc Bononia (II 2), Heraclea (VIII 5) bei und neben Perintus, Caesarea in Cappadocien neben Mazaca (X 3) sind erst aus dem 4. Jahrhundert bekannt. Der Name Constantinopolis spricht in unseren Augen für die Entstehung nach dem Jahr 330, da wir für die Einsetzung desselben durch den Abschreiber keinen Grund finden können und die diesbezüglichen Behauptungen aus dem Rav. ihre Widerlegung finden.

    3. Das Verhältnis der Tabula zum Christentum weist auf nachkonstantinische Entstehung hin. Die Tabula zeigt Kenntnis des Christentums und Rücksichtnahme auf dasselbe, aber durchaus nicht christlichen Geist, sondern höchstens die Gleichberechtigung des Heidentums und Christentums. Neben vielen heidnischen Tempeln erscheint auch ein christlicher in St. Peter; die wichtigsten Kultstätten des Christentums und Judentums, die auch jedem Heiden bekannt sein mussten (Herusalem, der Ölberg, der Berg Syna, die Wüste Pharan, das durch die Kirchenversammlung von 325 berühmt gewordene Nicea), sind genannt, neben einer grossen Menge heidnischer Kultstätten. Die Bezeichnung „Ad Scm. Petrum“ ist völlig der heidnischen Form „Ad Mercurium, Ad Dianam etc.“ nachgebildet. 1) Die Bezeichnungen „Antea dicta Herusalem modo helya capitolina“, ebenso „Desertum ubi etc.“, „Hic legem acceperunt in monte Syna“ sind so altertümlich und mit dem Geiste dieser Zeit und der ganzen Karte übereinstimmend, dass an ihrer Ächtheit nicht zu zweifeln ist. Man vergleiche nur die Bezeichnungen „Hic cenocephali nascuntur“ (IX 5), „In his locis....“ und „Hic Alexander etc.“ (XII 4/5) u. s. w. Es entsprechen diese Bemerkungen auch vollständig dem Zeitcharakter, der sich in den 3 Haupt-Vignetten abspiegelt: geduldete Orthodoxie in Rom, 1) Die Bezeichnung Sanctus für die Apostel und Märtyrer ist am Ende des 4. Jahrhunderts sicher nachgewiesen, unter anderem in den Inschriften von Papst Damasus öfters wiederkehrend, hätte aber früher nachgesetzt oder durch dominus ersetzt sein müssen; die Sigla Scm. ist im 4. Jahrh. zweifelhaft, im 5. aber sicher nachgewiesen (cf. de Rossi, Roma sott. I. tav. IV. 4), die Abkürzung kann deshalb auch vom Abschreiber herrühren. Abfassungszeit. — Reichsgrenzen. 57 byzantinisches Christentum mit an Aberglauben streifendem Reliquien-Kult und sonderbarer Mischung von Heidnischem und Christlichem in Konstantinopel, heidnischer Geist herrschend in Antiochien.

    4. Die Reichsgrenzen führen uns zum gleichen Resultate.

    a. Der Rhein bildet die Grenze von dem Zurzacher Übergang bis zu seiner Mündung. Das ganze Decumatenland fehlt. 1) Solange eine Hoffnung auf Erhaltung oder Wiedergewinnung dieses Gebietes bestand, hätte ein römischer Kosmograph das rechte Rheinufer, soweit es römisch war, sicher nicht weggelassen. Hier aber ist der Rhein mit seinen Festungen so konsequent als Grenzstrom bezeichnet, dass ein Irrtum nicht denkbar ist. Es fehlt jede Spur von dem Limes, dem Neckar und Main. Keine Brücke und keine Strasse führt hinüber, und die jenseitigen Völkernamen sagen uns klar genug den Grund.

    Die Namen „Francia, Suevia, Alamannia“ deuten einen bleibenden und von den Römern anerkannten Besitzstand an. Es würde nichts helfen, das Wort Francia als später unterschoben zu erklären, wofür kein Grund vorliegt; man müsste vielmehr der ganzen Völkerliste andere Wohnplätze anweisen. Die Burcturi — es können hier nur die Burgunder gemeint sein — am Mittelrhein, die Sueven und Alamannen im Decumatenland, die Franken am Unterrhein können diese Stellungen vor der Mitte des 4. Jahrhunderts nicht einnehmen. Erst um die Mitte des 4. Jahrhunderts ist der Zustand ein solcher geworden, dass die Römer wohl zufrieden gewesen wären, wenn diese Volksstämme mit dem Rhein als Grenze sich begnügt und ihre Verheerungszüge nicht auf das jenseitige Ufer ausgedehnt hätten. Zwanzig Jahre später wäre aber auch diese Stellung nicht mehr zutreffend.

    b. An der Donau haben wir ähnliche Verhältnisse. Der obere Lauf von Rhein und Donau sind in der nächsten Linie verbunden; Oberschwaben (die Gegend nördlich vom Bodensee bis zur Donau) ist noch römisch (nach der Not. dign. ums 1) Auch wenn man die sogenannte Oberdonaustrasse, wie es üblich geworden, über Rottenburg (Samulocenis) gehen lassen wollte, bleibt diese Thatsache nahezu unverändert. 58 Abfassungszeit. — Reichsgrenzen. Jahr 400 nicht mehr). Es ist die von dem gleichzeitigen Auson Epigr. 4 geschilderte Grenze: der Danubius huldigt den Kaisern, von der kalten Quelle mitten im Schwabenland (qua gelidum fontem mediis effundo Suevis) bis zur Mündung im scythischen Pontus. Rätien hat überall die Donau als Nordgrenze, und die Armalausi, welche Diocletian im Jahr 290 von Rätien aus angriff und besiegte, sind als Grenznachbarn an der oberen Donau ansässig. Die Vanduli unter Aurelian erschienen sie zum erstenmal an der Donau — sind im bayrischen Ober- und Mittelfranken, die Sarmatae, deren Land noch Diocletian verwüstet hatte, sind bis in das Theissgebiet, das Banat am unteren Temes, Marös, Körös vorgedrungen und ihre Beinamen Vagi und Amaxobii („auf Karren lebend“; Ptolemaeus setzt sie noch im Kaukasus an!) bezeichnen hinlänglich den Charakter dieser Nachbarn.

    Nur in Dacien sind noch drei Routen jenseits der Donau festgehalten; aber der grössere Teil der ehemaligen Provinz, wie sie von Trajan bis Gallienus, bezw. Aurelian (107—274) den Römern gehörte und von Ptolemaeus, Eutrop u. a. beschrieben wird, fehlt. Jenes Dacien umfasste das Land vom Theiss bis zum Pruth, ja selbst bis zum Tyras, das ganze Temesvarer Banat, Ungarn östlich des Theiss, dann Siebenbürgen, Bukowina, ein Stück von Galizien, einen Teil der Moldau und die Walachei. Die Tabula hat nur noch die westliche Hälfte von Siebenbürgen, das von den Karpathen umgrenzte Gebirgskesselgebiet, die kleine Walachei und die kleine südwestliche Ecke von Ungarn, somit kaum den dritten Teil der einstigen Provinz. Innerhalb der einstigen Grenzen befinden sich eine Reihe barbarischer Völkerschaften, im Westen sind die Amaxobii und Lupiones, im Osten in der Moldau und Walachei zwischen Donau und Dniester die Piti, Gaete, womit ohne Zweifel die Gothen gemeint sind, 1) Dagae, Venedi. Die Annahme, dass Dacien, nachdem es von Aurelian aufgegeben worden, den Römern für immer verloren geblieben sei, findet in der Lobrede des Eumenius auf Konstantius Chlorus im Jahre 1) Dass die Gothen auch Getae genannt wurden, sagt Spartianus v. Carac. c. 10. — Nur die Hunnen (erst 375!) fehlen noch, sonst ist die Völkerwanderung in vollem Anzug. Abfassungszeit. — Reichsgrenzen. 59 296 ihre Widerlegung: „Partho ultra Tigrim redacto, Dacia restituta, porrectis usque ad Danubii caput Germaniae Raetiaeque limitibus.“ Selbst die Not. dign. im Jahr 400 zählt noch eine Anzahl römischer Festungen am linken Ufer der Donau auf.

    c. Im Orient ist die Reichsgrenze schon schwieriger aufzufinden als am Rhein und an der Donau. Das XI. und XII. Segment geben uns Mesopotamien, Persien und Indien; ersteres war wohl eine Zeit lang römische Provinz, die beiden anderen aber niemals. Die Reichsgrenze ist deshalb auf dem XI. Segment zu suchen, und sie ist nicht zweifelhaft: der Euphrat bildete die Grenze. Persida ist als Reich gross und hervorragend geschrieben, und es ist nicht denkbar, dass und warum und von wem dieser Name interpoliert sein sollte. Es existiert somit das im Jahre 226 gegründete neupersische Reich der Sassaniden, und Parria (d. i. Parthia) ist zum Überfluss noch als untergeordnete Provinz dieses Reiches genannt. Die Grenze gegen dieses grosse Reich ist auf XI 2 westlich vom Euphrat ausdrücklich angegeben in den Worten: Areae fines Romanorum, d. h. Grenze gegen das arische Reich, das Reich von Iran, mit welchem Namen schon im Altertum zunächst die östlichen Provinzen des Perserreichs, aber auch das ganze Reich zusammengefasst wurde. Besondere Beachtung verdient, dass der offizielle Titel der Sassaniden lautete: „König der Könige der Arianer“, und dass erst von den Sassaniden an die Bezeichnung „arisches Reich“ für das ganze Perserreich üblich geworden zu sein scheint. 1) In Mesopotamien werden die Entfernungen nach römischen Meilen angegeben, in Persien dagegen nach Parasangen (s. u.); wir sehen daraus, dass Mesopotamien vorher zum Römerreich gehört hatte, Persien aber nicht. Mesopotamien nimmt auf der Tabula eine merkwürdige Zwischenstellung ein; nach der Grenzbezeichnung ist es nämlich zu Iran gerechnet und doch wieder fast als dubiae possessionis behandelt. Das alles stimmt für die von uns bezeichnete Zeit, denn unter Jovian im Jahre 364 ist Mesopotamien mit seiner Hauptstadt Nisibis den Persern überlassen worden (Ammian. 25.9. Zosim. 3,33); nach der Not. dagegen — ein 1) Vgl. Mommsen, Rom. Gesch. V. 414. 60 Abfassungszeit. — Provinzeinteilung. Menschenalter später — ist es abermals römisch. Anderseits ist der Orient so ausführlich behandelt, dass man gewiss mit Recht annimmt, zur Zeit der Abfassung haben besondere Gründe hiefür obgewaltet, was für die Zeit des Julian und Valens, wo grosse Perserkriege vorausgegangen waren und vorbereitet wurden, gewiss zutrifft.

    5. Die Einteilung der Provinzen giebt uns ebenfalls Anhaltspunkte für die Abfassungszeit. Man hat öfters auf das Fehlen der Provinz Valeria in Pannonien, welche der im Jahre 305 zum Augustus ernannte Galerius gründete und seiner Gemahlin Valeria zu Ehren benannte, Wert legen wollen; man hat aber übersehen, dass an ihrer Stelle eine Media Provincia genannt wird, von welcher Rav. (IV 20) sagt: „Valeria, quae et media appellatur provincia.“ Gerade die Dreiteilung Pannoniens (in P. superior, Media provincia — mit welchem die Savia der Not. zu vergleichen ist — und P. inferior) weist, wie die Vierteilung Mösiens, auf nachkonstantinische Zeit hin. Dabei ist namentlich zu beachten, dass die Grenzen der Media sich keineswegs mit der Valeria decken, sondern, dass die Media von der inferior abgetrennt und diese Einteilung eine bedeutend spätere ist. In Mösien haben wir 1. M. superior bis Viminatio; 2. inferior (soll interior heissen!) bis zum Timacus und Naisso; 3. hier ohne Namen, sonst Moesia II bis Durostero; 4. Locide regi VIII 3, nach Tomaschek statt Loci derelicti, in der Not. statt dessen: Scythia provincia, bis ans schwarze Meer. Im übrigen gehört die Provinz-Einteilung der Tabula zu den schwierigsten Teilen derselben, verdient aber trotzdem Beachtung. Nur darf man bei der Beurteilung derselben nicht verfahren, wie Desjardins verfahren ist. Dieser zieht nämlich daraus, dass eine Anzahl augusteischer Namen vorhanden sind, den Schluss, die ganze Provinz-Einteilung und die Völkernamen stammen aus der Zeit des Augustus. 1) Die von Desjardins gegebene Zusammenstellung der Provinzlisten — obwohl sie nicht objektiv gegeben ist — zeigt trotzdem, dass die elf Regionen Italiens nach Plin. keineswegs mit den Provinzen der Tabula übereinstimmen. So heisst gleich die 1) Les onze regions d'Auguste, in Revue hist. I. 1876. p. 184 ff. Abfassungszeit. — Sprache d. T. 61 1. Region bei Plin. „Latium et Campania“; Latium wird von keiner späteren Provinzliste wiederholt und steht auch auf der Tabula nicht. Die Schreibweise der Tabula darf auch nicht unbeachtet bleiben, Volksstämme dürfen nicht als Provinzen gezählt werden. Von der Grundeinteilung des Augustus sind nicht bloss auf der Tabula, sondern in allen späteren Listen Reste und Spuren zu finden. Sonst aber stimmt die Einteilung der Tabula weit mehr mit den späteren Listen, als mit den älteren, und wir halten dieselbe für eine sehr fortgeschrittene.

    6. Die Sprache und Schreibweise der Namen weist uns auf eine relativ späte Zeit hin. Wir haben schon auf den Irrtum hingewiesen, welchen Forbiger und andere begehen, wenn sie die abweichende Schreibweise der Tabula meist als Schreibfehler erklären. Hier macht sich der Mangel eines übersichtlichen Commentars der Tabula am meisten fühlbar. Sobald die Parallelstellen gesammelt und nach ihrem Alter geordnet sind, ergiebt sich das überraschendste Bild der Transmutation der Sprache. Es ist ein besonders glücklicher Umstand, dass unsere Hauptquellen für Parallelstellen so weit auseinanderliegen, und dass Ravennas und Guido der Sprache ihrer Zeit gefolgt sind, d. h. uns die Namen so geben, wie man je zu ihrer Zeit dieselben ausgesprochen hat.

    Dieser glückliche Umstand ermöglicht es uns, die Benennung einer und derselben Stadt 1) in der augusteischen Zeit (aus den Class.), 2) dem vierten Jahrhundert (Itinerarien und Tabula), 3) im siebenten Jahrhundert (Rav.), 4) im elften Jahrhundert (Guido), 5) in der Gegenwart neben einander zu stellen. Wir kommen dabei zu dem Ergebnis, dass die Sprachweise der Tabula den Itinerarien zur Seite zu stellen und zu den spätesten Quellen des Altertums zu zählen ist. Wir greifen aus den Hunderten von Namen ein paar Beispiele heraus:

    Tilaventum (Plin.), Tiliabinte (Tab.), Tiliamentum (Paul. Diac), Taliamentum (Rav.), jetzt Taliamento.

    Sapis (Flüsschen bei Ravenna) (class.), Sabis (Tab. V 1), jetzt Savio.

    Clusius (class.), Cleusis (Tab. IV 3), Clesus (Rav.), jetzt Chiese.

    62 Abfassungszeit. — Itinerarien.

    Caesena (class.), Cesena (It., Hi., Tab.), Cesina (Rav., Gu.), jetzt Cesena.

    Aesernia (class.), Esernie (Tab.), Isernia (Gu.), jetzt Isernia.

    Cottia (It., Hi.), Cutiae (Tab.), Costiae (Rav.), Cociae (Gu.), jetzt Cozzo.

    Tibur (class.), Tiburi (It.), Tibori (Tab.), Tiburis (Gu., Steph. B.), jetzt Tivoli.

    Brentesium (griech. Autt.), Brundisium (lat. class., auch It.), Brendisium (Pt.), Brindisi (Hi., Tab.), Brindice (Rav.), jetzt Brindisi.

    Massilia (class., It.), Masilia (Tab.), Marsilia (Rav.), jetzt Marseille.

    Mons Vogesus (class.), Vosegus (Inschr.), Silva Vosagus (Tab., Venantius Fort., Greg. Turon.), jetzt les Vosges (vgl. Wasgau), oder Vogesen.

    Sehr viele Worte zeigen, wie weit die Tabula von der classischen Benennung und Sprache entfernt ist. Wir nennen als Beispiele: Vesontine (III 1), Fano Furtunae (V 2), Vibona (so heute noch) Balentia (VII 2), Lamasco (statt Lampsaco — IX 2), Nemuso (II 4 — sonst Nemausus), Igaeum mare (VII 1, 2 statt Ägaeum), Isteria (V 1 statt Istria), usque hic legas (II 5), Helya, Herusalem und Herichonte (X 1), Laudiciae (X 4), Persida (XI— XII), Elumei Persi (XI 5), Herasicamina (IX 1), Pompeis (VI 5), Cesiphun (XII 1 statt Ctesiphon) u. s. w.

    7. Die Tabula ist das fortgeschrittenste und vollendetste Itinerarinm. Wir besitzen etwa zehn uns erhaltene römische Itinerarien. Wohl kein einziges derselben ist vor dem Ende des 3. Jahrhunderts abgefasst. Viel früher gab es Itinerarien im Orient; für die grossen Karawanenrouten waren sie sehr früh ein Bedürfnis. In Indien waren schon nach Strabo (p. 689 und 708) und Ariann. (Ind. c. 3) Heerstrassen gezogen, und alle 10 Stadien Wegsäulen mit Angabe des Namens und Abstandes der Stationen errichtet. Von Persien haben wir ähnliche Nachrichten. Im römischen Reich wurde zwar oft der Anlauf genommen, die Strassen mit regelmässigen Miliarien zu versehen, aber zur allgemeinen Durchführung auch nur für die Hauptstrassen ist diese Einrichtung im Römerreiche Abfassungszeit. — Itinerarien. 63 niemals gekommen. Es waren stets nur wenige Strassen, welche den Reisenden diese Annehmlichkeit boten, und auch auf diesen nur vereinzelte Steine mehr als Denk- und Ehrensteine, denn als Meilenzeiger gesetzt. 1) So fehlte die solide Grundlage für Itinerarien. Die viel besprochene Reichsvermessung des Augustus beabsichtigte etwas ganz anderes als Reiserouten; sie diente der Kartographie, welche fast ausschliesslich griechischen Gelehrten oblag und nach wirklichen und richtigen Karten strebte. Die Itinerarien sind aus den Aufschreibungen von Reisenden verschiedener Art (Kaufleuten, Beamten, Militärs), somit aus dem praktischen Bedürfnis hervorgegangen; sie wurden von solchen gesucht, welche eine grössere Reise antreten wollten oder mussten. Wir zweifeln durchaus nicht, dass es in den beteiligten Volkskreisen schon sehr frühe, fast zu jeder Zeit vorkam, dass der welcher eine Reise machen sollte Vorgänger suchte und sich von solchen die Orte, Entfernungen, Herbergen angeben liess und notierte. 2) Es ist jedoch noch ein weiter Schritt von solchen dem Privatinteresse dienenden Notizen bis zu den Itineraria publica, wie sie z. B. an öffentlichen Säulen auf den Marktplätzen von Tongres, Bavay, Autun uns begegnen. Nach solchen sucht man vergeblich in früherer Zeit. Die erste Sammlung solcher Aufzeichnungen, welche auf uns gekommen ist, ist das Itinerarium Antonini, zur Zeit Diocletians circa 300 verfasst; dasselbe zeigt noch allzudeutlich die Mängel einer Erstlingsarbeit: 3) viele Routen sind doppelt, ja manche drei- und vierfach vorhanden 1) Vgl. Berger, die Heerstrassen des römischen Reiches. II. Progr. Berlin 1883. 2) So war es vor der Zeit der Eisenbahnen bei dem katholischen Landvolk allgemein üblich (wovon dem Verf. zahlreiche Beispiele bekannt sind), dass Wallfahrer »Itinerarien« auf die Reise mitnahmen, aber auch solche anlegten und für nachfolgende zurückbrachten; aber in die Öffentlichkeit ist von dieser Art von Itinerarien sehr wenig gelangt, weil sie (abgesehen von den Itineraria terrae sanctae, nach Rom und dgl.) kein allgemeines Interesse darboten. 3) Ein solcher Sammler war auch Marcianus Heracleota, welcher um 330 n. Ch. die Itinerarien des Orients und Occidents sammelte und Itineraria pedestria et maritima zusammenschrieb. S. Vet. Geogr. Script. Graeci ed Dodw. t. 2 p. 143. 64 Abfassungszeit. — Itinerarien. (besonders am Rhein, in Rätien und in Pannonien). Wenn die Zahlen und die Namen der Zwischenstationen nicht übereinstimmten, konnte der Sammler nichts Besseres thun, als beide Aufzeichnungen unverkürzt wiedergeben und den Leser selbst wählen lassen. Andererseits bleiben trotz des sichtlichen Strebens nach Vollständigkeit grosse Länderstrecken und ganze Provinzen völlig unberücksichtigt (z. B. das westliche Frankreich, Griechenland, die südwestliche Hälfte von Kleinasien). Der Grund dieser Lückenhaftigkeit mag zum Teil in dem Mangel an Material liegen, aber noch mehr darin, dass die Übersicht fehlte und deshalb die Lücken nicht fühlbar waren. Beide Mängel konnten und mussten gehoben werden, sobald man angefangen hatte, die Routen zu zeichnen und dadurch eine Übersicht herzustellen. So entstanden die Itineraria picta, von welchen bei den alten Schriftstellern zum erstenmal am Ende des vierten Jahrhunderts die Rede ist, und welchen naturgemäss die Itineraria scripta oder adnotata hatten vorhergehen müssen. 1) Von diesen Itineraria picta ist nur ein einziges uns erhalten, zugleich das vollendetste von allen: unsere Tabula. Hier sind alle doppelten Routen ausgemerzt, und kein grösserer Distrikt im ganzen römischen Reich ist leer geblieben. Offenbar war ein grösserer Zeitabschnitt — mindestens ein bis zwei Menschenalter — notwendig, bis eine solche Vollendung erreicht werden konnte. Im Zusammenhang mit diesem Fortschritt steht der grosse Aufschwung, welchen das römische Postwesen im 4. Jahrhundert n. Chr. genommen hat, bis zu seiner höchsten Entwickelung, die im codex Theodos. gipfelt.

    Wir befinden uns mit diesen Sätzen in voller Übereinstimmung mit den Nachrichten der alten Schriftsteller.

    Erst am Ende des vierten Jahrhunderts begegnen wir 1) Grün sagt (pag. 345) ganz richtig über die Beziehungen des Itin. Ant. und der Tabula: »Eines weist auf das andere hin, oder besser, eines postuliert das andere. Jedenfalls jedoch war unsere Tafel, als ihre Existenz noch etwas ganz Unbekanntes war, ein viel entschiedeneres logisches Postulat zum It. Ant., als dies umgekehrt je hätte der Fall sein können.« Wie kann aber die Tafel dann als »logisches Postulat« zum It. Ant. älter sein, als das letztere? Verlangt die Logik nicht das Gegenteil? Abfassungszeit. — Itineraria picta. 65 Zeugnissen, welche sicher auf Itineraria picta zu beziehen sind.

    1. Vegetius schreibt nach Gratians Tode, auf Befehl des Kaisers (wohl Theodosius) zur Instruktion für den 15jährigen Valentinian II. in der Epitome de re militari, der sorgsamere Feldherr müsse die Itinerarien der Provinzen non tantum adnotata sed etiam picta bei sich haben, und den Abmarschierenden sichtbar vor Augen zeigen können.

    2. S. Ambrosius († 397) schildert in dem Commentar zum 118. Ps. V. 5. den Marsch des Soldaten nach der Anweisung des Feldherrn, welcher ihm das Itinerarium in die Hand gegeben und bestimmt hat, wo er jeden Tag sein muss und in welcher Stadt er je am vierten Tag zu rasten hat.

    3. S. Hilarius Pictaviensis († 368) hatte ebenfalls die Itinerarien vor Augen.

    4. Jornandes de reb. get. spricht gleich im Eingang von Erdbeschreibungen, wo man jetzt sogar die Meilenzahl abmesse, was wohl auch hieher bezogen werden kann.

    Jene Karte in dem Porticus des Schulhauses von Augustodunum (Autun), von welcher in dem Panegyricus des Eumenius im Jahre 298 n. Chr. die Rede ist, und welche zur Instruktion für die Schuljugend diente, ist sicher nicht identisch mit unserer Tabula, denn von dieser hätte er nicht sagen können „nihil in orbe videmus alienum“, und auch die connexa Rheni cornua zeigt sie nicht. Wohl aber passt alles, was über jene Karte gesagt wird, auch auf jede andere Wandkarte, und es ist anzunehmen, dass zum Unterricht in der Geographie nicht eine Routenkarte, sondern eine richtige geographische Karte — solche existierten ja — verwendet worden ist. 1)

    Man pflegt den Lampridius 2) als den ersten zu nennen, 1) Es ist beachtenswert, dass in Autun ums Jahr 1705 ein Marmorpilaster aufgefunden worden ist, welcher eine Itinerarroute (Mailand-Rimini) und die Provinzen Italiens enthielt. Leider ist derselbe bald nachher in das Fundament einer Klostermauer daselbst verwendet worden, ohne dass sein Inhalt zuverlässiger bekannt geworden ist. Zur fraglichen Weltkarte selbst kann der Pilaster seiner Form nach nicht gehört haben; seine Existenz neben der Karte spricht deshalb dafür, dass die Weltkarte nicht so detailiert war, dass spezielle Routen neben ihr unnötig gewesen wären. 2) V. Alex. Severi c. 45 (Hist. Aug. I. pag. 282. ed. Teubn.). Miller, Weltkarte des Castorius. 5 66 Abfassungszeit. — Sedulius. welcher von einem durch Alex. Severus hergestellten, das ganze Reich umfassenden Itinerarium rede. Diese Deutung seiner Worte geht aber viel zu weit; richtig ist nur so viel, dass die Äusserung des Lampridius die Kenntnis von Itinerarien voraussetzt; aber wir dürfen nicht vergessen, dass dieselbe hundert Jahre nach Alexander, unter Konstantin dem Grossen, nach dem Jahr 324 geschrieben worden ist, somit in einer Zeit, wo die Itinerarien längst gesammelt und Gemeingut waren. Die ganze Vita Alexandri von Lampridius ist eine übertriebene Lobrede. Wir dürfen deshalb auch seine Angabe, dass Alex. Sev. die Reisemärsche für seine Feldzüge schon zwei Monate vor der Abreise öffentlich bekannt gegeben und ausgehängt habe, 1) nicht wörtlich nehmen, sondern in einen nüchternen Satz übersetzt nur festhalten, dass Alexander sein Reise- und Kriegsprogramm möglichst früh entworfen und nicht geheim gehalten habe.

    Wie wir hiernach die für eine frühere Abfassungszeit als das 4. Jahrhundert angeführten Schriftstellen nicht als beweisend anerkennen konnten, so können wir auch das für eine spätere Zeit ins Feld geführte, vielgenannte Epigramm des Sedulius 2) nicht auf unsere Tabula oder höchstens auf eine Abschrift beziehen. Der Presb. Sedulius lebte unter Theodosius dem Jüngeren. Seine 12 Verse „de divisione orbis terrae imperante Theodosio conscripti anno XV“ sind aus dem über missorum Theodosii uns erhalten. Darnach gab der Kaiser Theodosius im 15. Jahr seiner Regierung den Auftrag, die Provinzen des Erdkreises nach Länge und Breite zu vermessen. Irrtümlicherweise wurde dieser Befehl Theodosius dem Grossen zugeschrieben und in das Jahr 393 angesetzt, während er auf Theodosius den Jüngeren und das Jahr 423 zu beziehen ist. Die hier fragliche Reichsvermessung hat mit unserer Tabula so wenig zu schaffen, als die unter Augustus erfolgte; so wichtig dieselbe für eigentliche Karten 1) »Illa die, illa hora ab urbe sum exiturus et in prima mansione mansurus, deinde per ordinem mansiones, deinde stativae, deinde ubi annona esset accipienda.« 2) Anthologia vet. lat. — ed. Burmann 1773. II. pag. 391. sq.; — ed. Meyer Lipsiae 1835. I. pag. 108. Abfassungszeit. — Quellen. 67 sein mochte, so konnte sie doch unserer Tabula in keiner Weise als Grundlage dienen, weil das hierfür nötige Material ganz anderer Art war. Wenn daher das Epigramm schildert, wie die beiden famuli Theodosii eine herrliche Weltkarte herstellen — dum scribit, pingit et alter | Mensibus exiguis, veterum monumenta secuti, | In melius reparemus opus —, so können wir darin doch keinen Beweis finden, dass sie eine Itinerarkarte gemalt haben.

    Wir haben die Frage der Abfassungszeit ausführlicher behandelt, weil dieselbe für den Gebrauch und die Deutung der Tabula oft von ausschlaggebender Wichtigkeit ist. Wir kommen auf verschiedenen Wegen stets zu dem gleichen Resultat, der Abfassung nach Konstantin, vor Theodosius, in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts, übereinstimmend mit dem aus den 3 Hauptvignetten erschlossenen Jahr 366; wir haben in Castorius einen Zeitgenossen des Ausonius, Ammianus Marcellinus, Sextus Rufus Avienus, Marcianus, Vegetius, Vibius Sequester, Julius Valerius, Julius Honorius, Innocens und Alypius, der Expositio tot. mundi und der Veroneser Völkerliste, des hl. Hieronymus; er ist einer der letzten römischen Profanschriftsteller.

    3. Die Quellen des Castorius.

    a) Die augusteische Karte.

    Die älteren Autoren gehen von der Anschauung aus, dass der Tabula eine Reichsvermessung zu Grunde liege. Fast alle sind darin einig, dass in erster Linie die Reichsvermessung unter Caesar und Augustus, deren Ergebnis in den Werken des Agrippa niedergelegt ist, das Material geboten habe. Man streitet aber darüber, ob eine spätere neue Vermessung unter Hadrian, Alexander Severus oder Theodosius (aus Missverständnis des Sedulius), oder nur eine Revision jener ersten Vermessung hinzugekommen sei. Da für eine zweite Reichsvermessung feste Anhaltspunkte fehlen, so bleibt nur die augusteische näher zu prüfen.

    Julius Caesar — berichtet Strabo 4, 3, und noch ausführ, licher Aethicus im Eingang seiner Kosmographie — liess durch 3 (nach anderen 4) Geometer den römischen Erdkreis 68 Quellen d. C. — Agrippa. vermessen, wozu dieselben 21, 29 und 32 Jahre brauchten. Wir erfahren ferner von einem dreimaligen census populi (Steuereinschätzung) anno 28 und 8 vor und 14 nach Chr. Sicher ist, dass der erste Zweck dieser Aufnahmen ein fiskalischer war; 1) wahrscheinlich ist, dass ein geographischer Zweck mit der „Vermessung“ verbunden worden ist; für durchaus irrig aber halten wir die Ansicht, dass diese Vermessung detailierte Zahlen ergeben habe von der Art, wie die Itinerarien sie uns bieten.

    Das wissenschaftliche Ergebnis der Vermessung ist in 2 Werken niedergelegt: 1. in der Karte, 2. in dem Buche des Agrippa.

    Die Karte des Agrippa († a. 12 v. Chr.) wurde von ihm, bezw. seiner Schwester Polla begonnen im Jahre 12 v. Chr., von Augustus — ex destinatione et commentariis Agrippae — nach dem Jahre 7 n. Chr. vollendet; sie stellte in dem Porticus Pollae auf dem Marsfelde den Erdkreis zur Beschauung dar („orbem terrarum urbi spectandum proposuit“). 2) Wir sehen aus Plin., dass diese Karte grosses Ansehen genoss: Agrippam errasse, quis credat? Das Buch — libri oder commentarii Agrippae — ist uns nicht erhalten. Man glaubt, dass es ein Commentar zur Wandkarte gewesen sei und diese ergänzte. Der Inhalt dieses Buches wird erschlossen

    a) aus den Fragmenten, welche Plinius giebt; dieser hat aber die Maasse aus griechischen Quellen entnommen, weshalb wenig Sicheres aus ihm zu entnehmen ist. Nach Fragment 2, 31, 35 enthielt das Werk des Agrippa den bekannten Erdkreis, in „gewisse“ Provinzen abgeteilt, ihre und der Inseln Grenzen, nach den vier Himmelsgegenden beschrieben, ferner die Länder und Inseln nach Länge und Breite ausgemessen, die Entfernungen der Orte und Inseln unter sich und vom nächsten Lande in römischen Meilen angegeben, und endlich einige kleine notulae. Die Beschreibung hielt sich demnach in einem sehr allgemeinen Rahmen, und wir können Partsch 1) In den Gromatici latini wird von Balbus ausdrücklich gesagt, er habe die lex agraria nach der Verschiedenheit der Provinzen unterschieden und festgesetzt. 2) Plin. h. n. III. 3. 13; Dio Cass. LV. 8. Quellen d. C. — Agrippa. 69 und Riese nicht folgen, wenn sie in derselben eine Art Itinerarium sehen.

    b) Aus dem Chorographus, welchen Strabo 6mal citiert und welcher grosses Ansehen genoss. Seine Zahlen sind in römischen Meilen gegeben, er enthält aber ausser einer Rundreise auf Sicilien nur die Vermessung von Inseln und Ländern im Grossen, wie solche für Herstellung einer grossen Landkarte notwendig ist. 1) Dieser Chorograph war ein Römer und wird nur in Italien und der Nachbarschaft citiert.

    c) Aus Orosius und der Dimensuratio prov., welche beide aus dem Chorographen schöpfen sollen, was jedoch keineswegs bewiesen werden kann.

    Nimmt man alle Fragmente aus dem Buche des Agrippa zusammen (Philippi zählt deren 31 auf), so kann die Hälfte auf griechische Quellen zurückgeführt werden; der Inhalt ist alles weniger als ein Itinerar; er giebt nur die Ausdehnung der Provinzen und Meere, die Entfernungen der Inseln u. dgl.; ja von einer neuen Vermessung durch Agrippa ist keine Spur zu finden, derselbe ist vielmehr bloss compilator und hat seine Zahlen aus einem griechischen Schriftsteller zusammengeschrieben. Zwischen den 62 Zahlen des Agrippa und den Zahlen der Tabula und der Itinerarien besteht keine Beziehung oder Verwandtschaft; wenn Partsch die Zahlen der Itinerarien summierte, um Übereinstimmung zu finden, so ist schon diese Methode der Beweisführung unannehmbar, die Resultate aber sind so allgemein, dass sie nichts beweisen.

    Was wissen wir nun aber von der berühmten Karte des Agrippa im Porticus Pollae? Noch weniger als von dem Commentar des Agrippa. Ob die Karte rund (Mommsen 1851), oblong-rundlich (Müllenhoff, weil „orbis“), viereckig (Detlefsen), oder langgestreckt (Mannert, Ritschi, Riese) gewesen? Ob sie mit Indien (Müllenhoff und Partsch) oder mit Spanien (Schweder) begonnen hat? Mommsen weiss, dass sie jedenfalls sehr schön gemalt, leicht zu sehen und angenehmen Anblicks war; Häffelin malt das von Plinius bewunderte, majestätische Werk 1) Z. B. von Brundusium bis zum Garganum 165 Meilen, Sardinien sei 220 Meilen lang, 98 Meilen breit; die nächste Überfahrt von Sardinien nach Afrika sei 300 Meilen. 70 Quellen d. C. — Agrippa. noch weiter aus: alle Distanzen seien hier im richtigen Verhältnis eingetragen, und vermutlich sei das ganze Werk in Mosaik ausgeführt gewesen. Diesem Werk gegenüber sei die Tab. Peut. Stümperwerk, von äusserst ungünstigem Eindruck, dem verkommenen Geschmack der späten Zeit entsprechend.

    Wir können die Ansicht nicht teilen, dass zwischen dem Commentar und der Karte des Agrippa ein so grosser Unterschied gewesen sei. Sonst pflegt der Commentar die Zahlen und Details zu ergänzen, welche sich auf der Zeichnung nicht oder schwer anbringen liessen. Hier soll es umgekehrt sein. Der Commentar enthielt nach Mommsen (Leipzig. Ac. 1851, p. 103) keine Spur von Strassenzügen, wohl aber Meere, Gebirge, Völker, Städte und die Länge des Laufs der Flüsse; die Strassen und ihre Länge fand man auf der Karte, die der Flüsse nicht. Diesen letzteren Satz müssen wir bezweifeln. Wenn die Karte wirklich so detailiert gewesen wäre und alles in richtigem Verhältnis enthalten hätte, so wäre ein Commentar, wie wir oben den des Agrippa kennen gelernt haben, überflüssig gewesen, er hätte sich einem solchen Werke gegenüber kleinlich ausgenommen. Wir glauben deshalb nicht, dass die Karte mehr enthalten hat, als die obige Inhaltsangabe in den Fragmenten entnehmen lässt; denn man pflegt in einer Inhaltsangabe eher zu viel als zu wenig zu sagen. — Der Einfluss der augusteischen Karte auf die Folgezeit wird ebenso überschätzt. In der „späteren“ (sic!) Kaiserzeit, glaubt Mommsen, sei gewiss keine auf Bildung Anspruch machende Stadt ohne eine solche öffentliche Wandkarte gewesen; ebenso häufig seien verkleinerte Nachbildungen auf Papier oder Leinwand, in Schulen, für Reisende hergestellt worden. Alle mittelalterlichen Karten sollen auf dieses Prototyp zurückgehen.

    Ernstlich kann die augusteische Karte als Quelle des Castorius nur in Bezug auf den physikalischen Teil seiner Erdkarte in Betracht kommen. Desjardins hat es versucht, den Beweis dafür anzutreten, dass die Provinzeinteilung und die Namen der Völker und Landschaften, sowie der Flüsse und Berge der augusteischen Karte entnommen seien. 1) In diese 1) Les onze régions d'Auguste in der Revue historique 1. Paris 1876. p. 184—202. Quellen d. C. — Agrippa. 71 Karte sei das Strassennetz des 4. Jahrhunderts eingetragen worden. Den Hauptbeweis, dass die Provinznamen vo (Falsch oder Fehlstelle?) in der Tabula den elf Regionen des Augustus, deren Liste Plinius giebt, entsprechen, sehen wir für misslungen an. Die Tabelle, welche Desjardins (p. 190/1) giebt und in welcher er die uns erhaltenen Provinzverzeichnisse nebeneinander stellt, beweist das Gegenteil von dem, was sie beweisen sollte, nämlich viel grössere Übereinstimmung mit den Listen des 4. Jahrhunderts, als mit der des Plinius. Dazu kommt, dass die Unterschiede der Schreibweise der Tabula nicht ohne weiteres missachtet werden und alle Provinznamen gleich gross und fett gedruckt werden dürfen, wie Desjardins gethan hat. Auch ist es sehr bequem, das Nichtpassende für später eingeschoben zu erklären (so Desjardins für Media prov. — statt Raetia, und Francia). Dass unter den Provinzen Galliens die Germaniae fehlen, sei augusteisch; aber neben den vier alten, grossen Provinzen gab es keine „Patavia“, der Platz, der die Germaniae enthält, ist leer geblieben und der Name nur vom Verfasser oder Abschreiber vergessen worden. Wir wollen nicht bestreiten, dass in diesen Namen Altes und Neues vermengt ist, sehen aber die Annahme von Desjardins für zu weitgehend an; nicht einmal für die phys. Geographie der Tabula ist der Beweis erbracht, dass die Karte des Agrippa zu Grund gelegt sei.

    b) Andere Karten des Altertums.

    Abgesehen von der augusteischen Karte, greift man auf alle nachweisbaren Wandkarten des Altertums — von Servius Tullius an — zurück, welche als Vorbild gedient haben sollen. Hecataeus (500 v. Chr.) hat die Weltkarte auf einer ebenen Tafel verzeichnet. Archimed hat, nach Ovid, in der Burg von Syrakus dieselbe auf einem Globus dargestellt. Im Lyceum zu Athen war, nach Diogenes v. Laërte, eine Weltkarte an der Mauer aufgehängt, wie weitblickende Forscher wissen, war sie „jedenfalls auch gemalt“. Um den übermütigen Alcibiades zurechtzuweisen, führt ihn Sokrates vor die Weltkarte hin und fordert ihn auf, ihm seine Besitzungen zu zeigen; „sie sind nicht verzeichnet“, muss Alcibiades antworten; „du 72 Quellen d. C. — Alte Karten. rühmst dich“, erwidert ihm Sokrates, „eines Besitzes, welcher nichts auf der Erde ausmacht“. 1) Alexander verwendete für die Kartographie die aufgeklärtesten und geschicktesten Leute seiner Zeit; auf allen Reisen hatte er zwei Geographen zur Seite, welche seine Routen bestimmten und durch Anweisung leichter Passagen und vorteilhafter Stellungen ihn zu seinen Siegen führten; Plinius citiert und benützt dieselben bei der Beschreibung von Indien. Die Könige von Ägypten, besonders Ptolemaeus Philadelphus, entsandten Gelehrte in die entferntesten indischen Länder zu geographischen Aufnahmen. Nach Partsch sollen bei den Römern schon zu Polybs Zeiten (120 v. Chr.) Itinerarien im Gebrauch gewesen sein! König Juba von Mauretanien hatte eine Karte; Varro (37 v. Chr.) erwähnt in pariete pictam Italiam. Bei Propertius (c. 16 v. Chr.) sagt Arethusa: cogor et e tabula pictos ediscere mundos. Vitruvius (14 v. Chr.) spricht von einer Weltkarte, auf welcher aber alle Flüsse — auch der Nil — von Norden kommen. Das Mosaik von Praeneste, wohl aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., stellt ein Stück von Ägypten dar. Merkwürdig und unklar ist die von Sueton und Dio Cassius berichtete Angabe, wonach unter Kaiser Domitian ein Metius Pompusianus hingerichtet worden ist, unter anderem aus dem Grunde, weil er eine Weltkarte — depictum orbem terrae in membrana — mit sich herumgetragen habe. Daraus möchte man schliessen, dass noch im 2. Jahrhundert Landkarten nicht publici juris gewesen seien. 2)

    Auf alle diese verlorenen und ihrem Inhalte nach uns unbekannten Karten hat man zurückgegriffen, weil die erhaltenen Karten der griechischen Geographen nicht als Quelle der Tabula gedient haben und keinerlei Beziehungen zeigen. Die Karte des Castorius stellt einen zu allen bekannten 1) Horum possessione te effers, quae nnlla sunt pars terrae? 2) Verschiedene Autoren gefallen sich in der Ausmalung dieses Gedankens, dass die Weltkarte von Augustus an von den Kaisern geheim gehalten, »in den geheimsten und entlegensten Gemächern des kaiserlichen Palastes aufbewahrt wurde und nur den Feldherrn zugänglich« war. Und doch soll andererseits die jedermann öffentlich zugängliche Karte des Augustus im Porticus Pollae alle denkbaren Einzelheiten enthalten haben! Quellen d. C. — Itinerarien. 73 Karten gegensätzlichen Typus dar und man sucht vergeblich nach Analogien in früherer Zeit. Allen bekannten Karten liegt die Absicht und der Wille zu Grunde, die wirklichen Verhältnisse der Erdteile und der Länder darzustellen. Die hier vorliegende Manier sucht man vergeblich früher, als die Itinerarien in ausgedehnten Gebrauch gekommen waren. Wir dürfen deshalb als Quelle für Castorius nicht ein Vorbild suchen, das er nachgeahmt, sondern haben nur zu fragen, woher hat er das Material? Weitaus den wichtigsten Teil desselben bilden die Itinerarien. Diese mussten gesammelt werden. Die Hauptfrage ist nun, ob diese Sammlung offiziell oder Privatarbeit war? Wir sehen in der Arbeit aus mehreren Gründen eine Privatarbeit, doch in der Weise, dass dem Verfasser die öffentlichen Quellen und die Unterstützung durch die Beamten zu Gebote standen. Wir schliessen das zunächst aus der Vergleichung mit den anderen Itinerarien. Es steht ja fest, dass das Itinerarium Antonini mit dem Kaiser Antoninus nichts zu schaffen hat, sondern eine unter Diocletian entstandene Sammlung von Reiserouten ist. Beide (Tab. und It. Ant.) haben vor den übrigen Itinerarien nichts voraus; sie sind weder vollständiger noch zuverlässiger, noch beruhen sie auf einer besonderen Messung, sondern jede Route und jeder Komplex von Routen ist für sich zu beurteilen, und die Glaubwürdigkeit richtet sich nach der Zuverlässigkeit des Aufschreibers. Daher ist es zu erklären, dass manche Routen auf die Meile genau mit der wirklichen Entfernung stimmen, während andere offenbar fehlerhaft und ungenau sind (z. B. Basel — Strassburg); dass manche Routen detailieren und fast alle Mansionen angeben, andere dagegen nach Tagemärschen zählen und wieder andere noch weiter generalisieren. Eben daher kommt es auch, dass trotz der oben gerühmten relativen Vollständigkeit doch eine wirkliche Vollständigkeit, welche wenigstens alle bedeutenden Städte (Kolonien) enthalten würde, nicht vorliegt. Was ausserhalb der zufällig gerade vorliegenden Route lag, ist übergangen. Bei einer offiziell veranstalteten Zusammenstellung hätte dies nicht vorkommen dürfen und hätten überhaupt mehr allgemein giltige Grundsätze zur Durchführung gelangen müssen, als es in Wirklichkeit geschehen ist.

    74 Quellen d. C. — Anachronismen.

    Die Hauptquellen bildeten deshalb für Castorius einzelne geschriebene Itinerarien. In manchen Fällen sind es die gleichen Quellen, aus denen das It. Ant. schöpfte oder dieses selbst. Gewöhnlich jedoch hat Castorius andere Quellen. Viele der Mitteilungen mag er aus der Hand der Reisenden selbst bekommen haben; im allgemeinen aber war er doch offenbar auf längst schon geschriebene Routen angewiesen. Man wird nicht zweifeln, dass er neue und besonders neu kontrollierte Itinerarien vorgezogen hat; wo aber solche fehlten, musste er zu älteren greifen, und dass dieses bei der enormen Ausdehnung seiner Karte oft der Fall war, lässt sich denken. Bei allem Streben, zeitgemäss zu sein, war es unvermeidlich, dass auch manches mitunterlief, was seiner Zeit nicht mehr entsprach. Es fehlt thatsächlich nicht an Anachronismen, welche man oft als Beweise für eine frühere Entstehungszeit angeführt hat. Als solche nennen wir zuerst Pompeii, Herculanum und Stabiae (VI 4/5); diese hat Castorius offenbar mit Wissen aufgenommen und das erstere als Kolonie gezeichnet; man könnte fragen, ob nicht über den verschütteten Stätten neue Wohnplätze sich gebildet haben, jedenfalls aber war die Lage dieser Orte noch wohlbekannt und sie durften schon wegen ihrer geschichtlichen Bedeutung nicht übergangen werden. Ferner wird Palmyra (X 5) noch als bedeutende Stadt aufgeführt, welche sich nach der Zerstörung durch Aurelian nie mehr aus den Ruinen erhoben haben soll; wir möchten das letztere bezweifeln; wenn es auch seine frühere Bedeutung nicht mehr erlangt hat, so ist doch seine Lage in der syrisch- arabischen Wüste so wichtig, dass eine neue Ansiedlung entstehen musste. Übrigens deuten die Worte Fines exercitus syriaticae (XI 2) wohl keine anderen als Aurelians Feldzüge gegen Zenobia an. Die Stadt Seleucia (XI 4) existierte nicht mehr im 4. Jahrhundert, und Julian sah nur noch im Sumpfe ihre Ruinen; daneben aber war ein Ort Coche, quam Seleuciam vocant (Ammian). Hatris (XI 5) ist nach Ammian im 4. Jahrhundert bereits zerstört. Die Entfernung von Spasinucara (sonst Charax Spasinu XII 1) vom Meere mit zehn Meilen war schon zu Plinius' Zeiten nicht mehr richtig. Cottii regnum, das Reich des romanhaften Alpenkönigs, unter Quellen d. C. — Zweck d. T. 75 Augustus gegründet, unter Nero vernichtet, wird auch unter den Anachronismen aufgezählt. Doch finden wir bei Namen von Völkern und Landschaften diese Bezeichnung viel weniger zutreffend; im vorliegenden Fall hat der Name des Cottius sich in dem Namen des Passes bis ins 4., und in dem der Alpen bis in die Gegenwart erhalten. Cirta in Numidien (III 5) erhielt unter Konstantinus den Namen Constantina; Hostizo in Thracien (VIII 3) hiess von Konstantinus an Nice; Andarado (X 3) hiess Constantia; Edessa (VIII 1 m.) hiess wenigstens eine Zeit lang Diocletianopolis; Porsulis (VIII 4) hiess bei den späteren Schriftstellern (It., It. Hieros., Ammian, Hierocl., Procop.) gewöhnlich Maximianopolis, doch kommt daneben auch der alte Name noch vor (It., Rav.). Hier sind von allen diesen Städten noch die alten Namen gegeben.

    Welche Quellen für die einzelnen Routen und für detailierte Angaben benützt sein können, muss im speziellen Teil erörtert werden. Wir begnügen uns, hier zu bemerken, dass wir ausser den Itinerarien keinen bekannten Autor des Altertums zu nennen wüssten, welcher in irgend ausgedehnter Weise als Quelle hätte dienen können. Tomaschek 1) versucht bezüglich Persiens nachzuweisen, dass ein Itinerar aus der Zeit der Seleukiden, etwa des Antiochus III., zu Grunde gelegt worden sei. Es ist wohl denkbar, dass Castorius, wenn er das Perserreich in seine Karte aufzunehmen hatte, zu alten Quellen die Zuflucht nehmen musste; doch wagen wir nicht, über obige Aufstellung ein bestimmtes Urteil abzugeben. Wenn Tomaschek (p. 201) sagt, die Wegverbindungen seien in der Tabula vielfach unterbrochen und zerrissen und nur die Kritik sei im stände, das Urbild des griechischen Itinerars wiederherzustellen, aus welchem auch Plinius geschöpft habe, so giebt er mit seinen eigenen Worten Zweifeln an der Richtigkeit dieser Hypothese Raum.

    4. Zweck und Bedeutung der Tabula.

    Es gilt hier zunächst festzustellen, dass der Verfasser nicht eine wirkliche Karte hat geben wollen. Aus solch' irrtümlicher 1) Zur hist. Top. von Persien in d. Wiener Sitzungsberichten phil. hist. CI. CII. I. p. 145. 76 Zweck d. T. Meinung ist die Behauptung hervorgegangen, die Römer der späteren Zeit hätten keine bessere Karte machen können, darum sei hier alles verzerrt, barbarisch, ohne Eleganz, die Städte, Festungen, Wälder, Seen, Felsen, Inseln und Meere so roh gezeichnet (Häffelin); eine so fehlerhafte Karte mit so schauderhaften Verhältnissen zwischen Länge und Breite, fast lauter falschen Zahlen und solcher Konfusion hätte für einen Heerführer gar keinen praktischen Wert gehabt (Meermann); der Verfasser sei der Geographie wie der Mathematik unkundig gewesen, das Werk sei mehr „in turbido castrensi quam erudito scholarum pulvere“ entstanden (Welser). Wir können deshalb auch nicht zugeben, dass der Maler die Karte aus Unkenntnis der wirklichen Gestalt der Länder so schlecht gezeichnet habe, wie Mannert und auch Desjardins annehmen. Schon von der Wiederauffindung der Tabula an hat die richtige Auffassung über den Zweck der Tabula ihre Vertreter gefunden, und der verbreitetste unter ihren Titeln nennt sie mit Recht Tabula itineraria. Der erste Zweck, dem sie zu dienen hat, ist, ein praktisches, handliches und übersichtliches Itinerarium zu sein. Alle andern Zwecke treten diesem gegenüber zurück. Es ist eine verbreitete Meinung (Mommsen, Müllenhoff), die Karte sei aus der Kreisform in die Streifenform gebracht und dadurch verzerrt worden 1); sie sei nicht ursprünglich zur Strassenkarte bestimmt, sondern sei nur eine Kopie des Orbis pictus von Augustus, wie die Karte von Autun; erst ein späterer Abschreiber habe willkürlich die Karte aus der Kreisform in die Streifenform übertragen, deshalb seien die einzelnen Teile so verschieden behandelt. Damit hängt die von Eckermann und Desjardins vertretene Ansicht zusammen, der Zweck der Tabula sei gewesen, in einem langen, nicht allzuhohen Porticus aufgehängt zu werden. Diese Ansicht mag für den ersten Anblick bestechend erscheinen, 1) Nach Meermanns naiver Ansicht hätte das Original bei 21 Fuss Länge 9 Fuss Breite (191 Quadratfuss) gehabt; diese immense Karte habe der Mönch (!) handlicher machen wollen, und das sei ihm so schlecht gelungen. Wenn die Karte durch einen erfahrenen Geographen wieder in das richtige Verhältnis zurückgebracht würde, meint er, so könnten wir sie vielleicht doch noch brauchen. Zweck d. T. 77 aber sie ist nicht haltbar. Aus der Schilderung des Plinius und der Fragmente dürfen wir schliessen, dass die Karte des Agrippa nicht — oder mindestens nicht auffallend — verzerrt war; sie hatte es auch nicht nötig, sofern sie eine Weltkarte und nicht eine Detailkarte war. Diejenigen, welche von einer Verzerrung durch den Abschreiber sprechen, haben wohl nie überlegt, was für ein Kunstwerk es wäre, eine richtige Karte nach Art der Tabula in die Länge zu strecken, so dass doch wieder ein gewisses Bild des Ganzen bleibt und so viele wohl überlegte Feinheiten der Konzeption des Ganzen (z. B. Roma — Chartagine [V 3] einander gegenüber) erhalten bleiben, und zugleich für die bald eng gedrängten, bald ausgedehnten Routen der nötige Raum bleibt.

    Die Anlage der ganzen Tabula ist eine so geistreiche und ausgedachte, wie sie nur bei planmässigem Vorgehen ausführbar war. Allerdings ist bei dieser Form die Möglichkeit gegeben, die Karte in einem Porticus anzubringen, die Schwierigkeiten sind aber auch hier noch so gross, dass wir zweifeln, ob es jemals geschehen ist. Dagegen sind die praktischen Vorteile, welche die Karte in der Streifen- oder Rollenform bietet, für den Reisegebrauch ausserordentlich grosse. Wir dürfen deshalb auch nicht annehmen, dass der Autor bloss die gewöhnliche Bücherform als die für ein Itinerarium bequemste Form gewählt habe; er hat es vielmehr gethan, weil dieselbe für den praktischen Gebrauch die geeignetste war. Keine andere Karte, weder ein geschriebenes Itinerar, noch eine richtige Karte, soweit sie damals herstellbar war, konnte dem Reisenden die Bequemlichkeit bieten, wie die von beiden Enden her aufgerollte Karte des Castorius.

    Hatte Castorius eine bestimmte Art von Reisenden im Auge? Man wird in erster Linie an die Kaiser und Feldherren denken, denen die Karte auf ihren Feldzügen die vortrefflichsten Dienste leisten musste, denn die Rollenform ermöglichte es im Bedürfnisfalle, selbst zu Pferde sitzend die gewünschte Auskunft zu suchen. Die eingehende Behandlung des Orients, Daciens, der ganzen Donau- und Rhein-Route legt den militärischen Zweck nahe. Wenn wir aber daneben die Routen im friedlichen Binnenland mit den Bädern 78 Zweck d. T. und Tempeln nicht weniger sorgfältig behandelt sehen, so müssen wir eine allgemeinere Bestimmung der Karte annehmen. Es gienge zu weit, den militärischen Zweck in den Vordergrund zu stellen, wie dies z. B. von Beatus Rhen. und Jordan geschehen ist, welche behaupten, die Tabula enthalte als Militärkarte nur die vias consulares, praetorias, imperatorias et militares; sie gebe nur die nächsten Wege (vias militares) an, die beiden anderen Itinerarien aber mehr die bequemeren und weiteren. Es ist in dieser Beziehung absolut kein Unterschied haltbar; wir verweisen hier nur auf die Ausführlichkeit, mit welcher im Itin. Ant. alle Kastelle der Donauroute von Laureacum abwärts aufgeführt werden, während die Tabula sich mehr vom Ufer zurückhält, und in anderen Fällen wieder das umgekehrte Verhältnis obwaltet.

    Die Itinerarien sollten für Visitationsreisen der Kaiser dienen (pro provinciis obeundis et visendis — Jordan); wir bestreiten auch diesen Zweck nicht, dehnen ihn aber aus auf Beamte verschiedener Ressorts, und vor allem auf die Postbeamten; ja wir fragen uns, ob nicht in ihrem Schosse das vorliegende Werk entstanden ist? Es wäre dies recht wohl denkbar, und zugleich wichtig und interessant, wenn wir sagen könnten: die Tabula des Castorius ist eine Postkarte, ein Postroutenbuch; auf all' diesen Strassen ist einst die römische Post gefahren. Es ist zu bedauern, dass sich der Beweis dafür nicht erbringen lässt; thatsächlich wäre man mit der Annahme römischer Postrouten in den meisten Fällen wohl von der Wahrheit nicht weit entfernt, und dass die Karte auch den Zwecken der Post gedient hat, scheint sehr wahrscheinlich. Aber in ihr eine offizielle Postroutenkarte erkennen zu wollen, gienge doch zu weit; sowohl die Form als der Inhalt verraten allgemeinere Zwecke.

    Die Benützung für Privatreisen ist ebenso wenig ausgeschlossen: zum Vergnügen oder zum Kurgebrauch, 1) für den Handel und Verkehr.

    1) Wir erinnern hier an die 3 silbernen Trinkgefässe, welche im Juni 1852 zu Vicarello in der Nähe des Sees von Sabate (Lago di Bracciano), wo schon im Altertum berühmte Bäder waren, aufgefunden wurden, und je in 4 Reihen 106 Stationen, ein vollständiges Itinerarium a Gades Romam enthalten; alle 3 stimmen nahezu überein, zeigen nur redaktionelle Unterschiede, sind aber zeitlich nicht verschieden, wie man hat schliessen wollen. Zweck u. Bedeutung d. T. 79

    Neben dem primären Zwecke, den wir angeführt haben, kann und soll als secundärer Zweck nicht geleugnet werden: eine geographische Karte zu sein; darum die zahlreichen Namen von Bergen, 1) Flüssen, Meeren, Seen, Provinzen und Völkern. Diese Angaben sollten zur leichteren Orientierung dienen und das Verständnis der Strassen und der Lage der Städte erleichtern. Dieser Zweck tritt jederzeit in den Hintergrund; es sind nur Beigaben, die der Verfasser nach Gutdünken auswählt. Er zeichnet sie, so gut es nach seinem augenblicklichen Wissen und den ihm vorliegenden Quellen gerade möglich war. Die Anlage der Tabula bringt es mit sich, dass von richtigen Verhältnissen, z. B. bei den Flüssen, keine Rede sein kann. Trotzdem haben die grossen Vorteile, welche sie bietet, es ermöglicht, dass sie auch als Karte für den Unterricht, für die Schule Verwendung fand, wie wir aus dem Rav. sehen, welcher sie als Illustrations- und Demonstrationsmittel seiner Kosmographie zu Grunde gelegt hat. 2)

    Wenn Castorius seinen Zeitgenossen einerseits eine eminent praktische Reisekarte bieten, andererseits in der Form einer Weltkarte zugleich die Grösse des römischen Reiches vor Augen führen wollte, so hat er thatsächlich zugleich für die Nachwelt ein Monument geschaffen, dessen Bedeutsamkeit er unmöglich ahnen konnte. Seine Weltkarte ist, nachdem die Tausende von Wohnstätten, deren Namen sie nennt, längst zu existieren aufgehört haben, das grossartigste und wichtigste Zeugnis, das für deren einstige Lage und Bedeutung uns erhalten geblieben ist. Mit Recht sagt Heyrenbach, die Wissbegierde werde durch das Werk, „wenn es echt sei“, mehr als durch tausend griechisch-lateinische Scholiasten gefördert; „es hat uns eine neu wie Amerika entdeckte Welt erschlossen“, urteilt Passioneus; „es ist die detailierteste und allgemeinste 1) Wobei wir allerdings nicht so weit gehen wie Paulus und Seefried, welche glauben, es seien im Gebirge auch die Holz- und Steinarten dargestellt. 2) Die Kosmographie des Rav., welche durch das ganze Mittelalter als Schulbuch für den geographischen Unterricht gedient hat, ist eigentlich nur ein Commentar und Memorierbuch zu der Karte in zeitgemässer Verarbeitung. 80 Bedeutung d. T. Karte des Altertums — sagt Häffelin —, eine Generalkarte dieses weiten und immensen Reiches, mehr umfassend als hundert Fürsten und Herrscher der Gegenwart, deren geringster sich ebenso viel oder mehr dünkt als ein römischer Diktator oder Konsul.“

    Wir nehmen keinen Anstand auszusprechen, dass die Karte des Castorius für die alte Geographie wichtiger ist als die wissenschaftlich bedeutendste Leistung des Altertums auf geographischem Gebiete: die Geographie des Ptolemaeus; denn die Zahlen des Castorius sind unabhängig von den Fehlern und Mängeln der astronomischen und geophysikalischen Kenntnisse des Altertums, sie sind nur abhängig von der richtigen Überlieferung, und einzeln zwar dem Irrtum zugänglich, wie die Zahlen des Ptolemaeus, aber sie sind von einander unabhängig und von keinen allgemeinen Fehlern betroffen, wie es die Zahlen des Ptolemaeus sind.

    Der Hauptwert der Tabula liegt in dem Material, welches sie als Itinerarium bietet, in den Entfernungszahlen, den Namen, der Schreibweise und der Bedeutung der Orte. Die physische und politische Geographie kommt erst in zweiter Linie, doch enthält die Karte auch für diese wertvolles Material, welches noch lange nicht genügend erkannt ist, aber verständig gehoben sein will.

    So hoch der Wert der Tabula anzuschlagen ist, so kann man doch auch von derselben zu viel erwarten oder verlangen. Sie ist kein offizielles Aktenstück, und ihre Glaubwürdigkeit ist deshalb nicht in allen Teilen gleich. Sie ist nicht bloss Schreibfehlern, sondern auch sachlichen Irrtümern unterworfen; sie giebt uns nicht eine bestimmte Klasse öffentlicher Strassen mit Ausschluss aller anderen; sie ist nicht Militär-, noch Postkarte in ausschliesslicher Weise und ist insbesondere — trotz der gegenüber anderen Itinerarien wiederholt gerühmten relativen Vollständigkeit — nicht vollständig in dem Sinne, dass sie alle vias publicas geben würde. In dieser Beziehung machen wir besonders aufmerksam auf das Fehlen folgender wichtigen Routen, denen sich zahllose andere beifügen liessen:

    1. In Afrika fehlen die beiden wichtigen Kolonien Sufes und Sufetula und die zu denselben führenden Strassen.

    Bedeutung d. T. — Unvollständigkeit. 81

    2. In Gallien fehlt die Strasse von Reims nach Trier und Strassburg.

    3. In Gallia cisalpina fehlt die direkte Route von Turin über Pavia nach Mailand, obwohl an derselben Meilensteine sich befanden, ferner von Padua nach Modena, ferner von Aquileia über Aguntum nach Vepitenum, welche ebenfalls mit Meilensteinen versehen war, ferner von Opitergio direkt nach Tredente.

    4. In Rätien und Pannonien ist das It. Ant. — von den Wiederholungen abgesehen — viel reichhaltiger als die Tabula; in letzterer fehlt z. B. die direkte Route von Augsburg nach Salzburg.

    5. In Assyrien fehlt Arbela — noch jetzt Erbil —, in Persien Susa; mit den Städten fehlen auch die zu denselben führenden Routen.

    Jeder Schluss, dass eine in dem einen oder anderen It. fehlende Strasse noch nicht, oder nicht mehr existiert habe, ist entschieden abzuweisen. Eine wirkliche Vollständigkeit giebt es hier nicht; der Grad der Vollständigkeit hängt von dem Sammler, dem vorliegenden oder fehlenden Material und der Auslese aus demselben ab. Die Anschauung vollends, als hätten wir in den gegebenen Routen alle Hauptstrassen vor uns, beruht auf Unkenntnis der römischen Verkehrsverhältnisse. In den gutbevölkerten Ländern war die Zahl der wirklichen Strassen eine viel grössere; wir gehen nicht zu weit, wenn wir sagen, dass für viele Gegenden nicht der 10. Teil der thatsächlich vorhandenen Kunststrassen in den Itinerarien zu finden ist. Mit Recht sagt deshalb Schneider, 1) dass die Itinerarien nicht Strassen, sondern Reiserouten, Marschlinien geben. Daraus lassen sich viele Differenzen in den Angaben der Itinerarien erklären.

    Ebensowenig darf man eine Vollständigkeit in der Aufzählung der Stationen erwarten, wie sich schon daraus ergiebt, dass die Distanzen zwischen 3 und 625 Meilen differieren. Deshalb können 2 Itinerarien identisch sein, d. h. dieselbe Reiseroute geben, obwohl sie verschiedene Zahlen und Stationen nennen, wenn nur die Summe übereinstimmt; bald werden 1) Schneider, Die alten Heer- und Handelswege. II. 1883. p. 14. Miller, Weltkarte des Castorius. 6 82 Bedeutung d. T. — Inhalt. Zwischenstationen eingeschoben, bald ausgelassen, wie die synoptische Betrachtung der Itinerarien fast an jeder Route nachweisen kann.

    Der Inhalt der Tabula ist trotz dieser Unvollständigkeit grossartig genug. Die Routen, welche auf derselben dargestellt sind, berechnen sich (mit Einschluss der aus den Itinerarien sich ergebenden Ergänzung einiger Zahlen) für Europa auf 26 675 (davon auf Gallia 6585 Leug. = c. 9700 R. M., England 228, Spanien 55, Italien 7685, Donauländer und Balkan 10 907) R. M., für Asien 31 899 R. M. (incl. der durch grössere Maasseinheiten im Orient sich ergebenden Ergänzungen), für Afrika 7977, somit zusammen 68 651 R. M. Es kommen zu diesen gegebenen Zahlen noch zahlreiche Lücken, welche mit dem Zirkel auf den Karten ergänzt werden müssen und hier noch nicht berücksichtigt sind. Es fehlen ferner der grösste Teil von England, Spanien, Mauretanien und das Decumatenland. Mit Einschluss des verlorenen I. Segmentes dürfen wir den Inhalt der Karte des Castorius in runder Zahl auf 80 000 römische Meilen oder 120 000 Kilometer Wegdistanzen schätzen, d. h. etwa die 9 fache Zahl der grössten westöstlichen Distanz von der Westspitze Spaniens bis an die Grenzen von China (wahrscheinlich sogar bis in die Gegend von Kanton). Und dieser ganze Inhalt beruht nicht auf phantastischen oder schätzungsweisen, sondern durchaus reellen Werten.

    Fragen wir ferner noch, welche Länder wollte Castorius auf seiner Karte zur Darstellung bringen, so lautet die Antwort: dieselbe soll in erster Linie das ganze römische Reich umfassen und will die hauptsächlichsten Verkehrsrouten geben, welche in demselben bestanden haben. Für die 10 ersten Segmente bis zum Euphrat kann bloss für die 3 dacischen Routen in Frage kommen, ob sie wirklich zur Zeit des Castorius zum Römerreich gehört haben. Über die Grenzen am Rhein 1) und

    1) Die Bezeichnung Patavia für die Bataverinsel (II 2/3) deutet etwas Ungewöhnliches an, denn es gab nie eine Provinz dieses Namens; hier sassen seit längerer Zeit die salischen Franken; Iulian nahm sie auf ihr dringendes Bitten als römisches Hilfsvolk auf und liess ihnen ihre Wohnsitze innerhalb des Römerreiches. Castorius ist deshalb berechtigt, auch den Niederrhein noch als Reichsgrenze anzunehmen. Bedeutung d. T. — Inhalt. 83 an der Donau haben wir schon oben uns eingehend ausgesprochen. In Ägypten ist der Dodekaschoenus, das Zwölfmeilenland, noch aufgenommen und Herasicamina die südlichste Station. Im Orient folgen von XI 3 an Mesopotamia, Persida und India als 3 anerkannte Kulturreiche mit Städten im Range der römischen Kolonien. Mesopotamien hat einst zum römischen Reiche gehört und sollte jetzt (a. 366) eigentlich Persien untergeordnet sein, während es — wenigstens auf den ersten Anblick — selbständig zu sein scheint. Das Perserreich ist in seiner ganzen Ausdehnung — incl. Armenia maior — aufzufassen; es ist der einzige neben dem Römerreich anerkannte Grossstaat, wie auch durch die „Areae fines romanorum“ (XI 2) angedeutet ist, wodurch Mesopotamien thatsächlich untergeordnet wird; damit tritt vielleicht auch India in Unterordnung unter Iran. Ausser diesen beiden grossen Reichen, dem Römer- und Perserreich, den einzigen Kulturreichen der Erde, giebt es in bemerkenswerter Weise nur noch 3 anerkannte Reiche, welche aber weder Städte noch Reiserouten haben und damit im Gegensatz zu den Kulturreichen stehen, nämlich Francia, Suevia und Alamannia. Sonst bilden die barbarischen Völker, welche das Kulturgebiet begrenzen, keine Reiche; so giebt es bei den nördlichen Völkern des Orients nur Scythae und Indi, dagegen im indischen Kulturreich eine Provinz Scytia Dymirice.








    C. Allgemeine Anhaltspunkte zum Verständnis des Inhalts.

    1. Die Anlage der Karte im allgemeinen.

    Castorius ging bei der Abfassung seines Werkes ohne Zweifel von Rom aus, von wo die Strassen nach 12 Richtungen auseinander gehen. Es giebt jedoch für ihn kein Nord und Süd, kein Ost und West, sondern nur rechts und links. Für den Wanderer — für diesen ist ja die Karte in erster Linie bestimmt — genügt es, sein Ziel und die Entfernung zu wissen; so oft ein Kreuzweg kommt, hat er zu wählen zwischen rechts oder links, und darüber erhält er Auskunft auf der Karte. Die 12 von Rom auslaufenden Strassen verteilen sich deshalb alsbald nach den zwei einzigen Richtungen, welche für Castorius existieren.

    So wenig als es auf der Karte eine Himmelsrichtung giebt, eben so wenig giebt es bei der Zeichnung der Orte geometrische Verhältnisse. Es ist vielmehr hiebei lediglich das Raumbedürfnis des Schreibers massgebend. Es existiert weder ein Bedürfnis noch die Möglichkeit, richtige Verhältnisse einzuzeichnen. Dem Bedürfnis ist dadurch vollständig Genüge geschehen, dass die Entfernungen in Zahlen angegeben werden. Die Möglichkeit richtiger Verhältnisse ist ausgeschlossen durch die Wahl der Rollenform für die Karte. Nachdem der Verfasser einmal für die letztere als die eminent praktische Form sich entschieden hatte, gab es nur zwei Wege der Ausführung: entweder die Aneinanderreihung einzelner unzusammenhängender, abgerissener Karten, auf welchen dann allerdings richtige Verhältnisse möglich waren, oder eine zusammenhängende Weltkarte mit Verzicht auf geometrische Verhältnisse. Auch dann noch erfordert die Ausführung mancherlei Kunstgriffe, um das enorme Material in einheitlichen Allg. Anlage. — Richtpunkte. 85 Zusammenhang zu bringen und annähernd gleich zu verteilen. Wo das Material sich drängte, musste der Massstab verlängert werden. Aber in gewissen Hauptpunkten musste alles wieder zusammentreffen. Der Verfasser musste deshalb gewisse Richtpunkte der Karte zum voraus wählen oder in Aussicht nehmen, in welchen die Strassen sich wiedervereinigten. Linkerseits war der Richtpunkt in den Säulen des Herkules oder Gades gegeben, wo an dem fretum Gaditanum alle europäischen und afrikanischen Strassen zusammentreffen müssen. Das trennende Mittelmeer gewährt dem Castorius für die nördliche und südliche Abteilung freie Behandlung bis zu den von ihm gewählten Richtpunkten Rom und Karthago, welche in sinniger Weise einander unmitbar gegenüber gestellt sind. Auf der rechten Seite bildet den Richtpunkt der ganzen Auffassung Antiochien in Syrien, wo abermals die durch das Mittelmeer getrennten und bis dahin selbständigen Abteilungen zusammentreffen müssen. Es ist deshalb nicht Zufall, dass Rom (V 5) genau in der Mitte liegt zwischen Gades, welches auf I 1 liegen musste, und Antiochien (X 5). Der weiterfolgende Orient unterliegt freier, unabhängiger Behandlung.

    Von Cadiz bis Rom ist der obere Raum in 4 ungefähr gleich grosse Unterabteilungen gebracht. Die erste umfasst Spanien und England (ist aber grösstenteils verloren gegangen), die zweite Gallien mit den See-Alpen als Grenze, die dritte Oberitalien (Gallia cisalpina, die Po-Ebene), die vierte den nördlichen Teil der Halbinsel Italiens (Tuscia und Picenum).

    Der Raum von Rom bis Antiochien ist dreigeteilt, nämlich Unteritalien, griechische Halbinsel von Acta Nicopoli bis Konstantinopel, und Kleinasien. In Afrika ist auf der linken Hälfte eine Gliederung nicht so sicher auffindbar, rechts von Karthago dagegen haben wir vier gleich grosse Abteilungen bis zur Insel Girba (VII 1), kleine Syrte, Alexandria und Antiochien. Der Orient findet seine Gliederung durch die grossen Ströme: Euphrat als Reichsgrenze, Tigris, Indus und Ganges.

    Nachdem auf solche Weise der ganze Stoff in Abteilungen gebracht und hiedurch eine Anzahl fester Richtpunkte gewonnen war, folgte die Einzeichnung der Hauptverkehrswege. 86 Allg. Anlage. — Phys. Geogr. Es liegt in der eigentümlichen natürlichen Beschaffenheit des römischen Weltreichs begründet, dass die von Rom ausstrahlenden, vorherrschend in westöstlicher oder ostwestlicher Richtung verlaufenden Wege zuerst und in geradlinigem Verlauf eingetragen wurden (z. B. von Rom bis Gades, von Rom — Mailand —Bregenz und dem Rhein entlang bis Lugduno [Leyden], von Aquileia bis Konstantinopel, die Donau-Route, von Konstantinopel nach Antiochien—Zeugma—Nisibis, von Konstantinopel—Trapezunt—Artaxata und ähnliche). Die übrigen Routen mussten sich diesen unterordnen. So kam es in unvermeidlicher Folge, dass für die zu den Radialrouten senkrecht, zu Rom konzentrisch verlaufenden Strassen nur wenig Raum übrig blieb. Diesem Missstand hilft Castorius ab, indem er die letzteren Strassen im Zickzack verlaufen lässt. 1)

    Es leuchtet ein, dass bei solchen gegebenen Verhältnissen die physische Geographie sehr in den Hintergrund treten muss; der Raum muss aufs äusserste ausgespart werden für die Strassenrouten, und die Meere müssen auf den kleinsten Raum eingeschränkt werden. So kommt es, dass das Mittelmeer einen meist nur daumenbreiten Streifen von I bis X 4, das adriatische desgleichen von IV 5 bis VII 2, das schwarze Meer von VIII 4 bis X 3 einnehmen, während der Ozean nach alter Vorstellung auch auf unserer Karte den ganzen Erdkreis umsäumt. Für Angabe der Länder und Provinzen fehlt es, soweit die Verkehrswege gehen, nicht an Raum; wo keine Strassen mehr einzuzeichnen sind, ist auch der Raum beschränkt, gerade noch ausreichend, um die Namen der Grenzvölker aufzunehmen (z. B. jenseits von Rhein und Donau). Alles, was darüber hinausgeht, ist vernachlässigt, da die Kenntnis desselben keinen praktischen Zweck erfüllt und selbst für den ideellen Zweck, das imperium Romanum zur Darstellung 1) So ist z. B. für die Route von Köln bis Marseille (beide Städte liegen am Anfang des dritten Segments) wenig mehr als spannenlanger Raum vorhanden und es war unmöglich, auf der Verbindungslinie die 36 Zwischenstationen samt Entfernungen einzuschreiben. Castorius führt die Strasse von Agrippina (Köln) zuerst rechts nach Trier, dann links nach Tullio (Toul) und Andemantunno, dann wieder rechts bis Lugduno (Lyon), Vigenna und Valentia, abermals links bis Arelato (Arles) und wieder rechts bis Masilia, und er findet auf diese Weise Raum für alle Namen und Zahlen. Allg. Anlage. — Phys. Geogr. 87 zu bringen, nicht in Betracht kommt. Ganz Nordeuropa, das östliche Asien, Arabien, das südliche Afrika, die ozeanischen Inseln sind auf wenige Andeutungen zusammengeschrumpft. Doch dürfen wir nicht übersehen, dass zweifellos auf dem I. Segment linkerseits im Ozean noch einige Inseln des atlantischen Ozeans (die Insulae Fortunatae, Ibernia, Orcades, die ultima Thule u. a.) angesetzt waren. Die Inseln, auf welchen Strassen namhaft zu machen sind, finden genauere Darstellung: Sardinien, Sicilien, Kreta und Cypern. Bei allen anderen ist die Form vernachlässigt und es wollen nur ihre Namen gegeben werden.

    Die Flüsse können bei dieser Art von Kartenzeichnung unmöglich richtig gegeben werden, doch können wir einen graduellen Unterschied der Richtigkeit annehmen zwischen längs- und quergezeichneten Flüssen. Bei den ersteren, zum Teil sehr langgestreckten, kann die dem Fluss entlang verlaufende Route samt Übergängen richtig gezeichnet werden (Rhein II 1 bis IV 1, Donau IV 1 bis VIII 5, Save V 1 bis VI 4 [sollte bis Confluentibus VI 5 gehen], Po III 3 bis V 1, Tiber IV 4 bis V 5, Nil IX 1-4, Euphrat XI 2-4). Bei Querflüssen kann dagegen nur ein Punkt — die Mündung oder ein bestimmter Übergang — - richtig sein, alle anderen Routen werden vom Flusse durchschnitten, obwohl derselbe gar nichts mit ihnen zu schaffen hat und unter Umständen 50 ja 100 Meilen von der Route entfernt bleibt. Ist die Mündung berücksichtigt, so kann eine Station am obern Lauf weit von dem Fluss weggerückt erscheinen (z. B. Arnum fl. IV 2, Ad drinum VI 5). Wir geben aber auch gerne zu, dass sich Castorius keine grosse Mühe gegeben hat, hier die mögliche Übereinstimmung herzustellen.

    Die Gebirge dürfen ähnlich wie die Flüsse nur in beschränkter Weise als richtig aufgefasst werden. Die grossen Gebirgszüge: Pyrenäen (I bis II 2), Alpen (von III 2 zusammenhängend nur bis IV 2), Apenninen (von III 3 bis VII 2, der Südspitze Italiens, sich erstreckend), Mons Taurus und Imeus (von X 1 bis XII 5, Asien halbierend), der Atlas (als Südgrenze von Afrika von I bis X 1 sich fortsetzend), sind teils als Länder und Provinzen scheidend, teils zur Charakterisierung der wichtigeren 88 Allg. Anlage. — Phys. Geogr. Pässe in hervorragender Weise behandelt; fast alle anderen Gebirge sind nur der Aufzählung wegen und oft nur als Bezeichnung des Ursprunges der Flüsse angegeben.

    Sobald man den umgekehrten Weg macht als den wir hier gegangen sind, sobald man also die Karte des Castorius durch Verzerrung aus einer richtigen Karte entstehen lässt, wird man niemals das volle Verständnis für die Tabula, insbesondere nicht für die physische Geographie erlangen können. Man unterschiebt dann dem Verfasser Absichten und Manipulationen, an die er nie gedacht hat, und schliesslich beschuldigt man ihn der Unkenntnis und Unwissenheit, oder man findet zahllose Irrtümer und Ungeheuerlichkeiten. Die physische Geographie der Tabula ist gewiss nicht wertlos, aber sie muss richtig verstanden werden. Sie giebt uns eine populäre Darstellung der Anschauungen des praktischen Römers und steht im vollen Gegensatz zum gelehrten, exakteren Griechen. Die ganze Tabula ist ein ganz spezifisch römisches Produkt, sowohl in der praktisch brauchbaren Darstellung der Itinerarien, als in der Vernachlässigung alles darüber Hinausgehenden. Er giebt, was er von der physischen Geographie braucht, nach der vulgären Anschauung, so wie er es ohne grosses Studium findet. Sogar die Provinzen, welche er wohl hätte vollständig darstellen können, fasst er vielfach in älteren Kollektivnamen zusammen, da ihm die Spezifizierung zu grosse Schwierigkeiten macht. Man hat daraus schliessen wollen, dass er die älteste Einteilung — der Zeit des Augustus — zu Grunde gelegt habe; man übersieht aber dabei, dass diese Kollektivnamen neben der wechselnden und veränderlichen Einteilung der Provinzen in kleinere Distrikte im Volke stets üblich geblieben sind.

    Die Nichtübereinstimmung der physischen Geographie mit den Routen gehört zu den am frühesten beobachteten und geschilderten Eigentümlichkeiten der Tabula, und man hat deshalb auch oft die Frage aufgeworfen: Woher kommt diese Nichtübereinstimmung? Desjardins hat in scheinbar bestechender Weise die Erklärung darin gefunden, dass der Verfasser zuerst die Namen der Provinzen, Völker, Flüsse, Berge gezeichnet und dann die Routen eingetragen habe; letztere Die Vignetten. 89 konnte er natürlich nicht anpassen, da er durch das Raumbedürfnis gebunden war. So steht jetzt z. B. Parisi auf II 5 bei Veteribus, Luteci dagegen II 4 weit davon entfernt an der Loire (!); Rauraci an der Rhone III 3, Augusta Ruracum III 4/5 weit entfernt u. s. w.; ebenso bei den Flüssen und den nach ihnen benannten Stationen. Ich halte diese Annahme von Desjardins durchaus nicht für notwendig, finde vielmehr die existierenden Inconvenienzen hinreichend erklärt durch die nebensächliche Behandlung und mangelnde Accuratesse des Römers; er will von den Völkerstämmen, kleineren Flüssen u. dgl. eigentlich nur eine Liste geben, ohne den genauen geographischen Wohnsitz oder die geographische Lage zu fixieren.

    2. Die Illustrationsweise des Castorius (Bilder und Farben).

    a) Die Vignetten.

    Einen besonderen Reiz erhält die Karte des Castorius durch die Mannigfaltigkeit der Vignetten und sonstigen Bezeichnungsarten, von welchen der Mehrzahl eine bestimmte Bedeutung zukommt, während die Variation in ähnlichen Bildern und Zeichen mitunter auch bloss malerischen oder dekorativen Zwecken dient. Wir zählen in Europa 311, in Afrika 62, in Asien 161, zusammen 534 Vignetten. Dieselben haben zum Zweck, den Rang und die Bedeutung der wichtigeren Städte des Reiches, nach gewissen Klassen eingeteilt, durch ein einfaches, leicht zu zeichnendes Symbol zur Anschauung zu bringen. Wir unterscheiden auf der Karte nachfolgende Zeichen von allgemeiner Bedeutung.

    1. Wir haben in dem Artikel über die Abfassungszeit auf die 3 Kaiserresidenzen Rom, Konstantinopel und Antiochien aufmerksam gemacht und die Erklärung der Bilder gegeben.

    2. An zweiter Stelle kommen 6 Vignetten zweiten Ranges, zugleich Hauptfestungen des Reiches: Aquileia IV 5 (mit 7 Türmen, wovon 2 rund, 1 grosses Gebäude innen); Ravenna V 1 (mit 5 Türmen); Tessalonicae VIII 2 (5 Türme); Nicomedia IX 2 (8 Türme); Nicea IX 2 (6 Türme und 1 Tempel oder Basilika im Innern); (Ancyra) IX 4 (7 Türme, einer offen). Wir haben schon oben bemerkt, dass alle diese Städte ihre 90 Die Vignetten. — Kolonien. Bedeutung und Blütezeit erst im 4. Jahrhundert erlangt haben. Es fragt sich hier hauptsächlich noch, ob diese Vignetten lokale Eigentümlichkeiten der betreffenden Städte darstellen sollen, wie Desjardins annimmt und besonders von Ravenna nachweisen wollte. Derselbe glaubt nämlich in der Vignette von Ravenna die Kirche San Vitale, deren Bau 526 begonnen wurde, nachweisen zu können. Uns ist es nicht möglich, eine solche Ähnlichkeit herauszufinden. San Vitale stellt ein regelmässiges Achteck mit Umgängen dar, über den Hauptbau ragt der Centralbau kuppelartig hervor, die Front hat zwei, die Rückseite einen Turm, das Ganze hat symmetrische Verhältnisse. Unsere Vignette dagegen zeigt keine Spur von einem Centralbau, vielmehr ein Oblongum mit zwei Türmen an der Front, zwei hohen Türmen an der Rückseite und einem unsymmetrisch gestellten Turm in der linken hinteren Ecke. Ähnlich könnte man in Tessalonicae die siebentürmige Burg (Heptapyrgion) suchen, aber die Vignette hat thatsächlich nur fünf Türme. Wir können bei dieser wie den anderen genannten Städten nichts anderes finden als Festungswerke mit Umfassungsmauern, mit Zinnen und Türmen, in deren Darstellung eine gewisse Freiheit obwaltete und welche zugleich die sonstige hervorragende Bedeutung dieser Städte bezeichnen sollte. Ausser den genannten sind durch ihren Festungscharakter und eigentümliche Darstellung besonders noch Ad pretorium V 5 und Ad matricem VI 5 hervorragend.

    3. Am zahlreichsten unter den Vignetten sind die durch zwei Türme bezeichneten Städte. Im allgemeinen ist festzuhalten, dass durch dieses Zeichen die Kolonien dargestellt werden sollen. Doch hat die Tabula zahlreiche Städte, welche, soweit wir wissen, niemals Kolonien gewesen sind, 1) während manche wirkliche Kolonien hier als einfache Stationen ohne Bild dargestellt sind 2) oder ganz fehlen. Dass den Verfasser zunächst die Absicht leitete, die Kolonien durch zwei Türme 1) So figurieren Arbor felix und Brigantio III 5 und Samulocenis IV 1 mit zwei Türmen, sind aber wohl niemals Kolonien gewesen. 2) In Afrika werden z. B. Cabraca (sonst Tabraca IV 5), Avitta V 4, Tuburbomaius V 4/5, Assures V 3, Uthica V 5 nur als Stationen (ohne Türme) aufgeführt, obwohl wir wissen, dass dieselben Kolonien gewesen sind. Die Vignetten. — Kolonien, Festungen. 91 zu bezeichnen, sehen wir deutlich in Afrika, wo der Charakter als colonia fast immer beigesetzt ist. Meistens deckt sich diese Vignette mit der „civitas“ des It. (z. B. in Italien 99—102, 129—131) und des It. Hieros., und wir können allgemein sagen, dass durch 2 Türme die wichtigsten Städte der Provinzen hervorgehoben werden. Die zweitürmigen Vignetten zeigen jedoch noch mancherlei Unterschiede:

    a) Eine Anzahl derselben sind durch eine Umwallung (eine bogenförmige Einfassungslinie an der Basis), zum Teil auch durch Zinnen (mit Sperrschrift bezeichnet) und oben erbreiterte Türme, zugleich als Festungen gekennzeichnet; so

    • in Gallien: Cosedia II 2, Sammarobriva, Juliomago und Narbone II 3, Nemuso II 4, Mogontiaco III 2, Argentorate III 4,
    • in Italien: Luca, Mediolanum IV 1, Placentia IV 2, Altino IV 4, Antium, Ostia Eterni VI 1, Castra Minervae VII 2,
    • in Rätien: Tredente und Regino IV 4,
    • in Dacien: Sarmategte VII 5,
    • in Afrika: Tacape VI 5.

    Ausserdem haben Zinnen: Aquis Thibilitanis IV 1 in Afrika, Ad taberna frigida IV 1 in Italien, Ad horrea VI 2 in Afrika.

    Runde, offene Türme haben Curva cesena V 1, Aquileia IV 5, Ad matricem VI 5; Narona VI 4/5 hat einen runden Turm in der Mitte.

    Viereckige, offene Türme haben Juliomago und Subdinnum II 3, (Ancyra) IX 4; fünfeckig sind die Türme von Cosedia II 2; oben erweitert die Türme von Bacaco Nervio II 4, Verona IV 4.

    Drei Türme haben: Augusta Taurinorum III 5, Foro Julii III 2, Vadis Sobates III 4, Luca IV 1, Tomis VIII 4, Cydonia VIII 5.

    Rote Mittelwand haben: Argentorate III 4, Puteolis VI 4, Heraclea santica VIII 2.

    Ganz rot ist: Salerno VI 5; rot eingefasst sind: Theleote IV 5, Jndenea VI 2, Depanis VI 5, Scobre VII 2, Faliatis VII 3.

    Auch die Zahl der Thore zeigt einige Unterschiede, z. B. Augusta Vindelicorum IV 1 hat 3, Hyppone Regio IV 2 hat sogar 4 Öffnungen in jedem Turme.

    92 Die Vignetten. — Emporien.

    b) Durch zwei Kuppeln und Knöpfe auf den Türmen scheinen die Emporia, wichtige Verkehrsplätze, Handelsplätze und Seehäfen hervorgehoben zu werden, doch mögen hierin infolge der Abschriften mancherlei Veränderungen erfolgt sein, indem die Zeichnung der gleichförmigen Vignetten mechanisch ausgeführt und hiebei solche kleine Differenzen leicht übersehen wurden.

    Kuppeln und meist auch Knöpfe haben:

    • in Afrika: Aquis Thibilitanis IV i und Gurra VI 2;
    • in Italien: (Narnia) V4 an der via Flaminia, Castro novo V5; ohne Knöpfe Mevanie V 3 an der wichtigen via Flaminia, Interocrio V 4, Regio VII 2 (Überfahrt nach Sicilien, bedeutender Handel);
    • in Illyrien: Tragurio VI 3 (mit Kn.) und Narona VI 4/5 (ohne Kn.), beides bedeutende Handelsplätze; in Griechenland: Megara VII 5 (mit Knöpfen), wichtiger Pass; Pathras VII 5, durch seine Lage wichtig als Landungsplatz und Durchzugsort für Flotten und Heere, und Elatia VIII 1 (ohne Kn.);
    • in Macedonien: Tessalonicae VIII 2 (5 Kuppeln, wovon eine mit Knopf);
    • in Thracien: Fons bei Neapolis VIII 3, an der via Egnatia;
    • in Mösien: Tomis VIII 4, an der Donaumündung; auf Kreta die mächtige Cydonia VIII 5 mit trefflichem Hafen.

    Gewöhnliche Türme mit Knöpfen haben:

    • in England: Ratupis II 1 am Meere;
    • in Gallien: Foro Julii III 2 (Flottenstation);
    • in Italien: Luca (Endpunkt der via Claudia) und Pisis IV 1, Castro novo V 3; Hostis V 5
    • auf Sardinien: Turribus IV 1;
    • in Dalmatien: die Hafenstadt Aulona VII 3, Ad matricem VI 5 (sonst unbekannt);
    • in Mösien: Tauruno VI 5 und Sertica VII 5, an einer wichtigen Strasse;
    • in Afrika: Mileu III 3, Theleote IV 5, Ad horrea VI 2, Hadrito VI 2 (Stapelplatz der Früchte des nördl. Byzacium), Thisdro VI 3 (wo 6 Strassen zusammenlaufen), (Thenae) VI 4 (als Fruchtkammer wichtig), Tacape VI 5;
    Die Vignetten. — Emporien, Tempel. 93
    • in Arabien: Petris IX 5;
    • in Kleinasien: Amasia X 1;
    • in Syrien: (Europus) XI 2. Weiter östlich — ausserhalb des Römerreichs — fehlt diese Auszeichnung überhaupt. Nur Persepolis XII 2 wird durch den Beisatz conmercium Persarum ausgezeichnet, welches als Übersetzung des Ptolemaeischen ἐμπόριον betrachtet werden kann; doch will der Beisatz den Hauptplatz der Perser in Gegensatz zur Hauptstadt des vorhergegangenen parthischen Reiches — - Ecbatanis Partiorum XII 1 — stellen.

    4. Durch Tempel sind eine grössere Anzahl Orte von verschiedener Wichtigkeit — im ganzen 33 — hervorgehoben. Viele derselben sind Kolonien und sonstige wichtige Städte, welche als Hauptsitz eines Nationalkultus hervorgehoben werden sollen. So

    • in Gallien: Durocortoro und Cabillione II 5, Aventicum Heletiorum III 2, Augusta Ruracum III 4/5; in Italien: Fano Furtunae V 2, Jovis Penninus V 3, Fano Fugitivi V 3/4, Addiana VI 3, Jovis tifatinus VI 4, Templum Minervae VI 5;
    • in Noricum: Ivavo IV 4;
    • in Dalmatien: Addiana VI 3;
    • auf der Balkanhalbinsel: Addianam VII 3 u. VII 4, Ad herculem VII 4 und Templo Jovis VIII 4;
    • in Afrika: Saldas II 4, Ad Dianam III 1, (Diana) IV 4, Ad Mercurium IV 5 u. V 5, Tempi. Veneris VI 5, Balacris. Hoc est templ. Asclepii VIII 5;
    • im Mittelmeer: auf einer Insel II 3, Insel Jovis IV 3, Insel ohne Namen V 1, Cephalania VII 3 (Tempel des Zeus);
    • in Ägypten sind im Nildelta 3 Serapeum und 3 Iseum IX 4. Sie scheinen paarweise zusammenzugehören: 2 zu Alexandrien (wo der berühmteste Serapistempel war, welcher zur Zeit der Tabula noch stand und erst a. 389 zerstört wurde), 2 zu Memphis (wo der älteste dieser Tempel stand) und 2 zu Iscopolis (= Iseopolis? bei Busiris, wo Ruinen des berühmten Isistempels noch existieren);
    • in Arabien: Ad Dianam IX 5;
    94 Die Vignetten. — Bäder, Praetoria.
    • in Kleinasien: Jovis urius 1) IX 2 (gegenüber Konstantinopel an der Einfahrt in das schwarze Meer, wo der Tempel des Poseidon und Jupp. Urios stand), Amurio IX 4, „Insula Achillis seu Leuce dicta“ IX 3;
    • in Indien: Templum Augusti XII 5.

    Ausser den durch Vignetten bezeichneten Tempelorten enthält die Tabula noch mehrere Hundert einfache Stationen, welche nach Tempeln benannt sind.

    Zu diesen heidnischen Tempeln kommt als der einzige christliche Ad Scm. Petrum V 4/5 auf einem Berg (M. Vaticanus), von Konstantin und Helena auf dem Platz des Circus Neronianus erbaut und eingeweiht am 18. November 326. 2)

    5. In ganz hervorragender Weise sind die wichtigeren Badeorte ausgezeichnet, durch quadratische Bauten, die Front durch eine Mauer abgeschlossen, mit einem Bassin in der Mitte. Von diesen Bädern kommen auf Gallien 8, auf Italien 15, auf die Balkanhalbinsel 5, Kleinasien 1, Syrien 1, auf Afrika 8. Ausserhalb des Römerreiches, somit im ganzen Orient, giebt es keine mehr. Die auffällige Behandlung der Badeorte auf der Karte zeigt nicht nur, welch hohen Wert die Römer auf das Badeleben legten, sondern auch eine spezielle Vorliebe des Castorius für friedliche Lebensgenüsse und würde allein schon hinreichen, den rein militärischen Zweck seiner Arbeit zu verneinen.

    6. Durch hervorragende Gebäude, grossenteils von eigentümlicher Bauart, sind gekennzeichnet:

    a) Einige Praetoria, doch ist die Vignette für dieselben nicht konsequent durchgeführt, vielmehr einzelne derselben von den Bädern, andere von den Horrea nicht zu unterscheiden. Solche sind

    • in Gallien: Pretorium Agrippine II 2, als Bad gezeichnet;
    1) Man beachte hier die in der Tab. und den Itinerarien gebräuchliche altlateinische Nominativform Jovis — Penninus, tifatinus, urius —, zugleich ein Beispiel, wie einmal eingebürgerte Namen und Namenformen im Volke festgehalten werden. 2) Desjardins sucht in dieser Vignette eine Nachbildung, aber nicht der konstantinischen Basilika, sondern der früheren Confessio Petri nachzuweisen; der Tempel ist jedoch schematisch gezeichnet wie alle anderen. Die Vignetten. — Seehäfen. 95
    • in Italien: Pretorium Laverianum VI 3;
    • in Pannonien: Ad pretorium V 5 bei Siscia;
    • in Dalmatien: Ad pretorium VI 1 (als Bad). 1)

    b) Horrea publica, wie sie uns Lampridius (H. A. I p. 277) in der Vita seines vergötterten Alexander Severus berichtet: horrea in omnibus regionibus publica fecit, ad quae conferrent bona i, qui privatas custodias non haberent. Solche Vorratshäuser, Fruchtschütten sehen wir in Afrika Ad horrea VI 2, und ohne Vignette in Gallien III 2. Das gleiche Bild kehrt öfters wieder, aber ohne dass wir bestimmte Anhaltspunkte hätten, darin horrea zu erkennen.

    c) Mehrere parallel laufende Gebäude haben Centumcellis V 2 in Italien, wo offenbar der Name illustriert werden soll, Bobellas VI 1, wo das Sacrarium der gens Julia stand, Sublanubio VI 1 u. Aquaviva V 4 in Italien, Quaeri IV/V in Istrien, Epetio VI 3 in Dalmatien, Livissa und Eribulo IX 2 in Kleinasien und ohne Namen bei Antiochia in Syrien X 4.

    Als Ziegelhütte ist gekennzeichnet: Adteglanum VI 5 in Italien; als taberna: Ad taberna frigida IV 1 in Etrurien; als Quelle Fons bei Neapolis VIII 3.

    Eigentümlich sind noch Vacanas V 3, fünf Gebäude bei Capua und Neapel, zwei südöstlich von Salona VI 3/4, welche unwillkürlich an den Palast Diocletians erinnern, und einige Bäder, besonders Aquis Tatelis III 4/5 in Oberitalien, Thibilitanis IV 1 in Afrika.

    7. Als Seehäfen sind ausgezeichnet:

    Portus Augusti, der Hafen von Rom. Es ist kein Zweifel, dass Castorius in dieser Vignette den Portus Claudii und den Portus Trajani unterscheiden will. Der erstere, äussere Hafen, welcher später nur noch als Vorhafen diente, war von dem inneren durch eine Halbinsel mit dem kaiserlichen Palast, Theater, Thermen und Forum geschieden. Der Binnenhafen war von den Magazinen, wo die Schiffe umgeladen wurden, dem Proviantmarkt, verschiedenen Porticus begrenzt, welche 1) Die Tab. enthält ausserdem als Kol. gezeichnet Ad pretorium V 2 in Liburnien; vgl. ferner Augusta Pretoria III 4 in Oberitalien; ferner ohne Vignette Pretorio II 2/3 in Gallia aquit., zweimal in Dacien (VII 4 und VIII 1) und in Afrika VII 5; Ad pretorium V 1/2 in Afrika. 96 Die Vignetten. — Leuchttürme, Altäre, Perspektive. namentlich durch Konstantin vergrössert und verschönert wurden, so dass Porto noch im elften Jahrhundert civitas Constantiniana hiess. Der Turm vor dem Hafen ist der von Claudius auf einer Insel angelegte Leuchtturm von gewaltiger Höhe (Suet. Claud. 20). — Eine ähnliche Vignette, aber einfacher, treffen wir an der Rhonemündung, Fossis Marianis II 5 umschrieben, nach den Itinerarien und Rav. aber identisch mit Colonia Maritima.

    Einfachere Vignetten haben die Überfahrtsplätze zwischen Europa und Asien: Sycas, Chrisoppolis und Sestos IX 1. Dazu kommen 18 ins Meer geschriebene Portus ohne besondere Vignetten. Bei Inseln ist der Hafen mehrmals durch eine Einbuchtung angedeutet, z. B. bei Elba III 4, Crocira VII 2 und Cephalania VII 3.

    8. Als Leuchttürme sind gekennzeichnet:

    Der Pharus auf der Insel bei Alexandrien IX 3 (in der Tabula auf dem Festland) und ein zweiter bei Chrisoppolis und Jovisurius (urius = günstigen Wind verleihend) an der Einfahrt in das schwarze Meer IX 1. Beide werden von den alten Schriftstellern öfters erwähnt. Im Hafen von Rom fehlt wohl nur um zufälliger Gründe willen die Flamme.

    9. Als Altäre sind gezeichnet:

    Die Arae philenorum VIII 2, zugleich als Grenzsteine zwischen Africa propria und Cyrenaica, zeigen uns, wie der Verfasser darnach strebt, durch Illustrationen seiner Karte ein angenehmes Aussehen zu verleihen. Die Ara Alexandri XII 3, sowie die zwei im äussersten Osten gezeichneten Altäre mit der Umschrift „Hic Alexander responsum accepit: Usque quo Alexander?“ sollen offenbar die Grenzen der bekannten Welt kennzeichnen. 1) Eine ähnliche Vignette befand sich ohne Zweifel auf dem I. Segment bei den Säulen des Herkules.

    Über die Zeichnung der Vignetten bemerken wir im allgemeinen noch, dass die Perspektive der Gebäude eine auffallend fehlerhafte ist, am schlimmsten auf dem ersten Segment. 1) Die Form der Altäre in Persien (S. XII) ist von der der afrikanischen verschieden; man könnte bei den ersteren eine Ähnlichkeit finden mit dem uralten symbolischen Zeichen des Segens und des Feuers, somit eine Hinweisung auf den persischen Feuerdienst. Die Vignetten. — Farben. 97 Nicht nur nimmt die Seitenansicht nach rückwärts an Grösse zu statt ab, sondern der Zeichner macht noch auf der rechten Seite eine eigentümliche Ausbiegung. Wir treffen den gleichen Fehler auch in der Notitia und in den Gromatici latini; die spätrömische Zeit hat überhaupt eine sehr mangelhafte Perspektive und wir glauben deshalb, diesen Fehler nicht dem Abschreiber zuschreiben zu dürfen, welcher vielmehr schablonenhaft kopiert hat. Es müssen ferner die steilen Dächer der Gebäude insofern auffallen, als man von dem Südländer flache Dächer erwarten sollte. So nahe auch in diesem Falle die Annahme liegt, die Dächer seien im Original flach gewesen und erst durch die Abschrift (oder Abschriften) so steil gemacht worden, so haben wir angesichts der übrigen Treue der Kopie doch Bedenken gegen diese Annahme, und glauben, es würden uns in solchem Falle wenigstens dann und wann noch flache Dächer begegnen. Die Ursache jener Erscheinung dürfte vielmehr darin liegen, dass der Verfasser die schematische Zeichnung mässig steiler Dächer bequemer und einfacher fand.

    b) Die Farbenverwendung.

    Die Weltkarte soll als Ganzes ein für die Augen angenehmes Bild darbieten und ist zu diesem Zwecke illustriert. Mag auch einzelnes Detail in der Farbenwahl von den Abschreibern herrühren, so ist doch kein Zweifel, dass schon das Original farbig war, und bei der sonstigen Treue der Abschrift dürfen wir auch die Farben im allgemeinen als dem Original entnommen betrachten. Es ist ja hinlänglich bekannt, welch ausgesprochene Vorliebe die Römer der Kaiserzeit für lebhafte Farben gehabt haben. Im ganzen sind 7 Farben auf der Tabula angewendet worden: 1. schwarz, 2. rot, 3. fleischrot (leicht rot — auf dem Original meist sehr verblasst und schwer erkennbar), 4. gelb (ein schmutziges Gelb), 5. grün (für alles Wasser), 6. blau (für die Bassins der Bäder-Vignetten und bei den Haupt-Vignetten; aber auf den letzten 2½ Segmenten gar nicht mehr), 7. grau (für manche Gebirge und die Bäume, aber auf dem Original nur als dicker Einfassungsstrich, in unserer Ausgabe schraffiert ohne Farbe).

    Die bei der Farbenwahl beobachteten Grundsätze sind Miller, Weltkarte des Castorius. 7 98 Die Farbenverwendung. folgende: Die Namen der 3 Residenzen sind rot geschrieben, alle anderen Städte- und Ortsnamen sind schwarz. Die Namen der Provinzen und Völker sind abwechselnd rot und schwarz geschrieben. Die Namen der Flüsse sind — mit wenigen Ausnahmen, wo in der Schwarzschrift Schreibfehler vorzuliegen scheinen — rot geschrieben. Die Flussnamen haben ausserdem das Eigentümliche, dass die Bezeichnung fl. (selten flum.) stets dem Namen des Flusses vorgestellt ist, zur Unterscheidung von Stationen, welche nach Flüssen benannt sind, und bei welchen fl. stets nachgesetzt ist (fl. Arnum bedeutet den Fluss, Arnum fl. die Station). Wenn Flussnamen an der Mündung ins Meer geschrieben sind, so sind sie schwarz, wie alle im Wasser stehenden Namen.

    Die Gebäude haben vorherrschend rote Dächer und gelbe Giebelseiten, doch mit vielerlei Variationen, ohne dass ein anderer Grund als dekorativer Zweck hierfür aufzufinden ist.

    Das Wasser ist durchgehends grün gezeichnet (Meere, Seen, Flüsse). Auffallend ist die rote Einfassung einzelner Flüsse, welche aber nur von III 1 bis V 1 vorkommt und zuerst von Desjardins beobachtet und von ihm anfänglich als Begrenzung der Provinzen oder Regionen angesehen worden ist. Doch hat Desjardins später selbst eingesehen, dass diese Aufstellung völlig unhaltbar ist. Unsere Ausgabe giebt diese Einfassungen vollständiger als es von Desjardins geschehen ist. Der Leser wird bald herausfinden, dass hier nichts anderes als ein malerischer Versuch vorliegt. Desjardins glaubt, diese Einfassung sei ursprünglich auf der ganzen Karte vorhanden gewesen, aber vom Kopisten weggelassen worden; wir glauben, die ungleiche Behandlung einzelner Partien der Karte im allgemeinen auf den Verfasser zurückführen zu müssen.

    Die Inseln sind meist ohne bestimmte Farbe 1); in einzelnen Fällen ist das Pergament unter dem Einfluss der Kupferfarbe so nachgedunkelt, dass kaum mehr zu entscheiden ist, 1) Dass die weissen Flecken im Meere Beschädigungen des Pergamentes darstellen, wird der Leser leicht herausgefunden haben. Manche runden Löcher waren von Anfang an im Pergamente vorhanden. An drei Stellen — V 2 und zweimal auf X 1 — war das Pergament genäht und sind die Nadelstiche noch sichtbar. Bedeutung der Farben. 99 ob eine Insel oder ein Flecken im Pergament vorliegt — so auf XII 5 oben und unten. Einzelne Inseln sind rot gezeichnet (so auf IV 1 und IX 1); das Rot ist aber von der grünen Farbe derart zerfressen, dass nur noch Spuren vorhanden sind und die Möglichkeit vorliegt, dass ursprünglich ein viel grösserer Teil der Inseln rot bemalt war. Eine Insel auf V 1 mit einem Tempel und ein Stück von Sicilien sind rot eingefasst.

    Sämtliche Strassen sind rot gezeichnet.

    Die Gebirge zeigen verschiedene Färbung. Doch ist die Vermutung, dass diesen Farben eine tiefergehende Bedeutung zu Grunde liege und dass sie etwa die vorherrschenden Gesteinsarten oder gar geologische Formationen bedeuten könnten, entschieden abzuweisen. Nur in ganz seltenen Fällen kommt der Zeichnung oder Farbe eine bestimmte Bedeutung zu. Es ist dies der Fall bei den Seealpen, in Alpe Maritima III 3 und bei dem Karstgebirge, In alpe iulia IV 5, wo die Felszacken durch Form und Farbe auffallen; bei dem Mons Vaticanus V 5, und dem als doppelthorigen Tunnel gezeichneten Posilippo VI 4. Der Vesuv und Aethna (VII 2) sind — vom ersteren fehlt sogar der Name — nicht hervorgehoben, wie man erwarten könnte. Dagegen sind durch ganz rote Färbung auffällig der Mons Oliveti X 1 und Mons Catacas XII 2. Drei andere Gebirge sind rot eingefasst, ohne dass wir einen bestimmten Grund anzugeben wissen. Ausserdem sehen wir bei den Gebirgen folgende Farben verwendet: 1) nur durch dicke zackige Umrisse in grauen Pinselstrichen sind der Atlas, welcher von I bis X 1 die Südgrenze von Afrika bildet, und viele andere Gebirge gegeben; in unserer Ausgabe sind dieselben einfach schraffiert, ohne besondere Farbe; 2) gelb; 3) fleischfarbig (ein sehr leichtes und stark verblasstes Rot, dessen Unterscheidung in manchen Fällen schwierig und unsicher ist). Dass diese Farbenunterschiede keine tiefere Bedeutung haben, sieht man am besten an der regelmässigen Abwechslung im Apenninen-Gebirge auf dem vom Verfasser zuerst gezeichneten Blatt von Italien; später ist er in der Farbenwahl mehr willkürlich verfahren.

    Zwei Gebirge, Silva Vosagus und Silva Marciana auf d. III. S., Vogesen und Schwarzwald, sind als bewaldete Gebirge — 100 Die Farben. — Bäume. silva — durch Bäume illustriert. Befangen von dem Vorurteil, dass der Colmarer Mönch der Abschreiber sei und „die Tannenbäume, welche er täglich von den Fenstern seines Klosters aus sah“, habe auf der Karte anbringen wollen, fanden die meisten Autoren es kaum der Mühe wert, die Form dieser Bäume einer näheren Prüfung zu unterziehen. Diese Prüfung hätte zeigen müssen, 1) dass dieselben Bäume auf X 4 bei Antiochia auch vorkommen, wo doch der Colmarer Mönch kein besonderes Interesse haben konnte, und 2) dass die Bäume jedenfalls keine Tannen sind. Seefried scheint von den Neueren der einzige zu sein, welcher die Bäume dem Altertum vindiziert, allerdings nur, um über den Holzreichtum und die tausendjährigen Eichen, Buchen und Tannen obiger Gebirge und deren Bedeutung für die Römer zum Schiffsbau, ja eben zur Ausrüstung einer Flotte gegen England — seiner Phantasie freien Lauf zu lassen. Wir sehen in den Bäumen lediglich nur eine Illustration des Wortes silva; wenn man will, kann man ungezwungen auch noch die Absicht des Verfassers annehmen, diese beiden Gebirge besonders kenntlich zu machen. Dazu hatte er — zur Zeit der Schlacht bei Strassburg und der Feldzüge Julians und Valentinians — gewiss hinreichenden Grund. Aber es ist zu beachten, dass die Bäume nicht die Bäume des Schwarzwaldes und der Vogesen, nämlich Tannen, Eichen, Buchen darstellen (an Föhren könnte man bei einzelnen noch denken), sondern südlichen Typus zeigen. So zeichnet kein mittelalterlicher Schreiber, so zeichnet überhaupt niemand Tannenbäume. Die Zeichnungen geben nicht die Details, Blätter etc., wie es im Mittelalter üblich war, sondern den Charakter der Bäume in der gleichen Weise, wie die Gromatici latini. Die Vergleichung mit den Baumzeichnungen des Altertums einerseits, mit den südeuropäischen Baumtypen anderseits zeigt die unzweifelhafte Thatsache, dass wir auch hier eine schablonenmässige Kopie des Originals vor uns haben, wenn auch Einzelheiten der Zeichnung nachzumachen nicht überall gelungen ist. In den Vogesen sieht man sofort, dass ein Baum von der Form des 1., 4., 8., 10. von links in unserem Klima nicht einheimisch ist — denn die Pyramidenpappel ist ja erst im vorigen Jahrhundert eingeführt worden —, und dass Bäume. — Einfache Stationen. 101 hier nur die Cypresse gemeint sein kann. Unter den übrigen grossen Bäumen sind zweierlei zu unterscheiden; solche mit schirmförmiger Krone, wie sie der 3., 5., 8., 9. Baum des Schwarzwaldes zeigen, in welchen wir die etwas entstellte Pinie vermuten; sodann die Bäume mit hohem knorrigem Stamm, erst in bedeutender Höhe belaubt, wie sie der Süden in seinen alten Kastanienbäumen und immergrünen Eichen zeigt. Endlich sehen wir in den Vogesen rechts niedrige Bäume mit runder Krone und Gebüsch dargestellt, in welchen Obst-, Mandel- und Ölbäume erkannt werden können. Der Südländer zeichnet den Wald so, wie er denselben kennt und sich vorstellt, mehr als Park denn als Wald; mag auch die Form im einzelnen durch die Abschrift etwas entstellt sein, so ist doch so viel deutlich erkennbar, dass der Autor verschiedene Baumarten zur Darstellung bringen wollte, und dass diese Baum-Typen nicht nord-, sondern südeuropäische sind.

    3. Die Bedeutung der einfachen Stationen.

    Das It. Ant. unterscheidet bei den Landstationen colonia, municipium, civitas, castellum, praesidium und vicus, bei den Seestationen — welche jedoch in der Tabula gar nicht berücksichtigt sind — refugium und plagia. Das It. Hieros. unterscheidet civitas (meist identisch mit colonia), mansio und mutatio; eine Einteilung, welche heute noch im Orient vielfach (besonders an allen bedeutenderen Verkehrsrouten) zutreffend, aber durchaus nicht allgemein — namentlich nicht in gut bevölkerten Gegenden — durchführbar ist. Castorius hat sich in dieser Beziehung eine grössere Freiheit bewahrt; er richtet sich hiebei, wie deutlich zu erkennen ist, nach den ihm zu Gebote stehenden Quellen. Was jener Wallfahrer von Bordeaux, welcher im It. Hieros. die von ihm selbst gemachte Reise beschreibt, durchführen konnte, das war für den Sammler Castorius, welcher fremde Notizen verarbeitet, nicht in gleicher Weise möglich. Afrika und Mösia sind die beiden einzigen Länder, wo die Unterscheidung mit einer gewissen Konsequenz hervortritt. Der Verfasser hatte wie es scheint anfänglich die Absicht, jeder Station ihren Charakter beizufügen, hat dies aber nur auf Segment II in Mauretania gethan; auf den 102 Einfache Stationen. folgenden Segmenten werden die Beisätze immer seltener. Wir vermuten, dass dieselben ihn bald ermüdet haben, und dass er sie, zumal da ihm auch oft der Raum für dieselben mangelte, nachher weggelassen hat. Wir glauben also nicht etwa dem Abschreiber diese Unterlassung zuschieben zu dürfen; denn wenn der Abschreiber die Beisätze weggelassen hätte, so würden sie segmentweise — nicht nach Provinzen — vorhanden sein oder fehlen. In Afrika und Mösien werden ausser den Kolonien unterschieden:

    Municipium, auf Segment II regelmässig beigesetzt, dann nur noch Ziza VI/VII, Pisida VII 1, Tubactis VII 4 und Digdida VIII 1/2. Ferner Municipio in Mösien VII 2.

    Presidium dreimal auf Segment II (ohne Beinamen) und Lemelli P. II 1, Swaddurusi P. II 4, Presidi Diolele V 1, Presidio Silvani VI 4/5, ohne Beinamen VII 1 und VIII 1, Anabucis P. VIII 2; in Mösia inf. P. dasmini VII 3, P. Pompei VII 4 und ohne Namen VII 4/5.

    Castellum in Afrika: Tamannuna II 2, Fabatianum IV 1 und Ubaza IV 5.

    Vicus in Afrika: Valeriani IV 4, Gemellas Vi, Augusti V 2; in Mösien: Vico Cuppe VII 3.

    Pagus in Mösien: Jovis pago VII 3.

    Taberna in Afrika: Rufini VII 1, cypsaria VII 2, Flacci VII 3, Priscu VIII 3, Zau VIII 4.

    Villa in Afrika: Selae III 3, Serviliana IV 1/2; in Pannonien: Gai V 2.

    Capsus (Kutschkasten), offenbar Posthaltereien bezeichnend, in Afrika: Ad c. Juliani II 2/3 und Ad c. ultimum VIII 1. Ausserdem trifft man auf Segment II in Afrika noch Stabulum und Horreta (auch in Mösien — Horrea Margi VII 3).

    Dagegen verwendet Castorius die Unterscheidung zwischen mansio und mutatio, welche überhaupt mehr willkürlich ist, nicht; er überlässt es dem Leser, in den nicht näher bezeichneten Stationen das eine oder andere zu sehen.

    Mit Sicherheit lässt sich aus dem obigen folgern, dass durchaus nicht alle Stationen als castra stativa aufgefasst werden dürfen, wie man öfters hat thun wollen. 1) Eben so wenig 1) So Tomaschek, Zeitschr. f. österr. Gymn. 1867. p. 709. Einfache Stationen. — Locativ. 103 darf man in allen Stationen bedeutende Orte suchen wollen, oder von der Annahme ausgehen, dass die Karte alle wichtigen Plätze eines Landes enthalten müsse. Dem Zweck der Karte gemäss dürfen wir vielmehr nichts anderes erwarten, als die an den Hauptverkehrswegen liegenden Stationen, deren Grösse und Bedeutung oft im nächsten Zusammenhang steht mit der Bedeutung der Strasse.

    In Betreff der Bezeichnung der Stationen macht man leicht die Beobachtung, dass die meisten Ortsnamen im Ablativ stehen. Der Grund ist zunächst der, dass immer das Ziel angegeben wird, wie wir aus der öfters vorkommenden Wiederholung der Namen und Entfernungen in Buchstaben uns überzeugen können, z. B. a Dertona Iria — von D nach I —. Doch ist dieser Ablativ der Itinerarien sehr häufig als indeklinabel anzusehen (z. B. Ad Quintodecimo, Ad Octavo — It. Hieros.); andernfalls bleibt die Nominativform oft zweifelhaft, sofern nicht die alten Schriftsteller Auskunft über dieselbe geben. Man wird deshalb sachlich am richtigsten verfahren, wenn man in Citaten den Casus der Tabula (Locativ) beibehält, da wenigstens in vielen Fällen der Nominativ in der Volkssprache gar nicht existiert hat und die Eigennamen der Orte monoptota waren. Vereinzelt trifft man auch den Nominativ (z. B. Vinavicus VI 1, Lepteminus, Aviduvicus, Sassuravicus und Bararus VI 3), wo offenbar auch der Nominativ indeklinabel ist. Der Accusativ ist auch nicht selten und hat seinen Grund teils in der Angabe des Ziels, teils darin, dass ursprünglich ad beigesetzt war. Die Namen der Provinzen und Völker stehen dagegen gewöhnlich im Nominativ, und nur ausnahmsweise kommt der Genitiv vor (Musoniorum II 2/3, Numidarum und Musulamiorum II 5 / III 1, womit Natio Selorum VII 5 zu vergleichen ist). Der Beisatz ad bezeichnet im allgemeinen solche Stationen, welche erst neu entstanden sind, insbesondere an den grossen Verkehrsstrassen, weshalb fast immer der Ursprung des Namens noch nachweisbar ist. 1)

    1) Die Gruppierung der mit ad zusammengesetzten Ortsnamen der Itinerarien, welche wir nachstehend versucht haben, dürfte sprachlich und kulturhistorisch interessant sein. Wir finden ad in Beziehung zu:
    1. Flüssen, Quellen und Brunnen; im Zweifelsfalle spricht die Wahrscheinlichkeit in erster Linie für einen Flussnamen, und wir lernen auf diese Weise aus der Tabula die Namen vieler Flüsse kennen, die uns sonst aus dem Altertum nicht bekannt sind. Da der Flussübergang bei Strassen immer einen bemerkenswerten Zielpunkt bildet und die Ortschaften an demselben oft erst später entstanden sind, so kehrt die Bezeichnung Ad pontem und pontes, ponte und pontibus in den Itinerarien sehr oft wieder. Ähnlich wiederholt sich die Bezeichnung des Flussursprunges: Ad radices und Sub radice VIII 1/2, Redicibus (It.), Caput bubali VII 4, Ca͞p. fl. Selliani und Ca͞p. Anis VIII 4, Ca͞p. fl. Nusacus VIII 5; ferner der Richtungsänderung bei einem Flusse: Ad flexum (Hieros. 588; VI 3 am Liris; V 3 an der Donau), Ad labores VI 2 (zweimal); der Einmündung von Nebenflüssen, Ad confluentes und Confluentibus (oft); Quellen Fons, Fonte, Ad fontem (oft) Brunnen Ad puteum und Ad putea (oft), Centum Putea VII 3 und X 5, Puteo VI 2/3, Putea nigra VIII 1, Ad cisternas VII 5, Cenonnydroma IX 4, »Neuenbrunnen «; Ad piscinam IV 2, Ad pisinas IV 3, Aqua Amara VII 5, Ad aquas (sehr oft — Bäder).
    2. Bergen und Felsen: Inalpe oft bei Gebirgspässen, Inmonte, In summo pyrenaeo, Ad Promontorium, Ad pirum, Ad pirum summas Alpes (Hieros. — auf dem »Birnbaumerwald«); Ad intercisa V 2 — sonst Petra pertusa —, Ad pertusa V 5 in Afrika, Ad rubras IV 1 und V 5, Ad lapidem Baium IV 2, Ad scrofulas VII 3, Leucopetram VII 2, Altaripa (It. am Rhein; V 5 an der Donau).
    3. Meilensteinen, Miliaria: Ad sextum, octavum, nonum, vicesimum u. s. w. Solche trifft man in der Nähe grösserer Städte (Rom, Capua, Siena, Aquileia, Metz, Nymwegen, Pettau und Wien).
    4. Bildsäulen und Denksteinen: Ad statuas und pictas (It.; hier pactas) VI 1, Ad Dracones, Ad Novas (sc. statuas — achtmal), Ad Rubras (It.), Ad Albulas, Regias (It.) und Ad Columnam (It.), Ad Equum tuticum oder magnum (It. und Hieros.; hier Aequo tutico VI 4), Ad titulos, aras, Septem aras, Dianam, Jovem, Mercurios, Ad veneris (sc. simulacrum oder templum) VI 5, Ad martis V 4, Ad Mensulas (Tragsteine) IV 4.
    5. Hervorragenden Gebäuden: Horrea, Praetorium, Villa, Ad Basilicam II 5 u. Ad B. Diadumene III 3, Ad molas IV 3 (Afrika), Ad Rotam und Rotas, Casa Rimoniana VII 5, Ad templum, Dianam (oft), Fano Martis, Fugitivi; Ziegelhütten und Töpfereien in: Ad Fornulos (It.), Ad teglanum VI 5, Tegulicio VIII 2, Tegulata und Figlinis III 1; militärische Werke Ad Castra, Quadratis (öfters), Ad Turrem, Turres und Turribus (oft), Speculum V 3 (Afrika); ausserdem Capraria IV 3, Ad stabulum olearium II 4, Ad Solaria III 5 und IV 2 (Sonnenuhren) und Solariana (Rav.).
    6. Post- und Zollstationen: Ad capsum ultimum (bei der letzten Postkutsche) VIII 1 und Juliani II 2/3 in Afrika, Ad Centenarium (Oberpostmeister) II 5 und II 2/3, Ad Stabulum (Poststall?) zweimal X 2, Catabolo X 4 (wo Vorspann geleistet wurde), Ad Publicanos III 2 und V 2 (bei der Zollstation), Ad fines, Finibus (oft, Provinzgrenzen — fines ist in der Tabula merkwürdigerweise stets als femininum [s. XI 2] gebraucht, was im Plur. selten ist). — Standquartiere von Legionen kommen in den Itinerarien öfters vor, hier aber nicht.
    7. Gasthäusern: Ad Tabernas, Ad tres Tabernas, Tabernis, Tribus tabernis (mehrmals, besonders It.), Nivirgi-, Flacci-, Rufini taberna in Afrika, Bona Mansio (Hi.). Wirtshausschilder bezeichnen wohl die Namen Ad calceum Herculis III 5, Ad Gallum Gallinatium V 4, Nigropullo II 2/3, Ad septem fratres, Ad sorores, Ad fratres (It.), Ad Mallias (Hexen?) (It.).
    8. Auffallenden Bäumen und Tieren (vielleicht aber auch den Wirtschaftsschildern beizuzählen): Ad olivam, Ad palmam (fünfmal), Ad ficum, Piro torto V 1 (beim »krummen Birnbaum«; merkwürdigerweise besteht in Niederösterreich heute noch bei Pöchlarn ein analoger Ort »Krummnussbaum«), Ad salices, Ad joglandem, oleastrum, Ad Morum, terebintho und Tuca terebinthina (It.), Ad malum (zweimal), Ad pirum und Ad pir oder pyr kommt oft vor, ist aber wahrscheinlich nicht auf den Birnbaum, sondern pir = Bergspitze, höchsten Punkt eines Gebirgsüberganges zu beziehen; Ad Sturnos II 5, Avibus VI 4, Perdicibus (It.).
    104 Einfache Stationen.

    Die gewöhnlichen Stationen bezeichnet Castorius durch Brechung der Weglinien, durch die sogenannten Haken. Man hat in der Form und Grösse dieser Haken eine Bedeutung Einfache Stationen. — Bdtg. d. Haken. 105 finden wollen, welche ihnen sicher nicht zukommt. 4) Der Haken hat ganz die gleiche Bedeutung, welche bei modernen Karten dem Punkt oder kleinen Kreis zur Bezeichnung des Ortes zukommt, nur mit dem Unterschiede, dass auf der Itinerarkarte nicht die Lage des Ortes, sondern nur die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Route fixiert werden soll. Der Winkel oder Haken hat hier einfach den Namen des Ortes aufzunehmen. Normalerweise steht immer der Name rechts in dem Winkel, soweit nicht der Mangel an Raum eine andere Schreibweise veranlasste. Rechts von dem Namen folgt die Entfernungszahl, welche zugleich die Verbindung zu dem nächsten Namen herstellt. Begreiflicherweise muss diese Schreibweise sich anders gestalten, wenn zwischen zwei horizontal verlaufenden Routen eine Verbindungsroute eingeschoben wird; entweder muss die letztere im Zickzack verlaufen und die Haken werden 4) Nach Paulus soll die Grösse der Haken die Terrain-Schwierigkeiten und Hindernisse des Weges bei Gebirgsübergängen darstellen. Man kann sich aber an jeder beliebigen Route überzeugen, dass diese Aufstellung gänzlich unhaltbar ist. lO6 Einheitsmass der Zahlen. stumpfwinkelig und kürzer, oder die Route verläuft gerade nach unten und die Haken sind zinnenförmig, die Namen stehen unter einander und die Entfernungszahlen zwischen denselben, wie am deutlichsten auf XI 5 zu sehen ist. Für den Schreiber war keine einfachere und zugleich klarere Darstellung möglich, als mittelst der gebrochenen Linien; die Unterschiede erklären sich, wie wir gesehen haben, vollständig und einzig aus äusseren Gründen.

    4. Die Maasse der Tabula.

    Der grösste Wert der Karte des Castorius beruht in den Zahlen. Da die Länge der Haken, somit die Entfernung der einzelnen Orte auf der Karte durchaus willkürlich ist und nur davon abhing, wie viel Raum dem Schreiber im einzelnen Falle zur Verfügung stand, so kann die Entfernung nur aus den angeschriebenen Zahlen entnommen werden. Es ist deshalb von grösster Wichtigkeit, das Einheitsmass dieser Zahlen zu kennen. Die Tabula selbst giebt uns folgende Auskunft.

    a) Auf II 5 lesen wir bei Lugduno caput Galliarum (Lyon) angeschrieben „usque hic legas“. Die Bezeichnung bezieht sich zunächst auf die von Cabillione herkommende Route; doch legt der Beisatz „caput Galliarum“ es nahe, die Bemerkung von der Hauptstadt auf ganz Gallien zu beziehen und somit für Gallien die Leuge als Einheitsmass anzunehmen. Dies ist trotzdem nicht so ganz selbstverständlich, weil die beiden andern wichtigeren Itinerarien (It. Ant. u. Hieros.) nur für einzelne Strecken nach Leugen rechnen, sonst aber auch in Gallien regelmässig und ausdrücklich nach mpm. (d. i. „milia plus minus“). Es muss somit die Frage von den Archäologen entschieden werden, und diese haben nach den wirklichen Entfernungen es wahrscheinlich gemacht, dass für ganz Gallien die Leuge das Einheitsmass bildet, und dass auch die Itinerarien öfters trotz ihrer ausdrücklichen Angabe mpm. ebenfalls nach Leugen rechnen.

    b) Wo Castorius übrigen Raum zur Verfügung hat und die Ortsnamen weit auseinander stehen, wiederholt er in einigen Fällen den Ausgangspunkt und das Ziel samt Entfernung in Einheitsmass. — Leugen. 107 Worten und sagt ausdrücklich Milia oder Milia passus. 1) Soweit diese Angaben reichen, gelten römische Meilen: von Gallia Cisalpina bis nach Mesopotamien und in ganz Afrika.

    c) Nur in einem einzigen Fall treffen wir die Entfernungsangabe in dem älteren griechischen Maasse der Stadien, welches im 1. und 2. Jahrh. n. Chr. noch sehr verbreitet war, in späterer Zeit nur noch für die Itineraria maritima beibehalten wurde, hier VIII 1: Traiectus Stadiorum .C͞C. Es ist dies zugleich die einzige Angabe einer Entfernung zur See.

    Ausser diesen sich aus der Tabula selbst ergebenden Angaben für das Einheitsmass haben die archäologischen Forschungen noch weitere Masseinheiten für den Orient ergeben, über welchen in der Tabula nähere Angaben fehlen. Wir haben darnach folgende Masseinheiten in der Tabula zu Grunde zu legen:

    1. Für ganz Gallien bedeuten die Zahlen Leugen. Die Grenzen für diese Masseinheit fallen mit den Provinzgrenzen zusammen. Unter Leuge ist nicht die altgallische Leuge (lieue = 2,426 km), sondern die gallorömische Meile (= 2,222 km) zu verstehen. 2) Die Rechnung nach Leugen soll in Gallien

    1) Es geschieht dies in folgenden Fällen:
    • Dertona. A dertona. iria. — Iria. Ab iria. Cameliomagus. Milia XVI. Comeli. magus. (III 5 — IV 2).
    • Verona. A verona. Hostilia. Milia passus. XXXIII. Hostilia. (IV 4).
    • Hadre ab Hadre. Burno milia XIII. Burno. (V 4 — VI 1).
    • Veresuos. A Veresuos Thasarte mil. XIX Thasarte. A thasartho. Silesua. Milia passus XII. Silesua. A Silesua. ad aquas. Mil. XIX. Ad aquas. Ab aquis Tacapa. Milia. XVI. Tacape. col. — A Silesua. Avibus Milia. XVIII. Avibus. (V 2 — VI 4).
    • Acta nicopoli. Ab actia nicopori. Larissa. usq. Milia LXX. Larissa. (VII 4/5}.
    • Synnada. A synnadeuforbio. Mil. XXXVII. Euforbio. ab euforbio. Abamea. Mil. XXXVI. Apamea (IX 4 — X 1).
    • Comana pontica. A comana pontica. Gagonda XVI Gagonda. (X 2/3).
    • Hierapoli. Ab Hierapoli. Zeuma. Mil. pa͞s. XXIIII. Zeugma. — Ab Herapoli. ceciliana. Mil. pa͞s. XXIIII. Ceciliana. (XI 1/2).
    • Tigubis. A tigubbi. Ad fontem. Scoborem XVI. Fons Scabore. (XI 3/4.)
    2) Es wird behauptet, für die Route von Strassburg bis Basel-Augst, für welche die Tab. nur 49 Masseinheiten giebt, sei die alte Leuge zu Grunde zu legen; die Schwierigkeiten können aber auf diesem Wege nicht gelöst werden, sondern nur durch eine einfache Interpolation, welche aus den Itinerarien bewiesen werden kann. 108 Einheitsmass. — Milien, Parasangen.

    erst in der späteren Kaiserzeit allgemein geworden sein. Richtig ist jedenfalls, dass die späteren Schriftsteller (Amm. Marc, Hesychius, S. Hieronymus — alle 3 am Ende des 4. Jahrhunderts) darin übereinstimmen, dass dort Leugen üblich waren. Die in Gallien gefundenen Meilensteine rechnen teils nach Leugen, teils nach Meilen. Doch stammt nach Frèret der älteste Leugenstein aus der Zeit des Septimius Severus, der jüngste Meilenstein aus der Zeit des Postumus (268).

    2. Im ganzen übrigen Römerreiche und in Mesopotamien gilt die römische Meile = milia passus (Doppelschritt à 5 Fuss) = 1,4815 km. In Ägypten wurde sonst nach Schoenus = 7 röm. Meilen = 60 Stadien gerechnet; in der Tabula haben wir jedoch an den römischen Meilen festzuhalten. Dieselben stimmen für einzelne Routen, z. B. von Alexandria nach Memphis, von Copto nach Berenice, sehr gut, während für die verworrene Nilroute auch eine Veränderung des Massstabes nicht hilft (er müsste bald 1½fach, bald doppelt, bald 3fach genommen werden), sondern nur durch Interpolationen richtige Verhältnisse erreicht werden können.

    3. Für Persien hat Tomaschek nachgewiesen, dass durch Annahme von Parasangen Übereinstimmung mit den persischen Itinerarien und den geographischen Entfernungen hergestellt werden kann. Wenn wir auch nicht in allen einzelnen Lösungen demselben folgen können, vielmehr glauben, dass er mitunter der Tabula zu sehr Gewalt angethan hat, so giebt es doch im grossen und ganzen keinen andern Ausweg, als den von ihm eingeschlagenen. Tomaschek berechnet die Parasangen im Westen und im Gebirgsland zu ca. 4 römischen Meilen = 6 km, im Osten und Nordosten aber zu ca. 5 röm. Meilen = 7 km. Bemerkenswert ist, dass mit dem Verlassen der Grenzen des einstigen Reichslandes (Mesopotamien) auch das Mass gewechselt wird und zwar ohne besondere Angabe.

    4. In Armenien bekommt man befriedigende Verhältnisse durch einen Einheitsmassstab von 2½ römischen Meilen; vielleicht ist der Schoenus des Isidor Charax = 3 röm. Meilen = 25 Stadien zu Grunde zu legen. Es gilt dieser Massstab für die von Artaxata an das kaspische Meer und nach Ecbatanis Einheitsmass. — Allg. Erdanschauung. 109 führende Route (vielleicht auch noch bis Nagae, bis wohin die Lösung Tomascheks uns nicht befriedigt hat).

    5. Für Indien tritt wieder ein kleinerer Massstab ein und zwar von der Station Alcon an XII 4. Der Massstab ist gegeben durch einige Positionen, welche nach ihrer ungefähren Lage als sicher gelten können: Elymaide kann nicht viel verrückt werden; Ad fl. Ganges muss Delhi oder etwas weiter unten sein; Palibotra und Colcis Indorum sind bekannt. Wir setzen 1° = 35 Masseinheiten, somit die Masseinheit = ca. 2 römische Meilen oder 3 km. Dann stimmen die Angaben mit den geographischen Verhältnissen überein, vorausgesetzt dass wir Tazora aus der indischen Route tilgen, wohin es nur durch falsche Zeichnung des Abschreibers gekommen ist, und die Zahlen CCL und d (= 500) vor und nach Palibotra vertauschen, was ja wohl einmal geschehen darf. Wir haben Thimara mit Ptolemaeus jenseits des Ganges zu setzen und gelangen mit unserer Zahl an die Mündung des Bramaputra; Calippe trifft nach Tongking und die zweitürmige Stadt ohne Namen, wahrscheinlich Cattigara, in die Gegend von Canton. Die Tabula giebt uns somit die wichtigsten natürlichen Zielpunkte auf dem Weg nach China.

    Für die Berechnung der Entfernung ist noch die Lex a Macro data von Wichtigkeit, wonach die Meilen nicht von dem goldenen Meilenstein in Rom und nicht von der Mitte der Städte aus, sondern von den Thoren an (a continentibus aedificiis) gezählt werden (in Pand. lex 154 de V. S.). Für die Zeit der Abfassung der Tabula dürfen wir wohl annehmen, dass der alte Streit über die Zählung durch dieses Gesetz endgiltig entschieden war.

    5. Sonstige Eigentümlichkeiten der Darstellung.

    a) Es ist von Interesse, zunächst die allgemeine Erdanschanung des Castorius in einigen Hauptzügen ins Auge zu fassen. Der Ozeanus umsäumt die ganze Erde und würde links auf dem I. Segment, wenn es uns erhalten wäre, wieder den Abschluss bilden. Die drei Erdteile verteilen sich so, dass die 8 ersten Segmente (zwei Teile) Europa und Afrika, die 4 letzten (ein Teil) Asien umfassen, welches die rechte 110 Allg. Erdanschauung. Seite einnimmt; es ist dies eine Anschauung, welche der sog. Sallust-Karte und der Schilderung des hl. Augustinus de civ. dei 16, 17 entspricht. Der Fluss Tanais scheidet Europa und Asien, der Nil scheidet Asien und Afrika. Asien wird zweigeteilt durch den Mons Taurus und dessen Fortsetzung, den M. Imaeus. Afrika ist im Süden in seiner ganzen Erstreckung vom Atlasgebirge begrenzt. Die Apenninen ziehen durch ganz Italien bis zur Südspitze. Die Moeotis ist vom schwarzen Meere getrennt dargestellt; das kaspische Meer in seiner Pilzform nach der Anschauung des Eratosthenes, welche von Ptolemaeus verworfen, aber auch von Orosius und Jordanis noch festgehalten wird, ist mit dem Nordmeer verbunden; der Aralsee mit dem in ihn mündenden Jaxartes (welcher hier unter dem fl. Araxes XII 5 gemeint ist) gilt als ein Teil des grossen nördlichen Ozeans. Der Rha (Wolga) fehlt ganz. Der Nil kommt aus einem grossen Gebirgssee, welcher zwei Namen trägt (Nusapius und Nilodicus VIII 5). Der Fluss Grin, welcher nach der alten Anschauung mit dem Nil zusammenhängen sollte, ist hier richtig gezeichnet (entgegen der Anschauung des Plinius), aber mit der Bemerkung: Hoc flumen quidam Grin vocant. alii Nilum appellant. dicitur enim sub terra Etyopum in Nylum ire lacum. China mit seiner Hauptstadt Sera Maior XII 5 ist richtiger angedeutet, als es sonst auf den Karten des Altertums zu geschehen pflegte. Ganz richtig giebt Castorius die Heimat der hundsköpfigen Affen (Paviane) in Äthiopien (Hic cenocephali nascuntur IX 5), der Skorpione und der Elefanten in Indien an (In his locis Scorpiones — Elephanti nascuntur XII 4/5). Auffallend ist das Fehlen der arabischen Halbinsel. Der persische Meerbusen ist doppelt gezeichnet (XI 4 ohne Namen mit 5 Inseln und XII 1 als Sinus Carmanius). Die erstere Darstellung erinnert an die Schilderung von Mela und Plinius, nach welchen er die Gestalt eines Menschenkopfes hat, dessen Hals die Meerenge bildet, und ist ähnlich auf der von Kubitschek rekonstruierten Karte des Julius Honorius; 1) die zweite Darstellung entspricht Strabos Anschauung, dass der persische 1) Wiener Studien 1855. p. 303 fl. Eigentümlichkeiten der Darstellung. 111 Meerbusen dem kaspischen Meere gerade gegenüber südlich liege, und findet sich wieder auf der Erdkarte des Ravennas (nach Schweders Rekonstruktion). Der runde Euphrat-See mit 3 Kanälen und einer Insel XI 3, wie es scheint mehr Sumpf als See (vgl. die Lacus Chaldaici), harrt noch sicherer Deutung. Der Lacus Tritonum in zweimaliger Wiederholung VIII 4 in und bei der grossen Syrte als Meerbusen und als Binnensee ist hier in ungewöhnlicher Auffassung (sonst bei der kleinen Syrte) und wohl identisch mit dem See der Hesperiden dargestellt. Der Lago Maggiore und der Comer See (Lacus Verbanus und Comacenus) sind auf der Tabula in einen grossen See ohne Namen, welcher zunächst den ersteren — vom Tessin durchflössen — darstellen sollte, verschmolzen.

    Mancherlei einzelne, interessante Darstellungen liessen sich zusammenstellen, so die Deltabildungen von Nil (hier 8 Arme mit 19 Inseln und 3 Seen), Donau (mit 6 — jetzt 3 — Armen) und Rhone (mit 3 Armen), die höchst interessanten Po-Mündungen IV 5 — VI, der getrennte Lauf von Rhein und Maas (fl. Patabus), die Kanäle zur Verbindung von Euphrat und Tigris, die Fossa Mariana II 2, papiriana IV 1; die künstliche Insel von Siscia V 5, die Halbinsel, auf welcher Tragurio liegt, VI 23, die Krimkanäle an der Landenge von Perekop (fossa facta per servos Scutarum IX 1); ferner die Salinen, unter anderen Salinae immense quae cum luna crescunt et decrescunt VII 4 in Afrika und die treffliche Bezeichnung für die Salzsümpfe im Kalmückenland „Lacus Salinarum. hic sal per se conficitur“ IX 4; ferner die Gebirgsübergänge (die Pässe über die Alpen, 1) Pyrenäen, Apenninen, den Taurus u. a.). Doch müssen wir hiefür auf den speziellen Teil verweisen.

    1) Die Tab. kennt folgende 9 Alpenpässe:
    Von Italien nach Frankreich führen:
    1) die Strasse am Rand des ligurischen Meeres — in alpe Maritima III 3 —, jetzt la Corniche oder Riviera genannt;
    2) über den Mont Genevre — in alpe cottia;
    3) über den Kleinen St. Bernhardt — In alpe graia;
    von Italien in die Schweiz führen:
    4) die Strasse über den Grossen St. Bernhardt — In summo Pennino III 34;
    5) über den Splügen — Cunu aureu IV 1;
    6) über den Septimer — hier nur summarisch, von Curia an den Comer See, und links anstatt rechts vom Splügen, ausführlicher im It. Ant.;
    von Italien nach Österreich führen:
    7) die Strasse über den Brenner — Matreio-Vepiteno (Sterzing) IV 2/3 ;
    8) von Aquileia nach Klagenfurt (Viruno) IV 5 — V 2; von da einerseits nach Salzburg andererseits nach Wels;
    9) von Aquileia über den Birnbaumerwald — in alpe iulia IV 5 nach Laibach.
    112 Wiederholungen, Irrtümer.

    b) Die grösste Schwierigkeit bei der Herstellung eines Itinerarium pictum bestand darin, die verschiedenen Routen so mit einander zu verbinden, dass keine Wiederholungen vorkamen und dass bei allen Kreuzungspunkten die Routen gegen einander die richtige Lage zeigten. Nicht die absolute, aber die relative Lage der von einem Orte auslaufenden Strassen muss richtig sein. Wir müssen gestehen, dass Castorius diese Schwierigkeiten meisterhaft überwunden hat; aber es gab doch Fälle, in welchen er das richtige Bild nicht zu stände brachte und in welchen er denselben Ort zweimal in verschiedener Lage aufführt, sei es aus Versehen, sei es aus Unkenntnis. Gleichnamige Orte kamen im Römerreich so häufig — bald nahe bei, bald weit entfernt von einander — vor, dass er bei gleichlautenden Namen, selbst bei geringer Entfernung derselben, nicht ohne weiteres die Identität der betreffenden Orte annehmen durfte. Der Fehler war jedenfalls geringer, wenn er im Zweifelsfall einen Ort zweimal ansetzte, als wenn er verschiedene Orte konfundierte. Wenn vollends ein Ort zwei verschiedene Namen führte, so war die Erkenntnis der Identität noch schwieriger. Auf diese Weise sind die folgenden Fehler entstanden:

    1. Arialbinum und Arialbinnum III 4, beide 6 M. von Äugst, beim heutigen Basel, sind identisch.

    2. Lvria und Curia (jetzt Chur) IV 1 ist identisch und sollte Kreuzungspunkt sein.

    3. Auodiaco und Abodiaco IV 2 sind identisch, und dieser Ort sollte Kreuzungspunkt sein; die Route von Augsburg über Camboduno bis Abodiaco sollte links stehen.

    4. Tivisco in Dacien VII 4 ist zweimal in zwei verschiedenen Routen statt als Kreuzungspunkt aufgeführt. Dieser Wiederholungen. Versch. Behandlung. 113 Fehler lag um so näher, als Ptolemaeus Tiviscum und Tibiscum unterscheidet.

    5. Perintus und Heraclea VIII 5 in Thracien sind als zwei verschiedene Städte bezeichnet, obwohl identisch; auch der Rav. führt zwei Heraclea auf.

    6. Amasia in Pontus ist zweimal als Kolonie gezeichnet IX 5 und X 1 — statt als Kreuzungspunkt.

    7. Ressaina sollte unterhalb statt über Edessa stehen XI 34, und Charra XI 4, gleich Charris XI 3, sollte Kreuzungspunkt sein; ein Übersehen hat hier eine ganze Reihe von Verwicklungen und sonderbaren Kreuzungen der Strassen zur Folge gehabt.

    8. In Mesopotamien wird Nisibi zweimal — XI 4 und 5 — aufgeführt, es ist aber beidemal derselbe Ort gemeint.

    9. Seleucia und Cesiphun (Ctesiphon) XI 4 und XII 1 sind weit von einander getrennt und liegen an verschiedenen Routen, obwohl sie als Ausgangspunkt dieser Routen nahezu identisch genommen werden dürfen.

    10. Rana und Rhana XII 3/4, beide 20 (persische) M. von Bestia deselutia entfernt, sind wohl nicht verschieden.

    c) Eine interessante und bis jetzt nicht beachtete Merkwürdigkeit ist noch hervorzuheben in der verschiedenen Behandlung gewisser Abschnitte der Tabula durch den Verfasser. Wenn man die Tafel ausbreitet, fällt zunächst auf dem dritten Segment zwischen dem 1. und 2. Abschnitt auf, dass die Schrift links von dieser Grenzlinie eng gedrängt ist und eine Menge Völkernamen enthält, dass dagegen rechts davon die Namen weit aus einander gerückt sind, und dass oben und unten die Provinz- und Volksnamen fast ganz fehlen. Oben fehlt u. a. Germania superior, in Afrika Numi..., während auf IV ....dia als Schluss von Numidia vorhanden ist. Ferner beginnt hier die rote Einfassung der Flüsse, welche vorher nicht vorkommt; in Afrika stehen die Volksstämme auf II — III 1 teilweise im Genitiv, was später nicht mehr vorkommt. Von dem Abschreiber kann diese Verschiedenheit nicht herrühren, weil sie mit den Segmenten der jetzigen Tabula nicht zusammenfällt; sie zeigt vielmehr aufs neue, wie mechanisch, getreu und genau der Abschreiber verfahren ist. Dagegen Miller, Weltkarte des Castorius. 8 114 Verschiedene Behandlung. könnte diese Verschiedenheit in der Sorgfalt der Ausführung allerdings von einem früheren Abschreiber herrühren, und würde dann beweisen, dass wir die Abschrift von der Abschrift haben, sowie dass jener frühere Abschreiber sehr frei und willkürlich verfahren wäre. Es scheint uns aber nach Vergleichung der Rezension des Ravennas und nach den übrigen noch zu schildernden Differenzen kaum denkbar, dass ein Abschreiber sich solche Willkür oder Nachlässigkeit erlaubt hätte. Wir sehen als viel wahrscheinlicher an, dass wir in diesen Unterschieden die verschiedene Konzeption und Ideen des Verfassers während der Ausführung vor uns haben.

    So beginnt in der Mitte des V. Segments (2 3) in Afrika die Schreibung der Entfernungen in Buchstaben mit Wiederholung der Anfangs- und Endstationen und reicht nur bis VI 5. Innerhalb derselben Grenzen treffen wir dieselbe Schreibweise in Liburnia V 4/5. Dieser Abschnitt bezeichnet dasjenige Segment, welches Rom enthielt und wohl zuerst geschrieben wurde, und wir dürfen daraus schliessen, dass der Verfasser diese Schreibweise für das ganze Werk beabsichtigte, aber bald die Schwierigkeiten der Durchführung erkannte und deshalb sich fernerhin mit den einfachen Zahlen begnügte. Wir treffen ferner auf diesem Abschnitt Afrika rot geschrieben, während das zugehörige Provincia III 5 bis V 2 schwarz ist.

    Die grössten Unterschiede in der Behandlung findet man zwischen dem VI. und VII. Segment. Bis hieher fehlen die Namen der Meere fast ganz; von jetzt an sind die Meere und Meerbusen sorgfältig angegeben: Igeum mare, Hadriaticum Pelagus u. s. w. Die Insel Sicilien ist auf VI rot eingefasst, die Fortsetzung auf VII nicht mehr, Luc— ist rot, —cania schwarz geschrieben. Ein weiterer grosser Abschnitt beginnt auf X 5 rechts von Antiochien und fällt annähernd mit der Segmentgrenze zusammen. Der Unterschied ist an dieser Stelle darin begründet, dass der Verfasser von hier ab freier ist und weniger mehr dem Zwang der Richtpunkte unterliegt; doch scheint Babylonia noch einen Richtpunkt zu bezeichnen, und es mussten bis dorthin aus Mangel an Raum Zickzacklinien zu Hilfe genommen werden. Ausser diesen grossen Abschnitten, wo die verschiedene Behandlung ganz augenfällig ist und welche von Ehemalige Einteilung. — Schrift. 115 der jetzigen Einteilung selbst dann unabhängig sind, wenn sie mit derselben zusammenfallen, existieren noch mehrere weniger augenfällige, der erste durch den aquitanischen Meerbusen (II 1), der dritte auf IV 2 (zwischen Regi und Otr͞aspa), der sechste auf VIII 2, wo auf der Balkanhalbinsel die Völkerschaften beginnen, der siebente auf IX 2, der neunte zwischen XI und XII (wo auffallende Verstösse vorliegen: die falsche Verbindung von Ganges und Tigris, Caspi | fehlt, Flumei verschrieben, (Cyropolis ?) fehlt, Strasse von Thelser nach Albania fehlt).

    Es lässt sich hieraus schliessen, dass das Original aus fünf Stücken von ungleicher Länge (nach den genannten sehr augenfälligen Abschnitten) oder aus zehn Segmenten von annähernd gleicher Länge bestanden hat; die ersteren Abschnitte gehen zweifellos auf den Verfasser zurück, die anderen könnten möglicherweise Folge einer Abschrift sein. Die Mitte des Ganzen (VI/VII) und die zwei letzten Segmente sind dieselben geblieben; aus den 5 ersten Segmenten hat der Abschreiber 6, aus dem 6., 7. und 8. hat er 4 (VII—X) gemacht.

    6. Zum Verständnis der Schrift.

    1. Dem p. 16/17 Gesagten ist bezüglich der Schrift nur Weniges beizufügen, um leicht vorkommenden Missverständnissen vorzubeugen.

    Die in der Tabula sich vorfindenden Kapitalen sind leicht verständlich und bedürfen keiner Erklärung. Die übrigen Buchstaben, Uncialen und Minuskeln, welche in der Tabula vorkommen, sind auf folg. Seite zusammengestellt. Zur richtigen Lesung ist es unbedingt notwendig, die h-förmigen z und die H-ähnlichen N zu kennen. Ferner können leicht verwechselt werden:

    D mit V und B (ist auch beim Rav. oft verwechselt)
    J " L
    G " S
    P " F
    C " E
    τ mit c
    c " e
    v " b
    cl " d
    τ ist wegen seines langen Querstrichs in Verbindung mit i und u im Original oft falsch gelesen worden (tt statt it und ti, itt statt ut)

    116 Schrift. — Abkürzungen.

    In den Zahlen kann II mit V, III mit IV und VI, IIII mit VII leicht verwechselt werden.

    Wir bemerken noch, dass zwar in unserer Ausgabe auf die richtige Wiedergabe der Unterschiede zwischen grossen und kleinen Anfangsbuchstaben und zwischen v und u sorgfältig

    Die Buchstabenformen der Tab.Peut.
    geachtet worden ist, dass es aber Citaten durchaus wertlos, ja oft störend erscheint, nichtssagende und rein willkürliche Schreibarten zu unterscheiden. Bei f, ſ, p, t, o, a ist in der Form des Buchstabens zwischen Majuskel und Minuskel in der Regel kein Unterschied, und es kommt nur auf die Dicke des Strichs und die Grösse des Buchstabens an, die Grenze zwischen Gross und Klein ist deshalb oft willkürlich. Auf den ersten Anblick ist man auch versucht, Wert darauf zu legen, wenn einzelne Worte (bedeutende Städte) ganz in Uncialen (Majuskeln) geschrieben sind, findet aber bald, dass auch hierin keine Konsequenz herrscht.

    2. Die in der Tabula vorkommenden Abkürzungen sind fast nur solche, welche in allen mittelalterlichen Handschriften Schrift. — Abkürzungen. 117 gewöhnlich sind; denjenigen, welche wir hier zusammengestellt

    haben, sind nur noch beizufügen:
    col. = colonia, Mil. = Milia, S͞cm. = Sanctum. Wichtig sind die oft wiederkehrenden Abkürzungen für —orum (in unserer Ausgabe nach Scheyb etwas anders als auf dem Original — s. nebenan), für Insula
    , für flumen fl. oder f͞l.

    Eigentümlich ist die Abkürzung .co. oder .c͞o., durch welche die Zusammengehörigkeit von 2 Orten bezeichnet wird, und welche wahrscheinlich bloss con, oder auch connexum, conjunctum, compitum, nach Desjardins compendium zu lesen ist; sie kommt vor: Cosa .c͞o. Succosa. IV 4, Tabellaria .co. Gravisca. V 1/2, Ad S͞cm. Petrum .c͞o. Roma V 5, Foro clodo .co. Sabate V 2/3, In vinias .co. Puteolis VI 3/4, Föns .c͞o. Neapolis VIII 3.

    3) Da es unvermeidlich ist, dass an den 5 Bruchstellen, wo die Blätter unserer Ausgabe 1) aneinander gelegt sind, ) Wir bitten bei dieser Gelegenheit, auf der Karte folgende Buchstaben zu verbessern: in Opitergio IV 4 ist t undeutlich; in Curva cesena V 1 und Barsalium XI 2 steht je f statt ſ; von Insula Cypros X 3 sollen die 3 ersten Buchstaben INS auch rotgeschrieben sein. — Im Text steht S. 19 2. Z. v. u. Drusepro statt Dusepro; S. 32 Note, 5. Z. v. u. radieren — soll heissen edieren; 118 Material zur Deut. der Routen. einzelne Buchstaben überdeckt oder beschädigt werden, so geben wir hier die auf diese Bruchstellen fallenden Worte zur eventuellen Vergleichung:

    III 5.

    Vindonissa
    Lacus Clisius
    Viricio
    Augusta
    Polentia
    Dertona
    Libarnum
    Ad figlinas
    Liuiana

    V 4.

    Gardellaca. XIII.
    Sonista. XII.
    Fl. Misiv.
    Ad martis. XVI.
    Recine. XI.
    Interamnio.
    Carcias
    Pyrgos
    Ins. Siranna
    Thuburbiminus
    thurris
    Seggo

    VII 3/4.

    Azizis. III.
    Caput bubali.
    Tierua
    Gerulatis.
    Unam VI.
    Dasimini.
    Hammeo VI
    VII Ad dianam
    Acta nicopoloi
    Ins. Leucadia
    Quintiliana
    Subututtu

    IX 3.

    Sardetae.
    Sec (unleserlich)
    Artane XVIIII
    Templ.
    Dusepro. Solympum.
    Appollonia
    Antandros
    Comaru. XV.
    Tyconpoli
    Affrodites XX

    XI 2.

    Tharsidarate
    Datamissa
    inhabitabiles, inopiam
    Thirtonia
    Metita
    XXI.
    XII.
    XIIII. Ceciliana
    Fines romanorum. exercitus. conmertium

    7. Zur Deutung der Routen

    Um gesicherte Resultate in den einzelnen Positionen wie in der Ansetzung ganzer Reiselinien zu erhalten, sind im allgemeinen folgende Regeln zu beachten.

    Erstes Erfordernis ist die vollständige Sammlung des Materials, welches in Betracht kommt. Es wird Aufgabe des Commentars sein, dieses Material übersichtlich zusammenzustellen und in einem handlichen Bande zu bieten. Es müssen zu diesem Zwecke vollständig vergleichen bezw. gegeben werden:

    a. Die abweichenden Lesarten der früheren Ausgaben der Tabula mit Angabe, wie weit dieselben etwa berechtigt sind; insbesondere die Angaben der Welserschen Editio princeps von 1598 (und der ihr folgenden bis zum Facsimile von Scheyb), welche jetzt unleserlich gewordene Stellen — namentlich in den Meeren — ergänzen.

    b. Die Lesarten und die Reihenfolge der Namen beim Kosmographen von Ravenna. 1) Wo es sich um verdorbene Ravennatis Anonymi Cosmographia et Guidonis Geographica. ed. Pinder et Parthey. Berlin 1860. Vergleichsmaterial. 119 Stellen, um Versetzungen von Namen u. dgl. handelt, ist es von höchster Wichtigkeit, neben der einzigen uns erhaltenen Abschrift der Tabula die einem älteren Exemplar (aus dem 7. Jahrhundert) entnommenen Lesarten des Ravennaten zu vergleichen. Es ist dabei sehr ins Gewicht fallend, dass derselbe ganze Routen, Namen für Namen in der Reihenfolge der Tabula abliest; deshalb verdient auch die Reihenfolge der Namen beim Ravennaten Beachtung.

    c. Es müssen sämtliche alten Itinerarien vollständig“ verglichen werden, sowohl nach der Reihenfolge der Namen, als auch nach den Entfernungszahlen. In zahllosen Fällen ergänzen und korrigieren sich dieselben; erst nach erfolgter Zusammenstellung lässt sich jeweils ein richtiges Urteil über den Wert ihrer Angaben fällen; jeder neue Beitrag, jede Kontrolle der Zahlen ist hier höchst willkommen — sei es als Bestätigung, sei es als Verbesserung. Insbesondere kommen nach ihrem ganzen Inhalt in Betracht: 1) das Itinerarium Antonini, unter Diocletian ca. 300 entstanden; 2) das Itinerarium Hierosolymitanum, aus dem Jahr 333 nach Christus, eine Wallfahrt von Bordeaux nach Jerusalem gebend; 1) 3) die drei Itinerarien a Gades—Romam (s. o. p. 78) von Vicarello (fälschlich gewöhnlich als Aquae Apollinares bezeichnet); 4) die Säule von Tongres, welche die Routen von Tongres nach Strassburg, dann von Tongres nach Reims, Soissons, Amiens, Cassel und Arras (Nemetaco) in Leugen giebt; 2) 5) das Stein-Monument von Polla in Apulien (einst Foro Popili VI/VII — CIL. I. 551), die Entfernungen von Foro nach anderen Städten Unteritaliens angebend; 6) das Itinerarium Cappadociae auf einem Marmorfragment in Rom, 3) ein Bruchstück des Diariums einer Reise von Antiochien nach Ancyra (vielleicht der Heimreise von Palästina nach Rom) mit Angabe der täglich zurückgelegten Strecken in Milien. — Dagegen gehört das Itinerarium Alexandra obwohl auch um die Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr. verfasst, nicht zu den eigentlichen Itinerarien.

    1) Beide zusammen trefflich ediert von Parthey u. Pinder. Berlin 1848. 2) S. Bull. de l'Acad. de Brux. a. 1837. t. IV. Brux. 1838. p. 21—29 (mit Abbildung). 3) S. Archäolog. Ztg. 1847. Nr. 12. p. 192. 120 Vergleichsmaterial. Neben diesen gleichartigen und gleichzeitigen Itinerarien sind natürlich auch ältere griechische und orientalische Itinerarien, in Stadien, Schoeni u. s. w., sowie spätere — die Itineraria terrae sanctae, im Orient die arabischen und chinesischen Itinerarien, wie solche von Tomaschek gesammelt und verwertet werden — stets zur Vergleichung willkommen, soweit solche möglich ist.

    d. Nächst den Itinerarien sind es hauptsächlich die Schriften der spätrömischen und byzantinischen Geographen, welche eingehende Beachtung verdienen:

    • die Notitia dignitatum (ed. Seeck, Berlin 1876), um das Jahr 400 verfasst, und die kleineren Schriften, welche mit derselben meist zusammen ediert worden,
    • der Laterculus Polemii Silvii (lebte als Bischof von Sitten 432 bis 448 †; seine Schrift ist aus dem Jahre 3856);
    • der Laterculus Veronensis, die Veroneser Völkertafel, aus dem 4. Jahrhundert;
    • die Gromatici latini (ed. Lachmann 1848) und besonders der Liber coloniarum (4. Jahrh.);
    • die Notitia Galliarum, um das Jahr 400 verfasst;
    ferner Stephanus von Byzanz, sein geographisches Lexikon vom Ende des 5. Jahrhunderts; Procops Schriften; Paulus Diaconus; ferner Julius Honorius (ziemlich gleichzeitig mit der Tabula), Orosius (c. 417 n. Chr.), Jordanes (oder Jornandes) c. 441—451, Ammianus Marcellinus (c. 378 n. Chr.), Aethicus (Anfang des 5. Jahrhunderts), und mehrere kleinere von Riese in den Geogr. lat. min. zusammengestellte Autoren. Gerade in schwierigeren Fragen wird man in der Regel aus diesen späteren Geographen mehr Licht gewinnen als aus den klassischen Schriftstellern. Besondere Beachtung verdienen auch die Bischofssitze des 4. Jahrhunderts (s. Gams, Series episcoporum u. a.).

    e. Alle bekannteren Namen findet man wieder bei Ptolemaeus (c. 140 n. Chr.), dessen von Agathodaemon (a. 422 in Alexandrien) wiederhergestellte Karten von höchster Wichtigkeit sind; ferner Plinius († 79 n. Chr.), Strabo (20 n. Chr.), Pomponius Mela (43 n. Chr.), Arrian (c. 140 n. Chr.); diese sowie die Stellen der übrigen klassischen Schriftsteller (lat. Erklärung der Routen. 121 u. griech.) alle einzeln zu citieren, ist nur bei selteneren Namen oder besonders interessanten Angaben derselben von Wert; im übrigen findet man dieselben in Forbigers Alter Geogr. genügend gesammelt, sofern man derselben bedarf. Dagegen ist bei allen selteneren Namen, an welchen die Tab. so reich ist, die Sammlung der Parallelstellen wichtig und notwendig.

    f. Die Inschriftensammlungen gewähren reichen Stoff zu Vergleichungen; in erster Linie sind diejenigen Inschriften hier wichtig, welche über die Namen der Orte, den Charakter als colonia, municipium u. dgl. Auskunft erteilen.

    Zweites Erfordernis: streng kritisches Verfahren bei Feststellung der Hauptplätze und namentlich der Kreuzungspunkte; 1) Misstrauen gegen alle Positionen, welche ausschliesslich auf die Namensähnlichkeit gegründet sind. 2) Ein Fehler zieht hier viele andere nach sich. Die Routen müssen stets im Zusammenhang erklärt werden; man darf nicht eine einzelne herausreissen; an den angrenzenden Routen muss die Richtigkeit einer Erklärung sich erproben. Noch weniger darf man beim Aufsuchen einzelner Orte oder Positionen den Zusammenhang des Ganzen aus dem Auge verlieren.

    Drittens: Man hüte sich, der Tabula zu grosse Gewalt anzuthun und auf den Abschreiber oder die Unwissenheit des Verfassers hin zu sündigen. Am unbedenklichsten ist die Interpolation einer ausgefallenen Station samt Entfernungszahl, namentlich wenn letztere dadurch doppelt erscheint; schon bedenklicher sind Versetzungen, falsche Verbindungen und bedürfen womöglich des Beweises. Alle weitergehenden Änderungen des Wortlautes müssen in das Gebiet der Hypothesen verwiesen werden, welche die Wissenschaft selten weiterfördern, oft aber durch einen glücklichen Fund plötzlich in das Nichts zurücksinken.

    1) In dieser Beziehung wollen auch die auf unserer Ausgabe gegebenen Positionen nicht massgebend sein; sie sollen nur den Gebrauch der Tabula erleichtern. Über den Grad ihrer Zuverlässigkeit soll der Commentar Auskunft geben. 2) Ein Beispiel bietet Scupis VII 4, früher allgemein für Uscub angenommen, obwohl die Zahlen nach keiner Seite hin stimmten; 1881 hat Tomaschek an dessen Stelle Leskowatz gesetzt, und alle Schwierigkeiten sind gehoben, nach 4 Richtungen hin stimmen jetzt die Zahlen. 122 Erklärung der Routen.

    Viertens: Man suche die Strassen und Marschlinien nicht auf abgelegenen Wegen, sondern stets in erster Linie auf den durch alle Zeiten gleichgebliebenen Verkehrswegen, somit in den Thälern der grossen Flüsse, auf natürlichen Terrassen, über die Gebirge nur auf den günstigsten Pässen, auf Hochplateaux erst dann, wenn die Natur dazu nötigt. Das römische Strassennetz zeigt die grösste Ähnlichkeit und Übereinstimmung mit den Eisenbahnnetzen unserer Zeit. In den heutigen Kulturländern folgt jetzt allen bedeutenden römischen Verkehrslinien ohne Ausnahme die Eisenbahn, und wo letztere auf kleinere Strecken von den Wegen der praktischen Römer abweicht, ist es vielfach nicht zu ihrem Vorteil.

    An fünfter Stelle kommt die Benützung der besten modernen Karten und Aufnahmen, und die Rücksichtnahme auf archäologische Funde. In letzterer Beziehung ist aber zu warnen vor der Gefahr, aus römischen Funden sofort die Identität der Fundstelle mit einem Orte der Tabula folgern zu wollen. Man übersieht zu oft, dass die Tabula in dieser Hinsicht unmöglich vollständig sein kann, sondern nur einen kleinen Teil derjenigen Orte nennt, welche thatsächlich existiert haben.





    Litteratur.

    a. Commentare.

    1. Marcus Welser giebt zu seiner Ausgabe der Fragmente von 1 59 c die Erklärung des Inhalts derselben, welche in den Opera Velseri 1682 wieder abgedruckt ist.

    2. Die editio princeps erschien ohne Commentar, weil es unmöglich war, in kurzer Zeil einen solchen herzustellen. Aber Welser gab sich viele Mühe, einen geeigneten Gelehrten zur Abfassung eines solchen zu veranlassen. Der Ausersehene war Paul Merula, seit 1592 der Nachfolger von Just. Lipsius in Leyden; schon am 18. Nov. 1598 schrieb ihm Welser einen eindringlichen Brief, sandte ihm bald darauf ein Dedikationsexemplar der Tabula und stellte ihm seine und der bedeutendsten Gelehrten Mitarbeit in Aussicht. Merula entschuldigt sich mit anderen Arbeiten; 1605 edierte er in Leyden sein grosses Werk — die Cosmographia generalis —, worin er die Tabula benützt, aber sagt, ein Commentar derselben strotze von so vielen Schwierigkeiten und Abgründen, dass er davor zurückgeschreckt sei.

    Bertius de reb. German. c. 23 erklärt eine kleine Anzahl Namen und Routen der Tabula; ebenso Cellarius und Cluverius († 1623).

    3. Der gelehrte Niederländer Mensonius Altingius ist der erste, welcher einen Commentar zur Tabula als Manuskript fertiggestellt hatte, als er a. 1718 starb. Der Druck kam nicht zu stände; das Manuskript kam in die Hände von Relandus, dann Wesseling (welcher in seinen Vetera Romanorum Itineraria Altings Commentar ausgenützt haben soll), van Goes und (nach Sax. Onom.) Scheyb.

    4. verspricht in den Nova Acta Erud. Lipsiae 1766 p. 76/80 einen Commentar zur Tab. P. Bald nachdem die Kupfer in den Besitz der Palatinischen Akademie übergegangen waren, sandte Scheyb der Akademie einen Commentar zur Tabula in alphabetischer Form, welcher im Druck einen grossen Folioband ausgemacht hätte. Die Akademie glaubte jedoch, er müsse noch mehr vertieft werden. Ein Freund Scheybs in Leyden wollte ihn drucken lassen, aber es kam nicht dazu. Scheyb starb und sein Werk mit ihm.

    5. Der Einzige, welcher einen Commentar zur ganzen Tabula herausgegeben hat, ist Katancsich mit seiner Ausgabe: Orbis antiquus, 2 Bände 4°, 1824/5. Der Gang und die Anlage des Commentars ist richtig, der lateinische Text schwerfällig, der Druck und die Form entbehrt jeder Übersichtlichkeit, der Inhalt ist jetzt grossenteils veraltet.

    6. Desjardins hat zu seiner Ausgabe einen Commentar in der umfassendsten Weise angefangen, aber bis zum Jahre 1874 (14. Lief.) nur Frankreich und Italien (p. 1—260) behandelt und mit den entsprechenden Karten versehen. Bis zu seinem 1886 erfolgten Tode erschien keine Fortsetzung mehr. Die Schwerfälligkeit wird den Commentar von Desjardins so wenig als den von Katancsich praktisch 124 Litteratur. nützlich werden lassen; er bildet ein Magazin, aus dem der Spezialist dann und wann schöpfen wird.

    Die grosse Verwirrung, welche über die allgemeinen Fragen der Tabula noch unter den Gelehrten herrscht, hat ihren Grund grossenteils in dem Mangel einer übersichtlichen und handlichen Bearbeitung der ganzen Tabula, welche deren Benützung erleichtern würde.

    Die Bearbeitungen einzelner Länder und Strassenrouten werden im speziellen Teil aufgeführt werden.

    b. Allgemeine Litteratur.

    Airenti, Observation! int. sopra la tav. Peut. Roma 1809.
    Altingius, s. Commentare p. 119.
    d'Anville, Bourguignon, Géogr. anc. abregée. Paris 1768. — Danvillius, Notice de l'ancienne Gaule.
    d'Avezac, in den Mémoires de l'Ac. d. Inscript. I. sér. t. 2. Paris 1852. (Über den Aethicus.)
    Baehr, Gesch. d. röm. Literatur. HI. B. Karlsruhe 1870. p. 216/219.
    Beatus, s. Rhenanus.
    Bender, Grdr. d. Lit.-Gesch. 1876. p. 78.
    Bergier, s. Ausg. p. 32.
    Bernhardy, Grundriss d. röm. Litt. Braunschweig 1857. p. 655.
    Bertius, Petrus, De reb. German. c. 23 (in Velseri Op. p. 775/784). — S. ferner Ausg. p. 29.
    Brunet, Manuel du Libraire. Paris 1863. (Peuting. — mangelhaft und sehr unvollständig.)
    Burmann, Anthologia latina. Amstel. II. 1773. p. 391 7. (ed. Meyer, Lipsiae 1835. I. p. 108 — Nr. 274.)
    Calogera, s. Vandelli.
    Cellarius, Not. orbis antiqui. Lipsiae 1701. t. I. praef.
    Christianopulus, s. Ausg. p. 36.
    Cluverius, Germania ant. Lugd. Bat. 1616. — Sicilia 1619. — Italia ant. 1624.
    Correspondenz, Monatl. August 1811.
    Dahn, Urgeschichte d. germ. u. röm. Völker (in Onkens Allg. Gesch.). II. p. 452 5. Berlin 1881; anders ib. p. 494!
    Desjardins, s. Ausg. p. 30. Ferner Revue bist. I. 1876. p. 184. tl. (»Les onze regions d'Auguste« — separat als Brosch. 1875. 8°); ferner Comptes rendus de l'Ac. d. Inscr. 1874, p. 159 (über seine Ausgabe).
    Eckermann in Ersch und Gruber, Allg. Enc. III. Ser. 20. Leipzig 1845 (Peutinger).
    Eichhorn, Deutsche Staats- u. Rechtsgesch. 4. Aufl. Göttingen 1834. I. p. 114.
    Ephemeriden, Geographische. April 1802.
    Fabricius, Bibl. Lat. in Indice. tom. I et II. voc. Tab.Peut.
    Forbiger, Hdb. d. alten Geographie. I. 1842. p. 470 fl.
    Fortia d'Urban, Recueil des itineraires anciens. Paris 1845. in 4“. s. Ausg. p. 37.
    Fréret in Hist, de l'Acad. des Inscr. XIV. Paris 1743. p. 174/178 u. Suppl. in: Hist. Ac. Reg. Inscr. t. XVIII. 1753. p. 249/256.
    Litteratur. 125 Gatteier, Diplomatik. Göttingen 1799 (über d. Schrift).
    Gori, Symb. litt, ab a. 1751. vol. VI. 1/58 (giebt den Art. v. Bertius wieder).
    Graesse, Lehrb. d. allg. Litgesch. Dresden 1837 fl. I. 2. p. 1269/1271.
    Grotefend in Seebode, Krit. Bibl. 1828.
    Grün, Dionys, Die Peut. Taf.; in den Mitt. d. geogr. Ges. in Wien. 17. B. 1874. p. 289/308. 337/363. 456/471.
    Günthner in Westenrieders Beiträge, t. IX. p. 159 fl. (über die Tegernseeer Hyp.), u. id., Gesch. der literarischen Anstalten Bayerns. I. p. 108 u. 297.
    Haeffelin, Casimir, Abbé, in Acta Acad. Theodoro-Palatinae, t. V. hst., Mannheim 1783. p. 105—126.
    Henzen im Archiv für siebenbürgische Landeskunde. N. F. I. B. Kronstadt 1855. 8°.
    Heyrenbach, Jos. Benedict, S. J., 1768. »herausgeg. 1852 von Karajan in Wien«.
    Holstenius, Luc., Annotationes in It. ant. Rom 1666.
    Horn, Georg, s. Ausg. p. 31.
    Hotz, R., Zur Erkl. u. Gesch. d. Tab.Peut. in den Mitteilungen d. Instituts f. österr. Geschichtsforschung. VII. 1886. p. 209/222.
    Jaffé in der Vorrede zu den Annales Colmarienses im 17. B. d. Mon. Germ. 1861.
    Janssonius, s. Ausg. p. 31.
    v. Jaumann, Col. Sumloc. Stuttgart 1840. p. 111.
    Jordan, Joh. Christoph., Origines Slavicae. Wien 1745 u. 1773. II. 3. 145 u. III. p. 185 fl.
    Irenicus, Franc., Exegesis historiae Germaniae. fol. Hagenowae 1518. lib. IX. c. 7.
    Katancsich, Orbis ant. Budae 1824. 2 Bände Text in 4°, Tab. in fol.
    Kiepert, Lehrb. d. a. Geogr. Berlin 1878. p. 8.
    Lamy, Bernh., Apparatus Geogr. 17.., p. 272.
    Lelewel, Géogr. du moyen âge. Bruxelles 1852.
    Lotter, J. G., Diss. de tab.Peut. Lipsiae 1729/1732. 4°. — Gesch. Conrad Peutingers. Leipzig 1729.
    Malte-Brun, Gesch. d. Erdk. II. p. 4. — Annales, s. Mannert.
    Mannert, Geogr. d. Gr. u. R. I—X. 1788,1829 (bes. im I. Band). — Res Traiani ad Danubium — cum dissert. addita de Tabulae Peutingerianae aetate. Norimbergae. 1793. 8°. In franz. Übersetzung als Dissert. sur la carte géogr. de Peutinger — in Malte-Brun, Annales des Voyages. t. I. Paris 1808. p. 343 bis 360; ib. über Dacien. XXI. p. 189 fl. XXII. p. 35 fl. — Ferner s. Ausg. p. 35.
    Maury, Alfred, in Revue arch. IX. ser. 1864. I. p. 60/63. (Bes. über den Gallien betr. Teil.)
    Meermann, Abhandlung über die Tab.Peut. in Burmanns Anthol. lat. 1773. II. p. 392/397.
    Mommsen in Berichte d. sächs. Ges. ph. h. Kl. III. Leipzig 1851. p. 102.
    Mosel, Gesch. d. Hofbibl. in Wien. Wien 1835. 8°. p. 137 fl. p. 305/306.
    Müllenhoff, Die Weltkarte u. Chorogr. d. Augustus. Kiel 1856. p. 5.
    Öfelin, Peutingeriana. Augsburg 1742.
    Ortelius, s. Ausg. p. 30.
    Partsch, Africae veteris Itineraria. Diss. Breslau 1874.
    126 Litteratur. Passioneus, Leichenrede auf † Prinz Eugen. Padua 1737.
    Paulus, Erklärung der Peut. Taf. 1867, als 8. II. im I. B. d. Schr. d. Württbg.
    Alttsv. 1866.
    Pauly, Über d. Strassenzug d. P. T. Progr. Stuttgart 1836. 4°.
    Philippi, De tabula Peutingeriana. Diss. Bonn 1876. — Weltkarte des Agrippa.
    Marburg 1880.
    Podocatharus, s. Ausgaben — p. 36.
    Reinganum, Gesch. d. Erd- u. Länderabbildg. d. Alten. Jena 1839. I. p. 44.
    Rhenanus, Beatus, Rerum Germanicarum libri III, ed. Froben. Basel 1551. Fol. t. I.
    Rocca, P., Giustificazione d. tav. Peut. c. l. v. litorana da Genua ai Vadi Seb. Genua 1884.
    Ruelens, La première edit. de la table de Peut. Brüssel 1884.
    Sammlung röm. Denkm. in Bayern. München 1808. 4°.
    Sachse, Beschr. v. Rom. Hannover 1824 S. II. p. 448.
    Saxius, Onomastikon. Trajecti 1775. I. p. 500/504.
    v. Scheyb in Nova Acta Erud. Lipsiae 1766. März u. April, p. 76/80. — Ferner s. Ausg. p. 33.
    Schirlitz, Handbuch d. a. Geogr. 1822 u. 1837. p. 134. — Hist. increment. Geogr. app. Rom., Wetzlar 1831.
    Schlett, Über Römerstr. München 1833. p. 10/14.
    Schmidt, Die Oberdonaustrasse. Berlin 1844. — Verhandl. der preussischen Gewerbevereine. 1833.
    Schoepflin, Alsatia illustrata. 1751. t. I. p. 610/612.
    Seefried, J. N., Beiträge z. Kntn. d. Peut. T. im Oberbayrischen Archiv. 29. B. p. 332/346. 31. B. p. I. 16 u. 274/296. 32. B. p. 283/311. München 1869/1872.
    Siegert, Karl, Grundl. z. alt. Gesch. d. bayr. Hauptvolksst. München 1854. p. 91/92.
    Sprengel, Gesch. d. geogr. Entd. p. 132.
    Tomaschek, s. besonders »Zur hist. Topogr. Persiens« in d. Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. Wien 1883. CII. B. p. 145 fl.
    Ukert, Geogr. d. Griechen u. Römer. Weimar 1816,1846.
    Vandelli (in Modena) in: Calogera, Raccolta d'opusculi scient. t. XLII. 16° Venezia 1750. p. 283/305.
    Veith, Hist. vitae Conradi Peutingeri. 1783. p. 49,136.
    Vivien de S. Martin, Hist. de la geogr. Paris 1875.
    Welser, Opera, ed. Arnold. Nürnberg 1682. fol.; ferner s. Ausg. p. 26 fl.
    Wesseling, Diatribe de Judaeorum Archontibus. Utrecht 1738. 8°. — Vetera Romanorum Itineraria. Amst. 1736. praef.
    Wietersheim, Gesch. d. Völkerwanderung. II. p. 365. 177. (Über die Grenzvölker d. Tab.)
    Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstämme. München 1837. p. 306/334 u. 382.


    Die Abhandlungen über einzelne Länder und Routen der Tab. sind hier nicht aufgeführt.

    127

    Inhalts-Verzeichnis.

    Bemerkungen zur neuen Ausgabe der Tabula 3
    Einleitung (allg. Beschreibung d. T. P.) 5

    A. Die Kopie in Wien (T. P.).

    1. Geschichte d. T.P. Celtes (6), Herkunft der Tab. (7), Peutinger (10), Welser (11), Sulzer-Küz (12), Prinz Eugen (12), Hofbibliothek (13). 6
    2. Gegenwärtiger Erhaltungszustand 14
    3. Charakter und Alter der Schrift (wahrsch. elftes Jahrh.) (15), Zusätze eines Korrektors (17), Peutingers (18) 15
    4. Die Treue der Abschrift, a. Schreibfehler (18), falsche Absetzungen (19), fehlende Namen (20), fehlende Vignetten und Zahlen (21), Nachlässigkeiten, Wiederholungen, falsche Verbindungen (22); b. Interpolationen (23) 18
    5. Die Ausgaben (26). a. die 2 Fragmente (26); b. vollst. Ausg. (27); einzelne Segmente (39) 26

    B. Das Original. — Das Werk des Castorius.

    1. Castorius, der Verfasser (40). Das I. Segm. (Titel) fehlt (40), Citate des Ravennas (40), dessen Karte war nicht rund (44), nicht vollständiger (45); wer war Castorius? (46), bisherige Namen der Tab. (47). 40
    2. Die Zeit der Abfassung — a. 365—366 nach Chr. (48), die 3 Kaiseiresidenzen (48), Valentinian, Valens und Procop (49), die Vignetten 2. Ranges (54), die übrigen Vignetten und Namen (55), das Verh. z. Christentum (56), die Reichsgrenzen am Rhein (57), an der Donau (57), in Dacien (58), im Orient (59), die Provinzeinteilung — Pannonien und Mösien (60), Sprachweise der Tab. (61), das vollendetste Itinerarium (62), Itineraria picta (64), Vegetius (65), Lampridius (65), Sedulius (66) 48
    3. Quellen des Castorius (67); a. nicht die augusteische Karte (67), Reichsvermessung (67), Commentar und Karte des Agrippa (68), ob die physikalische Geogr. entlehnt (70); b. alte Karten (71), c. wirkliche Quellen — Itinerarien (73); Anachronismen (74) 67
    4. Zweck u. Bedeutung d. T. (75). Keine wirkliche Karte zu sein (75), sond. eine Reisekarte (76); nicht aus Kreisform (76), nicht für einen Porticus bestimmt (76), für Militärs (77), Postbeamte (78), Privatreisende (78); Wert der Karte (79), Unvollständigkeit (80), Ausdehnung der Karte (82), umfasst das Römer- und Perserreich (82) ... 75
    II Inhalts-Verzeichnis.

    C. Zum Verständnis des Inhalts.

    1. Anlage der Karte im allg. (84). Keine Himmelsrichtung (84), keine geometrischen Verh. (84); Richtpunkte (85), phys. Geographie (86), Flüsse (87), Gebirge (87). 84
    2. Die Illustrationsweise des Castorius (89). a. Die Vignetten (89), Residenzen, Hauptfestungen (89), Hauptstädte (90), Festungen (91), Verkehrsplätze (92), Tempel (93), Bäder (94), sonstige Gebäude (94), Seehäfen (95), Leuchttürme und Altäre (96), die Perspektive der Tab. (96), b. Die Farbenverwendung (97), roteingefasste Flüsse (98), Farben der Gebirge (99); Bäume (99) 89
    3. Die einfachen Stationen (101). Locativ (103), die mit ad zusammengesetzten Namen (103), Haken (104) 101
    4. Die Entfernungszahlen und deren Einheitsmaasse. Leugen (106, 107), Stadien (107), Milien, Parasangen und Schoeni (108); lex Macri (109) 106
    5. Sonstige Eigentümlichkeiten der Darstellung. Allgem. Erdanschauung des Castorius (109), Verteilung der Erdteile (109), Gebirge, Flüsse, Seen (110), Delta, Gebirgspässe (111); fehlerhafte Wiederholungen (112); verschiedene Behandlung gewisser Abschnitte (113); ehemalige Einteilung (115) ... 109
    6. Zum Verständnis der Schrift (115). Die Buchstabenformen (116), Abkürzungen (116) 115
    7. Allgemeine Regeln für die Deutung der Routen (118); zu vergleichende Schriften des Altertums (119/120) ... 118

    Anhang: Litteratur.

    a. Commentare (123). b. Sonstige Litteratur (124) ... 123